Erdbebenprognose: Istanbuls Untergang

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Irgendwann wird ein Erdbeben die türkische Metropole Istanbul erschüttern – aber wie heftig kann es werden? Die Analyse von Beben der vergangenen 2300 Jahren erlaubt eine Prognose.

Der türkischen Metropole Istanbul drohen schwere Erdbeben. Sie liegt am westlichen Ende einer Erdbebennaht, die die Türkei von Ost nach West durchzieht.

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Im gesamten Verlauf der tausend Kilometer langen Nordanatolischen Verwerfung haben verheerende Erdbeben in den letzten Jahrzehnten den Druck im Boden abgebaut: 1939 setzte am östlichen Ende der Verwerfung das erste Beben ein.

Mit den Erdbeben-Katastrophen von 1999 in Düzce und Izmit erreichten die Beben den bisher am weitesten westlich gelegenen Punkt der Verwerfung. Jetzt verharrt einzig im höchsten Spannungszustand: die 160 Kilometer lange Marmara-Sektion 20 Kilometer südlich von Istanbul mit seinen rund 13 Millionen Einwohnern.

Ein Starkbeben könnte in der Millionenstadt laut einer Uno-Studie 55.000 Tote und noch weitaus mehr Verletzte und Obdachlose fordern – je nach dem, wie heftig die Erdstöße wären.

Nordanatolische Verwerfungszone und Erdbebenverteilung (rote und schwarze Punkte). Die Pfeile markieren die Bewegung der Anatolischen Erdplatte.
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Nordanatolische Verwerfungszone und Erdbebenverteilung (rote und schwarze Punkte). Die Pfeile markieren die Bewegung der Anatolischen Erdplatte.

Jetzt meinen Geoforscher, das maximale Risiko für Istanbul bestimmen zu können. Der Stadt drohe im schlimmsten Fall ein Beben der Stärke 7,5, also ein immenses Beben. Archäologische Funde hatten gleichwohl auf noch weitaus heftigere Schläge der Stärke 8 hingedeutet, sie wurden nun offenbar anders gedeutet.

Die Forscher um Marco Bohnhoff vom Helmholtz Zentrum Potsdam haben nach eigenen Angaben einen Katalog historischer Erdbeben für die Nordanatolische Verwerfungszone zusammengestellt, der 2300 Jahre zurückreicht.

„Interessanterweise sind im Nordwesten der Türkei niemals Erdbeben mit Magnituden größer als 7,5 beobachtet worden“, berichtet Bohnhoff. Im Gegensatz dazu seien im Osten der Türkei Beben der Stärke 8 dokumentiert.

Die Gelehrten erklären den Befund mit dem unterschiedlichen Alter der Nordanatolische Bruchzone: Im Westen bei Istanbul sei die Erdbebennaht mit etwa acht Millionen Jahren jünger als im Osten, wo sie 12 bis 13 Millionen Jahre alt sei.

„Die längere Zeitspanne hat hier bereits zur Ausbildung größerer zusammenhängender Bruchflächen und damit zum Auftreten stärkerer Erdbeben geführt“, erläutert Bohnhoff.

Verwerfungszonen nehmen oft eine bedrohliche Entwicklung. Im Laufe der Jahrmillionen vereinen sich ihre Bruchzonen bei Erdbeben zu größeren Segmenten. Je größer die Abschnitte, desto höher ist das Risiko, dass sie bei einem einzigen Beben brechen. Je mehr Gestein in Bewegung gerät, desto heftiger schwankt der Boden.

Im Osten der Türkei träten mithin stärkere Beben auf als im Westen, wo die Bruchzonen noch in kleinere Abschnitte gegliedert seien, berichten die Forscher im Fachmagazin „Tectonophysics“.

Die Studie bedeutet keine Entwarnung, auch Beben der Stärke 7,5 sind zerstörerisch, aber immerhin um ein Vielfaches kleiner als Beben der Stärke 8. Die Regierung will der Gefahr vorbeugen: In der Türkei sollen zwei erdbebensichere Millionenstädte entstehen. Allerdings gelten in Istanbul Abertausende Häuser als nicht erdbebensicher.

boj

Quelle: Spiegel-online vom 04.03.2016

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