Cyberüberwachung in Großbritannien: Wird Orwells Albtraum doch wahr?

Kopp Verlag


Tower of London und eine Überwachungskamera

© Flickr/ Harshil Shah

George Orwell beschrieb einst in seinem Roman „1984“ die düstere Vision eines Überwachungsstaats. Bislang wehrten sich britische Menschenrechtler gegen eine solche Antiutopie, diesmal scheint die Prophezeiung aber doch wahr zu werden: In einer zweiten Lesung hat die Mehrheit der Parlamentarier für ein umstrittenes Massenüberwachungsgesetz gestimmt.

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In den vergangenen Jahren hatte die britische Regierung mehrmals versucht, die Cyber-Überwachung gesetzlich zu verankern, jedes Mal gewann aber der gesunde Menschenverstand der Kritiker die Oberhand.

2014 hatte die  Menschenrechtsorganisation Liberty, vertreten von den britischen Parlamentariern David Davis und Tom Watson, gegen die damalige Auflage des Überwachungsgesetzes „Data Retention and Investigatory Powers Act“ (DRIPA) geklagt.

Das Zentralzivilgericht (High Court of Justice) in London entschied ein Jahr später, dass die vom DRIPA vorgesehene Vorratsdatenspeicherung von Privatdaten (darunter E-Mails, Telefongesprächen, besuchte Websites, Online-Aktivitäten) mit dem europäischen Grundrecht unvereinbar sei.



Der UN-Sonderberichterstatter zum Datenschutz, Joseph Cannataci, bezeichnete dieses Gesetz als einen „bösen“ Scherz, der sogar schlimmer sei als Orwells Visionen, die er vor mehr als 60 Jahren beschrieben habe.

„Winston (Hauptfigur in Orwells Roman „1984“, Anm. d. Red.) war zumindest in der Lage, aufs Land zu gehen, wo er unter einem Baum vor den sogenannten Teleschirmen sicher sein konnte. Heute gibt es aber viele Plätze im ländlichen England, wo es mehr Kameras gibt, als George Orwell sich jemals hätte vorstellen können. Somit ist die Situation in einigen Fällen bereits weitaus schlimmer“, sagte Cannataci.




Nun wurde vor einer Woche eine nur wenig überarbeitete Neuauflage des Gesetzes, die sogenannte Investigatory Powers Bill (scherzhaft als IP-Bill bezeichnet), im Parlament  vorgelegt, wobei die Parlamentarier am Vorabend  mit überwältigender Mehrheit von 281 Stimmen dafür und mit nur 15 Stimmen dagegen stimmten.

„Briten! Gebt Acht, wie eure Abgeordneten heute für die Bill gestimmt haben. Die ‚Ja‘-Stimmen sowie auch die Enthaltungen sind gegen euch gerichtet“, schrieb  der Whistleblower Edward Snowden in seinem Twitter-Account. Zuvor hatte der Ex-US-Geheimdienstler Großbritannien den Ländern mit den umfangreichsten Überwachungskapazitäten, die nun durch das neue Gesetzt ausgeweitet werden könnten, zugeordnet.

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​Er äußerte zudem, dass der einzige Weg, das massenhafte Ausspähen zu verhindern, der bessere Schutz der Menschenrechte mithilfe neuer technologischer Mittel wie etwa Verschlüsselung sei, um sicherzustellen, dass die Meldungen von Personen nicht nur privat, sondern auch sicher blieben.

Bei der Neuauflage der DRIPA wurden die Maßnahmen zur Umgehung von Verschlüsselungen abgeschwächt, was aber nur die Provider-Firmen und nicht direkt die Nutzer angeht – wie auch zuvor sollen die Internet-Anbieter 12 Monate lang die Standort- und Verbindungsdaten der User aufbewahren, auf die dann später auch ohne richterlicher Genehmigung zugegriffen werden kann.


Shami Chakrabarti aus der Liberty-Menschenrechtsorganisation scherzte etwa, dass „das klein bisschen Botox“ das Gesetz nicht gerettet habe.

Laut einer aktuellen Umfrage der Nürnberger Open-Source-Firma „Open-Xchange“ erachten  74 Prozent der befragten Briten den Schutz der Privatsphäre als Grundrecht, wobei nur 20 Prozent der Umfrageteilnehmer sich für die Investigatory Powers Bill aussprachen.

Am 14. März veröffentlichte „The Guardian“ einen offenen Brief gegen die IP-Bill, den rund 200 renommierte Juristen und Professoren unterschrieben haben, was die meisten Medien allerdings ignorierten. In diesem Brief wird beschrieben, welche Rechte und internationale Vorschriften das Gesetz verletzt.

Quelle: Sputnik vom 16.03.2016

 

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