Kinderarzt über Impfdebatte: „Wir impfen zu viel und zu häufig“

Impfen (Symbolbild)

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GESELLSCHAFT

Bolle Selke
 

Gesundheitsminister Jens Spahn spricht sich für verpflichtende Masern-Impfungen aus, ebenso der Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery. Der Kinderarzt und renommierte Impfexperte Stephan Nolte bezeichnet die aktuelle Diskussion als „situativ völlig verfehlt“. Eine Impfpflicht sei „eine höchst problematische Sache“.

Die Bundesregierung bereitet Vorschläge für eine Impfpflicht vor. Gesundheitsminister Jens Spahn will diese im Mai vorlegen. Spahn spricht sich grundsätzlich für verpflichtende Masern-Impfungen für Kinder in Kitas und Schulen aus. Der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery geht noch weiter. Ginge es nach ihm, sollte es nicht nur gegen Masern, sondern auch gegen weitere Krankheiten Pflichtimpfungen geben.

„Es gibt kein Masernproblem.“

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er:

„Eine Impfpflicht auf einzelne Krankheiten zu begrenzen, ist schon deshalb problematisch, weil heute in der Regel Mehrfachimpfstoffe verwendet werden und Präparate gegen einzelne Krankheiten gar nicht mehr zur Verfügung stehen.“

Der Kinder- und Jugendarzt Stephan Heinrich Nolte hat mehrere Ratgeber für Kindergesundheit geschrieben, unter anderem das Buch „Maßvoll impfen“. Er hält die Diskussion um eine Impfpflicht für „situativ völlig verfehlt“. Aktuell gebe es überhaupt kein Masernproblem. Der Medienhype, der bei dem Thema herrsche, ließe sich anhand der Zahlen in Deutschland nicht nachvollziehen. Nolte hält eine allgemeine Impfplicht für eine höchst problematische Sache.

„Zwang ist nicht die Lösung.“

Erstmal müsse man klären wogegen, oder wofür geimpft werden sollte. Im Sputnik-Interview erklärt er:

„Es gibt ja eine ganze Reihe von Impfungen, die durchaus umstritten sind. Man muss hier unterscheiden, zwischen einer Impfung, die eine gesellschaftliche Wirkung hat und Impfungen, die nur für einen selber gut sind. Wenn ich an die Tetanus-Impfung denke, das ist etwas, was nur für mich selber gut ist, das ist nicht ansteckend. Eine Masernimpfung dagegen hat einen epidemiologischen Effekt, weil nämlich ein Masernkranker durchschnittlich etwa 20 andere Personen ansteckt und so diejenigen gefährdet, die sich nicht impfen lassen können. Diese Forderung nach einer allgemeinen Impfpflicht ist sehr diffus.“

Der deutsche Ethikrat hat der Forderung nach einer Impfpflicht in einer Mitteilung widersprochen. Auch die EU-Kommission sieht darin kein Allheilmittel zur Eindämmung der Masern und anderer Infektionskrankheiten. „Zwang ist nicht die einzige Lösung,“ sagte Vizekommissionspräsident Jyrki Katainen zu dem Thema.

„Wir impfen zu viel und zu häufig.“

Nolte warnt davor, dass eine Impfpflicht sehr starke Oppositionen hervorrufen werde, „weil man sich natürlich in seiner Selbstbestimmung beeinträchtig fühlt.“ In Südtirol seien Leute beispielsweise von Italien nach Österreich umgezogen, um sich der italienischen Impfpflicht zu entziehen. Auch könne man nicht grundsätzlich sagen, dass Länder mit Impfpflicht eine bessere Impfrate hätten, als Länder ohne.

Hinzu komme, dass die offiziellen Impfempfehlungen, welche in Deutschland von der Ständigen Impfkommission (STIKO) ausgesprochen würden, zum Teil redundant seien. Was dazu führen würde, dass hierzulande zu viel und zu häufig geimpft werde. Selbst innerhalb Deutschlands gebe es Uneinigkeiten wie Nolte berichtet, gerade bei den Masern:

„Die STIKO will die zweite Masernimpfung bis zum 23. Monat durchgeführt haben. Das steht aber im Widerspruch zu internationalen Empfehlungen. Die Sächsische Impfkommission (SIKO) empfiehlt, in Übereinstimmung mit diesen Empfehlungen, die zweite Impfung ab vier Jahren bis zur Einschulung durchzuführen. Das führt dazu, dass Sachsen im Augenblick als Land mit schlechter Maserndurchimpfungsrate gilt, obwohl es eigentlich die beste Impfempfehlung hat. Da ist in Deutschland eine absurde Situation eingetreten.“

Impfexperte Stephan Heinrich Nolte
STEPHAN HEINRICH NOLTE
Impfexperte Stephan Heinrich Nolte

Ein „Ampelsystem“ für Impfungen

Stephan Nolte, der mit seiner Praxis in Marburg niedergelassen ist, fordert schon lange ein Ampelsystem, bei dem wichtige Impfungen, wie die Masernimpfung, besonders hervorgehoben würden. Über andere Impfungen solle man selbst entscheiden können, je nachdem was man für eine Reisefreudigkeit oder Risikobereitschaft an den Tag lege. Eine Impfung, die übertrieben häufig durchgeführt werde, sei zum Beispiel die Impfung gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine durch Zecken übertragene Viruserkrankung. „Da erleben wir jedes Jahr eine unglaubliche Ausweitung der Risikogebiete, die überhaupt nicht faktisch belegbar ist.“ Die Rotavirus-Impfung werde selbst nach der Kosten-Nutzen-Analyse des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (iqwig) allenfalls als kostenneutral, aber keinesfalls als Gewinn bezeichnet.

„Risikoorientiertes, individuelles Impfen“

Nolte plädiert für eine maßvolle, an den Risiken orientierte Impfempfehlung und nicht „Alles für alle“. Momentan sei es aber so, dass die Empfehlungen querbeet und für alle gelten würden. Man könne aber auch sehr gut risikoorientiert vorgehen. Der Kinderarzt betont:

„Ein gestilltes Kind würde ich nicht gegen Rotaviren impfen, weil diese Impfung bei gestillten Kindern in vielen Fällen gar nicht angeht und weil das Risiko an einer Rotavirus-Infektion zu erkranken für ein gestilltes Kind außerordentlich gering ist. Ich plädiere für ein risikoorientiertes, individuelles Impfen. Das wird aber heute nicht gewollt. Bei Kindern haben ja die Eltern ein Bestimmungsrecht, können diese Entscheidung aber nach dem herrschenden ‚patriarchalischen Denken‘ überhaupt nicht ermessen. Deswegen nehmen wir ihnen diese Entscheidung ab und machen eine universelle Empfehlung für alle. Das widerspricht natürlich dem Autonomieprinzip, welches sonst in der Medizin heute regiert: Jeder kann für sich entscheiden.“

Das komplette Interview mit Dr. med. Stephan Heinrich Nolte zum Nachhören:

Zum Interview: https://soundcloud.com/sna-radio/impfpflicht-wir-haben-uberhaupt-kein-masernproblem

Quelle: Sputnik vom 28.04.2019 


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