Sozialpsychologe Lantermann: Zerstückelung der Gesellschaft ist „sehr, sehr dramatisch“

 

Ernst Dieter Lantermann (Blessing Verlag / Alex Schmitt Photography)
Ernst Dieter Lantermann (Blessing Verlag / Alex Schmitt Photography)

Der Sozialpsychologe Ernst Dieter Lantermann sieht in der zunehmenden Radikalisierung unserer Gesellschaft einen gefährlichen Vorgang.

Lantermann sagte im Deutschlandfunk, anders als in den Aufbaujahren der Bundesrepublik baue sich jeder seine eigene Welt und brauche damit „auch den Feind, mit dem es keine Gemeinsamkeiten gibt“. Das gelte für Fremdenhasser ebenso wie für Veganer oder Klimaschützer. Die Folge sei eine Zerstückelung der Gesellschaft auf Kosten des Gemeinwohls und des Dialogs mit Andersdenkenden. Empathie und Mitleid würden „begrenzt auf die Menschen, die mit mir gemeinsam eine eingeengte Weltsicht teilen“. Das sei „sehr, sehr dramatisch“, so der Autor des Buches „Die radikalisierte Gesellschaft„. Dabei verweist er auf Beobachtungen von Rettungskräften, wonach die Verrohung im Alltag stark zunehme.

„Radikalisierung ist ein Zeichen für eine schwieriger gewordene Gesellschaft“

Ein wichtiger Auslöser für diese Entwicklung war nach Lantermanns Ansicht die Agenda 2010. Sie sei ein Bruch in der Sozialgeschichte der Bundesrepublik gewesen, „weg von der Fürsorge hin zur Selbstermächtigung“. Seitdem werde nur der gefördert, der sich für sich selbst einsetze. Deshalb sieht Lantermann auch in der zunehmenden Radikalisierung „mehr ein Zeichen einer schwieriger gewordenen Gesellschaft als das Problem eines Einzelnen“. Jeder versuche sein Leben sinnvoll zu gestalten. Und da komme es darauf an, welche Angebote eine Gesellschaft mache.

Auch die Radikalisierung des Einzelnen ist für Lantermann ein Weg zur Selbstermächtigung: „Das ist ein Triumph der Wiedergewinnung von Sinn, Bedeutung und Klarheit.“ Die Leute wüssten endlich wieder, was sie zu tun haben und was richtig und falsch ist. Sie wüssten, wo die Freunde und die Feinde sind: „Sie haben die Welt vereinfacht und sich dadurch einen unglaublichen, auch moralischen Gewinn verschafft.“

Dies betrifft offenbar alle politischen Lager. Bundesaußenminister Maas erntet zurzeit im Internet Kritik dafür, dass er auf Twitter einen Konzertausschnitt von Herbert Grönemeyer verbreitet hat. Darin ruft der Sänger dazu auf, „keinen Millimeter nach rechts“ zu rücken und sagt wörtlich: „dann liegt es an uns zu diktieren, wie eine Gesellschaft auszusehen hat“. Viele fühlen sich an die Sportpalast-Rede von NS-Propagandaminister Goebbels erinnert.

„Das feindliche Gegenüber verschiedener Gruppen bedroht den gesellschaftlichen Zusammenhalt“

Die Forschergruppe „Gesellschaft Extrem“ war zuletzt zu der Ansicht gekommen, dass die Gesellschaft in Deutschland zwar nicht radikalisiert, aber „stark politisch polarisiert“ sei. Der öffentliche Diskurs über Demokratie und deren Stärkung habe zwar zugenommen, so Eva Herschinger von der „Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung“. Die demokratischen Milieus stünden allerdings „verhärteten antidemokratischen Milieus“ gegenüber, die wiederum gewaltbereiter seien. Das zunehmend feindliche Gegenüber zwischen demokratischen und antidemokratischen Gruppen drohe den gesellschaftlichen Zusammenhalt schwinden zu lassen.

Quelle: Deutschlandfunk vom 15.09.2019 


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