Ramsauer (CSU) zu Seehofers Migrationspolitik„Wird langsam zu einem echten Problem für unsere ganze Partei“

 

Schon seit Langem kämen die Menschen bei den „Wendungen“ von Innenminister Horst Seehofers Migrationspolitik nicht mehr mit, kritisiert der CSU-Politiker Peter Ramsauer im Dlf. Im Hinblick auf den CSU-Parteitag sei er „gespannt“, ob Seehofer kommen werde. Das werde aber von ihm erwartet.

Peter Ramsauer im Gespräch Dirk-Oliver Heckmann

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Der CSU-Politiker Peter Ramsauer vor einem Treffen der Unionsparteien in Berlin (AFP / John MACDOUGALL)
„Ich bin noch nie einer Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen“, sagte der CSU-Politiker Peter Ramsauer im Dlf (AFP / John MACDOUGALL)

Dirk-Oliver Heckmann: Horst Seehofer – viele Jahre über hatte er den Kurs der CSU bestimmt als bayerischer Ministerpräsident und CSU-Chef. Doch das ist Geschichte. Markus Söder hat von ihm beide Ämter übernommen und ist dabei, seine Partei kräftig umzukrempeln. Er will die CSU moderner, digitaler, jünger und weiblicher machen – und grüner. Das allerdings passt nicht jedem. Heute beginnt der CSU-Parteitag in München und da stellt sich Markus Söder der Wiederwahl.

Am Telefon können wir jetzt Peter Ramsauer begrüßen, Mitglied des Deutschen Bundestages, ehemaliger Verkehrsminister und langjähriger stellvertretender Parteichef bei der CSU. Guten Morgen, Herr Ramsauer.

Peter Ramsauer: Guten Morgen – noch aus Berlin.

Heckmann: Herr Ramsauer, Sie sind mehr oder weniger auf dem Weg nach München. Markus Söder stellt sich heute der Wiederwahl. Werden Sie Ihre Hand für ihn heben?

Ramsauer: Wir haben ja ein Wahlgeheimnis, aber ich verrate nicht zu viel, dass ich meinen alten Freund Markus Söder, wenn es um die Wiederwahl geht, wieder wählen werde. Es ist seine erste Wiederwahl. Da wird natürlich immer besonders präzise draufgeschaut. Aber ich bin sicher: So wie er seine erste Amtsperiode bewältigt hat, wird er ein gutes, sehr gutes Ergebnis bekommen.

„Bin noch nie einer Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen“

Heckmann: Wie gefällt Ihnen denn der neue grüne Anstrich, den Söder der Partei versucht zu verpassen? Bei der Abstimmung über das Klimakonzept der CSU im Vorstand, da hatten Sie ja gefehlt. Hatten Sie da den direkten Widerspruch gescheut?

Ramsauer: Wenn mir jemand nachsagt, den direkten Widerspruch zu scheuen, kennt er oder sie mich nicht. Ich bin noch nie einer Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen und auch dieser nicht.

Ja, es ist richtig: Ich habe mich sehr kritisch geäußert, denn das, was hier als Ausfluss einer, wie von manchen gesagt wird innerhalb der Partei, Klimahysterie aufgesetzt wurde, dem können viele in dem Tempo nicht folgen, und wir müssen aufpassen als Volkspartei, dass es bei so fundamentalen und schnellen Veränderungen inhaltlicher Art uns nicht da und dort aus der Kurve trägt.

Ich habe gestern wieder einen Parteiaustritt bekommen, ein Parteiaustritt in der Folge von vielen, die den Parteiaustritt nicht nur durch die Wechselhaftigkeit der seehoferschen Einwanderungspolitik begründen, sondern auch mit den Häutungen und schnellen Wandlungen in der Klimapolitik.

Heckmann: Markus Söder sagt dazu, die CSU muss aber gerade bei diesem Thema den Mehrheitswillen annehmen. Sind Sie dabei, Herr Ramsauer, die Zeichen der Zeit zu ignorieren?

