Was ist das eigentlich – Geschichtsrevisionismus?

KAY GOTTSCHALK VS. DORIS VON SAYN-WITTGENSTEIN

AfD-Bundesvorstandsmitglied Kay Gottschalk hat sich gegenüber der FAZ empört über eine Rede der schleswig-holsteinischen AfD-Vorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein gezeigt.

Von ROBERT ANDERS | Zur Freude von Justus Bender, dem unermüdlichen AfD-Jäger der FAZ, hat sich mal wieder ein Mitglied des Bundesvorstands dieser Partei bei ihm ausgeweint. Diesmal war es Kay Gottschalk, der sich empört über eine Rede der schleswig-holsteinischen AfD-Vorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein zeigt. Die Politikerin, unlängst im Parteiamt demokratisch bestätigt, aber von einem Ausschlussverfahren bedroht, soll in einer Rede im Hochsauerland den „Geschichtsrevisionismus“ verteidigt und den Verfassungsschutz scharf attackiert haben.

Letzteres ist in der AfD bislang kein strafbares Vergehen, aber „Geschichtsrevisionismus“ riecht natürlich gleich nach Leugnung des Judenmords der Nationalsozialisten. Laut des FAZ-Textes in der Ausgabe vom 31. Juli 2019 hat Sayn-Wittgenstein dieses unleugbare Großverbrechen jedoch nicht in Zweifel gezogen. Verteidigt hat sie hingegen Autoren und Historiker, die eine andere Interpretation jener Ereignisse vertreten, die zum Zweiten Weltkrieg geführt haben. Genannt wird der Name des ehemaligen hohen Bundeswehroffiziers Gert Schultze–Rhonhof, dessen Buch „Der Krieg, der viele Väter hatte“ den „langen Anlauf zum Zweiten Weltkrieg“ schildert.

Dieses Buch hat einen großen Leserkreis gefunden, gerade in konservativen und rechtsdemokratischen Kreisen. Und vielleicht hat selbst Gottschalk das Buch gelesen, wenngleich dann unter der Bettdecke. Inwieweit und ob mit Recht der Autor die allgemein verbreitete Geschichtsauffassung korrigiert, soll hier kein Thema sein. Die These, dass das Hitler-Regime unschuldig am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war, vertritt Schulze-Rhonhof jedenfalls nicht. Es ist unbekannt, ob er AfD-Mitglied ist. Doch ein anderer bekannter „Geschichtsrevisionist“ ist es auf jeden Fall, nämlich der Historiker Stefan Scheil. Denn der ist sogar ein bekannter Parteifunktionär der AfD in Rheinland-Pfalz. 2017 verpasste Scheil nur knapp den Einzug in den Bundestag.

Wenn Gottschalk tatsächlich besorgt über „Geschichtsrevisionismus“ in seiner Partei ist, dann müsste er sich mit weit mehr Grund gegen Scheil statt gegen Sayn-Wittgenstein wenden. Scheil allerdings gehört wie Gottschalk zu dem Kreis jener „Gemäßigten“ in der AfD, die vor einiger Zeit öffentlich gegen Björn Höcke Front machten. Sayn-Wittgenstein hingegen zählt zu den Anhängern des thüringischen Spitzenkandidaten und Stars der „Rechten“ in der AfD. Ob also Gottschalk glaubwürdig die Sorge um „Geschichtsrevisonismus“ umtreibt, kann zumindest in Zweifel gezogen werden. Es könnten ihn auch ganz andere Motive in die allzeit offenen Arme von FAZ-Bender getrieben haben.

Was aber hat es auf sich mit dem „Geschichtsrevisionismus“? Unbestritten ist, dass es keine völlig objektive, unbestreitbare Geschichtsschreibung geben kann. Der Grund ist simpel: Es sind immer fehlbare Menschen, die diese Arbeit machen. Und diese Menschen sind in ganz verschiedener Weise geprägt, vor allem national, politisch und kulturell. Da die Geschichte, insbesondere so dramatische Kapitel wie die Entstehung der Weltkriege des 20. Jahrhunderts, äußerst komplex und von vielen Faktoren bestimmt ist, wird es immer abweichende Darstellungen unterschiedlicher Historiker geben.

Ein herausragendes Beispiel dafür ist der Streit um die Schuld am 1. Weltkrieg. Bis vor einigen Jahren war es in der offiziellen deutschen Geschichtsschreibung üblich, diese Schuld allein oder fast ausschließlich dem damaligen deutschen Kaiserreich aufzuladen. Das hat sich im letzten Jahrzehnt, gerade wegen der Veröffentlichungen ausländischer Autoren, grundlegend verändert.

Wer heute noch behauptet, die damalige deutsche Führung habe den Krieg gewollt und provoziert, muss mittlerweile als echter Geschichtsrevisionist betrachtet werden. Denn die historischen Fakten sprechen eine andere Sprache.

Auch der für Deutschland und Europa so verhängnisvolle „Versailler Vertrag“ von 1919 wird inzwischen viel negativer und kritischer beurteilt als in den Jahren nach 1945. Und es kann durchaus sein, dass künftig auch die Vorgeschichte und der Ausbruch des 2. Weltkriegs anders beurteilt werden als derzeit es noch weitgehende Übereinkunft unter deutschen Historikern und in der deutschen Politik ist. An der Tatsache der ungeheuren Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft würde das übrigens nichts ändern. Nur wer diese Verbrechen leugnet oder relativiert, ist nicht nur im negativen Sinn tatsächlich ein Geschichtsrevisionist, sondern ist auch kein aufgeklärter Patriot.

Quelle: pi-news.net vom 31.07.2019 


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Alexander Berg
4 Jahre zuvor

Neues aus dem Aquarium…

gerhard
gerhard
4 Jahre zuvor

Geschichtsrevisionismus oder Fälschung ? War doch bisher die Domäne dere Siegermächte und der Etablierten in Bonn u. jetzt Berlin. den letzten WK haben doch die Amis angeblich allein gewonnen…..

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