„Bewegung Leipzig“ auf dem Marktplatz: „Das Virus wird benutzt, um abzulenken“

„Schüttelfrost-Angie“ soll „bitte schön langsam verrecken“. So geschmacklos wie dieses Plakat war am Samstag auf dem Leipziger Markt sonst keines.
 

Leipzig – Es tönen bei dieser Kundgebung immer wieder Sätze über den Leipziger Markt, bei denen man schwer anderer Ansicht sein kann. „Ich rufe euch auf, nein zu sagen zu Lügen! Und ja zur Wahrheit!“, verkündet eine Rednerin, die sich der Menge zuvor als „freie Querdenkerin“ vorgestellt hat.

400 bis 500 Menschen – so viele sind es nach Schätzung der Polizei – sind am späten Samstagnachmittag dem Aufruf der „Bewegung Leipzig“ gefolgt, sich „für Grundrechte“ zu versammeln. Überall in Deutschland gehen in diesem Moment  Leute auf die Straße, um gegen Corona-Schutzmaßnahmen zu protestieren, in Stuttgart, in München, in Berlin.

Höhnisches Gelächter auf die Empfehlung, Maske zu tragen

In Leipzig reckt ein Demonstrant zwar ein Plakat in die Höhe, auf dem er „Schüttelfrost-Angie“ in verstörender Weise droht: „Die Alte kann von mir aus verrecken. Aber bitte schön langsam. Mein Kind muss auch seit neun Wochen leiden.“ Aber eigentlich ist die Stimmung hier friedlich. Manchmal von hämischer Bitterkeit geprägt: Als vom Ordnungsamt die Anordnung übermittelt wird, 1,50 Meter Abstand zu halten, und die Empfehlung, einen Mund-Nase-Schutz zu tragen, hallt höhnisches Gelächter über den Platz. Nein, diese Demo-Teilnehmer bestehen auf ihr Recht, sich nicht zu vermummen.

„Versammlung für Grundrechte“ am späten Samstagnachmittag auf dem Leipziger Markt: Mehr als 1,50 Meter Abstand hielten die Demonstranten nur zum Areal der Redner, aber nicht untereinander.
„Versammlung für Grundrechte“ am späten Samstagnachmittag auf dem Leipziger Markt: Mehr als 1,50 Meter Abstand hielten die Demonstranten nur zum Areal der Redner, aber nicht untereinander. Quelle: Dirk Knofe

„Wir distanzieren uns von jedem Sexismus, Rassismus, Gewalt“, schwört eine der Organisatorinnen die Menge ein. Sie heiße Maren und sei Kinderkrankenschwester, stellt sie sich vor. Ihren Nachnamen wird sie auf Nachfrage später lieber nicht verraten: „Wir haben schlechte Erfahrungen mit den Medien gemacht“, begründet sie das. Ihr Lächeln vermittelt die Hoffnung, dass man ihr jetzt nicht böse ist.

Ins Mikrofon sagt Maren: „Es ist schön, dass alle auf diesem Platz versammelt sind.“ Sie meint damit ausdrücklich die etwa 150 Gegendemonstranten, die keine 100 Meter entfernt protestieren. „Auch wenn die Lautstärke vielleicht stört.“ Aber so sei Demokratie. Die Initiative „Leipzig nimmt Platz“ und die rot-rot-grünen Jugendorganisationen haben dort ebenfalls aufgerufen, „Grundrechte“ zu „schützen“, wie auf einem großen Plakat zu lesen ist. Weiter steht da: „Abstand zu Antisemitismus, Rechten und Verschwörungstheoretikern.“

Nur kurz nahmen beide Seiten Kontakt zueinander auf: Als Stadtrat Thomas Kumbernuß von der Satire-Partei „Die Partei“ mit Mitstreitern in Seuchenschutzmontur bei der „Bewegung Leipzig“ aufkreuzte. Die Polizei schirmte die Aktion ab.
Nur kurz nahmen beide Seiten Kontakt zueinander auf: Als Stadtrat Thomas Kumbernuß von der Satire-Partei „Die Partei“ mit Mitstreitern in Seuchenschutzmontur bei der „Bewegung Leipzig“ aufkreuzte. Die Polizei schirmte die Aktion ab. Quelle: Dirk Knofe

Für die Demonstranten auf der anderen Marktseite sind das hingegen nur „Schubladen für die Kritiker“, wie es Maren formuliert. Sie fühle sich keineswegs gemeint: „Wir sind eine zeitlich begrenzte Gemeinschaft von Menschen, in der jeder für sich selbst dasteht. Wir sind keine Gruppierung, keine Partei“, stellt sie zu Beginn klar.

Dass die Verbote teilweise aufgehoben sind, „macht es nicht besser“

Was wiederum für den nächsten Redner nicht ganz zutrifft: Der Leipziger Anwalt Ralf Ludwig ist Mitgründer der Gruppe „Widerstand 2020“, die er als Partei registrieren und in den Bundestag führen will. Er ist damit in kurzer Zeit zu einem prominenten Gesicht der Anti-Corona-Bewegung avanciert. Von seinem „Unbehagen“ erzählt er und erntet viel Applaus. „Es fühlt sich so an, als seien wir nur noch ein Objekt staatlichen Handelns.“ 47 Jahre sei er alt, „und nie vorher in meinem Leben war es verboten, spazieren zu gehen, auf einer Parkbank zu sitzen und – das ist das Schlimmste – andere Menschen in den Arm zu nehmen“.