Ramsauer: Nein, überhaupt nicht. Was ist der Mehrheitswille? Ich habe in den Jahrzehnten hauptberuflicher Politik schon viele sogenannte Mehrheitswillen kennengelernt. Das was sich aus der Partei heraus an Wortmeldungen bei mir häuft, ist eine andere Mehrheitsmeinung, und deswegen sage ich: Bei all dem, was man sich an sogenanntem grünen Anstrich verpasst, müssen wir auch unsere Mitgliederschaft mitnehmen, aber nicht nur die, sondern das ganz große Stammpublikum unserer Partei, die bürgerlich-konservativen und liberalen Wählerinnen und Wähler, und da müssen wir verdammt aufpassen und deswegen wird es auch heftige Diskussionen geben auf diesem Parteitag.

„Wir müssen ein Stück weit im Gang zurückschalten“

Heckmann: Heftige Diskussionen geben auf diesem Parteitag, in die Sie sich einschalten werden. Wo liegt Söder denn genau falsch?

Ramsauer: Ich will nicht sagen, dass er falsch liegt. Aber bei den vielen Diskussionen, die wir geführt haben, im Parteivorstand, in den Gremien hier im Bundestag, der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, und anderswo, ist ja klar geworden, dass man in diesem atemberaubenden Tempo nicht weitergehen kann, weil man viele einfach zurücklassen würde. Wir müssen ein Stück weit im Gang zurückschalten, damit niemand hinten bleibt. Eine Partei kann nur eine wirkliche Volkspartei bleiben und eine sogenannte, was jetzt auch in den Satzungsänderungen diskutiert wird, Mitmach-Partei, wenn man die Leute alle mitnimmt und nicht hinten lässt und sie zum Parteiaustritt treibt.

Heckmann: Lassen Sie uns das ein bisschen konkreter machen, Herr Ramsauer. Markus Söder hatte ja vorgeschlagen, den Klimaschutz im Grundgesetz zu verankern. Er hat vorgeschlagen oder gefordert, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen, und er hat auch gefordert, die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrten abzusenken oder sogar abzuschaffen. Welches sind die Punkte, wo Sie sagen würden, das geht zu weit, das geht zu schnell?

Ramsauer: Mit Forderungen kann man immer übers Ziel hinausschießen. Sie haben vorhin die Landwirtschaft genannt. Bei den Landwirten ist das, was an Artenschutz-Gesetzgebung gemacht worden ist, bei Weitem immer noch nicht verdaut. Die Luftverkehrsabgabe, das teurer machen des Fliegens, ich halte nichts davon. Ich habe als Bundesverkehrsminister dies nur zähneknirschend hingenommen. Wir haben immer gesagt, das geht zu schnell, es gehört auch wieder abgeschafft, und vieles mehr. Man soll bitte vorsichtig sein in dem, was man der Bevölkerung zumutet.

Heckmann: Aber Sie sehen auch die politische Stimmung in Bayern mit den entsprechenden Wahlergebnissen für die CSU. Zum Beispiel das Volksbegehren „Rettet die Bienen“, das war ja schon ein Weckruf für Markus Söder. Und Sie sagen, er reagiert über?

Ramsauer: Ja, ein Weckruf schon. Aber Weckrufe können von allen Teilen der Bevölkerung kommen. Es gibt auch genau die Gegenbewegung dazu. Das eine ergibt das andere. Nur wird in der medialen Welt natürlich über die Gegenbewegungen weniger berichtet. Aber wir sehen es an Parteiaustritten. Ich sehe es täglich an Briefen, die ich bekomme, an E-Mails, an Telefonanrufen von Menschen, die sich einfach im Stich gelassen fühlen, die Angst haben um ihre Arbeitsplätze. Ich höre jeden Tag aus konservativen Wählerschichten, aus wirtschaftsorientierten, ihr macht jetzt auch dabei mit, die deutsche Automobilwirtschaft kaputt zu machen, und ähnliche Dinge. Ja da kann ich nicht einfach weghören. Ich muss diese Dinge schlicht und einfach ernst nehmen.

„Diskutiere zurzeit mit meinen vier Töchtern, wer für die Kommunalwahl kandidiert“

Heckmann: Markus Söder hat Generalsekretär Blume mit einem Konzept für eine Parteireform beauftragt. Die CSU soll weiblicher, jünger, weltoffener werden. Deshalb wird auch eine Ausweitung der 40 Prozent Frauenquote, die auf Bezirks- und Landesebene ja schon gilt, auf die Kreisebene debattiert. Was halten Sie davon?

Ramsauer: Na ja. Diese neue Linie hat ja damit begonnen, dass der Parteivorsitzende eine junge weibliche stellvertretende Generalsekretärin ersetzt hat durch einen älteren Mann. Nichts gegen diese Personen, aber insofern zeigt das schon das Problem auf, wie ernsthaft man solche Grundsätze meint. In der Anmoderation haben wir ja gehört, dass es oft nicht einfach ist, in der Basis dann auch die entsprechenden Quoten zu erfüllen, wenn die entsprechende Anzahl von Frauen einfach nicht zur Verfügung steht oder nicht in solche Ämter hinein will.

Heckmann: Das ist ja ein altes Argument, das immer wieder genannt wird.

Ramsauer: Na ja. Aber man muss sich die Praxis anschauen. Ich kenne auch die Praxis, wenn in Ortsverbänden und Kreisverbänden dann händeringend nach Frauen gesucht wird. Ich diskutiere zurzeit mit meinen vier Töchtern, wer für die Kommunalwahl kandidiert, aber da gibt es die tollsten Argumente und auch ernst zu nehmende Argumente. Man kann eine Frau nicht deswegen negativ abstempeln, wenn sie aus guten Gründen beruflicher Art, familiärer Art sagt, nein, ich möchte jetzt für irgendein Amt nicht kandidieren. Und im Übrigen: Unter den weiblichen CSU-Mitgliedern gibt es in diesem Punkt der Parteireform äußerst unterschiedliche, äußerst unterschiedliche Meinungen. Ich selbst habe mich für die erste, die wir gemacht haben, die erste Quote, die ich immer als ein Quötelchen bezeichnet habe, in einer Parteitagsrede stark gemacht und bin hinterher für diese Einstellung auch wiederum aus Frauenkreisen kritisiert worden. Frauenunion ist das eine und viele andere Frauen, die nicht in der Frauenunion sind, aber in der CSU, vertreten hier eine andere Meinung. Frau ist innerhalb der CSU nicht gleich Frau, was diese Frage anbelangt.

Heckmann: Herr Ramsauer, ganz kurz noch. Wir haben noch wenige Sekunden. – Nicht nur Söder gibt sich ja wendig, sondern auch von Innenminister Seehofer sind in der Flüchtlingspolitik neuerdings andere Töne zu hören. Denken Sie, dass die Wählerinnen und Wähler der CSU die vielen Kursschwenks abnehmen?

Ramsauer: Da kommen schon seit Langem die Menschen nicht mehr mit, was der Kollege Seehofer treibt an Wendungen. Das wird langsam zu einem echten Problem für unsere ganze Partei, wenn es nicht schon ein Problem ist.

Heckmann: Was genau erwarten Sie von ihm?

Ramsauer: Ja, ich bin gespannt, ob er heute kommt. Er hat ja eine neue Bezeichnung hier in Berlin: Das Phantom der Hauptstadt, weil er nie sichtbar ist. Gestern war er mal da. Aber es würde schon erwartet werden, dass er auf dem Parteitag mal wieder erscheint.

Heckmann: Ist er noch am richtigen Platz?

Ramsauer: Das müssen Sie ihn selbst mal fragen, morgen Früh im Deutschlandfunk.

Heckmann: Was ist denn Ihre Meinung?

Ramsauer: Wissen Sie, zu dieser Frage äußere ich mich nicht. Wer mich kennt, weiß, was ich dazu denke.

Heckmann: Das ist vielsagend, eine vielsagende Antwort von Peter Ramsauer, ehemaliger Verkehrsminister.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Quelle: Deutschlandfunk vom 18.10.2019


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gerhard
gerhard
4 Jahre zuvor

Söder…wie Seehofer…wer zu lange an der Spitze ist …verliert den Überblick…und beim nächsten parteipolitschen Beben alle Tassen aus dem Schrank fallen.

ulrike
ulrike
4 Jahre zuvor

Nein H, Ramsauer nicht für eure verdammte Partei sondern für das deutsche Volk ist es schon ein Riesenproblem.