Aber kehren diese Selbstverständlichkeiten nicht gerade alle wieder zurück? Abgesehen davon, dass es in Deutschland nie ein Spazierverbot gab? Was ist mit den demokratischen Rechten der Bürger, denen die aktuellen Lockerungsübungen eher zu weit gehen? „Natürlich sind die Verbote teilweise wieder aufgehoben, aber das macht es nicht besser“, ruft Ludwig. „Sie können jederzeit wiederkehren!“

Klischee oder Selbstironie? Nur ein einziger Demonstrant trug einen Aluhut.
Klischee oder Selbstironie? Nur ein einziger Demonstrant trug einen Aluhut. Quelle: Dirk Knofe

Karsten Wolf freut sich. „Wow, ich hab’ richtig Gänsehaut, wenn ihr so klatscht.“ Wolf gehört nicht zu Ludwigs bundesweitem „Widerstand 2020“, sondern zur Leipziger Bewegung und hat eben aus dem schlagzeilenträchtigen Papier eines Mitarbeiters des Bundesinnenministeriums vorgelesen. Dieser hatte die Pandemie unautorisiert von seiner Behörde, aber mit deren Briefkopf, als „globalen Fehlalarm“ bezeichnet. Ein Held der Bewegung. Wolf: „Er empfiehlt dringend, den Lockdown aufzuheben, weil er erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen hat.“ Aber passiert das nicht momentan? Nein, findet Wolf: Die Bundesregierung verletze ihre Fürsorgepflicht, kritisiert er. Sie lasse sich von einseitigen Experten beraten. Und er habe eine Ahnung, warum: „Das Virus wird benutzt, um von etwas Wichtigerem abzulenken.“

Nanopartikel mit Datenträgern im Impfstoff

Seine weiteren Ausführungen seien keine Verschwörungstheorien, betont er. „Die Voraussetzungen für einen diktatorischen Überwachungsstaat werden aufgebaut.“ Mit der Abschaffung des Bargeldes könne der Staat Dissidenten per Knopfdruck von der Versorgung abkapseln. Vor einer „Zwangsimpfung“ warnt Wolf ebenso. Gegen sie wettern hier viele Plakate, dabei fordern aktuell weder Politik noch Wissenschaft dergleichen. „Da sind verschiedenste Beimischungen möglich“, Nanopartikel mit Datenträgern könnten injiziert werden. „Doch die offiziellen Massenmedien beteiligen sich an der Vertuschung.“

Auch die nächste Rednerin findet: „Die Presse schreibt über ein Paralleluniversum“. Eine Frage der Perspektive: „So lange wir Masken tragen und Abstand halten müssen, gehen wir auf die Straße!“, ruft sie den Hunderten vor ihr zu, die keine Masken tragen und die nicht viel Abstand halten. Und die das dürfen, die Polizei steht daneben (mit Masken, mit Abstand). Drüben, auf der anderen Marktseite, bei der rot-rot-grünen Jugend, steht auf einem Banner: „Ich fühle mich in den Grundrechten nicht eingeschränkt.“

Zum Abschluss „Freiheit“ von Westernhagen“: Organisatoren der „Bewegung Leipzig“ am Samstag auf dem Leipziger Markt.
Zum Abschluss „Freiheit“ von Westernhagen“: Organisatoren der „Bewegung Leipzig“ am Samstag auf dem Leipziger Markt. Quelle: Mathias Wöbking

Die „freie Querdenkerin“ vom Beginn lobt dann aus Versehen irgendwie doch die Beschränkungen der vergangenen Monate. „Durch Corona erholt sich die Natur“, schwelgt sie und fordert, „dass wir nach Corona nicht wie vorher weitermachen“. Auch sie erntet viel Applaus. Wie auch immer: „Der Turm der Lügen wackelt und zwar weltweit. Bringen wir ihn zum Einsturz!“, ruft der abschließende Redner. Bevor alle zusammen Westernhagens Lied „Freiheit“ singen, drängelt sich zwischenzeitlich ein anderer Ruf durch die Menge: „Wir sind das Volk! Wir sind das Volk!“ 500 Menschen, schätzt die PolizeiLeipzig habe allerdings 1000 Mal mehr Einwohner, sagt deren Sprecher.

Von Mathias Wöbking

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 16.05.2020 


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Alexander Berg
3 Jahre zuvor

Faschismus hat nicht einfach etwas mit den vorgehaltenen „Bösewichten“ Hitler oder Mussolini zu tun, die wegen ihres überraschenden Todes in diesem Jahr leider verhindert sind. Das waren nur zwei Marionetten. Faschismus beruht auf den aktuell die Gesellschaft formenden Denk- und Verhaltensweisen, dem System. Sie sind der wesentliche Nährboden aus mit bedrucktem Papier und Privilegien (Eigentum, Besitz, Hab und Gut) belohnten und in Gehorsamsbereitschaft erzogenen Untertanen und ihren „wohlwollend“ erscheinenden „Vorgesetzten“ (Davorgesetzten). Nun mag man sich in der Welt umschauen, wo man keine hierarchischen Strukturen zu erkennen meint, deren Erscheinung in der „ersten Ordnung“ zu finden sind: Die Beziehung des Menschen zu seinem „Ich“, was über ihn herrscht. Und da er sich selbst nicht in der Lage sieht „Herr über sich“ sein zu können, versucht er sich darin „Herr über andere“ sein zu wollen. Dabei unterliegt er nur einer Täuschung: Er denkt, er sei sein „Ich“. die Gehorsamsbereitschaft wird in der Regel in der Familie anerzogen (durch Bestrafung) und so der Mensch für den späteren „Ernst des Lebens“ vorbereitet. Alle nachgelagerten Institutionen (Kindergärten, Schule/Bildungssystem, Staat/Gesellschaft, Kirche und Unternehmen verfeinern nur noch die sich daraus ergebende Denk- und Verhaltensweisen.