Russische Streitkräfte in Syrien errichten Operationsbasis nahe Damaskus

01.09.2015
Tyler Durden

Die direkten militärischen Interventionen auf syrischem Boden seitens der USA, der Türkei und der Golfstaaten nehmen täglich zu. Das hält die Milizen des Islamischen Staates aber nicht davon ab, immer größere Teile des souveränen Territoriums in der Mitte Syriens zu besetzen. Währenddessen hat die Al-Nusra-Front praktisch die Kontrolle über die nordwestliche Provinzregion Idlib übernommen.

Und die offiziellen »Streitkräfte der Rebellen« sind schon sehr nahe an Damaskus herangerückt. Die große Frage, die sich daher jetzt jeder stellt, ist die: Wird Putin seinen Protegé, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad fallen lassen und damit den westlichen »Befreiern«, die versuchen, die Kontrolle über Syrien zu übernehmen, das Feld räumen?

Syrien wird seit vielen Jahren von den Russen als strategisch äußerst wichtiges Land betrachtet. Denn es verhinderte, dass Pipelines aus Katar und Saudi Arabien Erdöl nach Europa bringen, was den Einfluss Russlands und Gazproms auf dem europäischen Kontinent aushebeln würde.

Noch vor einem Monat wäre die Antwort offenbar ein überraschendes »Ja« gewesen, wie wir bereits an anderer Stelle in dem Artikel »Das Ende für Syriens Assad ist nahe, da Putin am Ende seiner Geduld ist« geschrieben haben. Aber andererseits ergäbe dies keinen Sinn. Warum sollte Putin eine seit vielen Jahren sorgfältig kultivierte Beziehung aufgeben, die beiden Seiten Vorteile bringt? Russland exportiert Waffen, leistet militärische Unterstützung und erhält im Gegenzug die Zusicherung, dass keine Pipeline durch das Land gebaut werden wird.

Macht es Sinn, das Risiko großer zukünftiger Unsicherheiten einzugehen, wenn der einzige Aggressor ein dschihadistischer Ableger ist, der als Nebenprodukt der amerikanischen Intervention in der Region entstanden ist, wobei damit die Absicht verbunden wurde, endlich den seit langem angestrebten Sturz Assads zu erreichen?

Wie sich nun zeigt, war das alles nur eine List

Wie die Internetseite Ynet berichtet, hat sich Putin nicht nur nicht von Assad oder Syrien abgewendet, es sind auch russische Verstärkungen auf dem Weg. Verstärkungen – wozu? Natürlich um die bösartigen islamistischen Dschihadisten vom IS zu bekämpfen, diese bewusst aufgebaute Gruppe von Feindbildern, gegen die die USA, die Türkei und die Saudis auch kämpfen.

Dies ist vielleicht der erste Weltkrieg, in der alle Beteiligten gegen einen Gegner »kämpfen«, von dem jeder weiß, dass es sich um einen Pseudogegner handelt und es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes geht.

Laut Ynet werden russische Kampfpiloten bereits in den kommenden Tagen in Syrien erwartet, um mit ihren Kampfflugzeugen und Kampfhubschraubern Einsätze gegen den IS und andere mit den Rebellen verbundenen Ziele in dem auseinanderbrechenden Staat fliegen.

Weil sich die amerikanische und die türkische Luftwaffe ja auch nur in der Region aufhalten, um »die vom IS ausgehende Bedrohung auszuschalten«, kann sich kaum darüber beklagen, dass sich Russland ebenfalls entschieden hat, den Kampf zu den Dschihadisten zu tragen, selbst wenn dies von dem Territorium aus geschieht, welches das eigentliche Ziel der amerikanischen und türkischen Intervention ist – Syrien. Schließlich hat doch jeder das Recht, gegen den IS vorzugehen, oder etwa nicht? Weiter schreibt Alex Fishman auf Ynet:

»Westlichen Diplomaten zufolge ist ein russisches Expeditionskorps bereits in Syrien angekommen und errichtet ein Lager in einem von Assad kontrollierten Luftwaffenstützpunkt. Diese Basis soll sich im Großraum Damaskus befinden und wird in jeder Hinsicht als russische vorgeschobene Operationsbasis dienen.

In den kommenden Wochen sollen einige tausend russische Soldaten in Syrien eintreffen. Zu ihnen gehören Berater, Ausbilder, Logistikfachleute, technisches Personal und Angehörige des Luftschutzes sowie die Piloten, die die Flugzeuge fliegen werden.«

Auf der israelischen Nachrichtenseite heißt es dann, auch wenn die aktuelle Zusammensetzung des russischen Expeditionskorps noch unbekannt sei, »besteht kein Zweifel daran, dass die Kampfeinsätze russischer Piloten im syrischen Luftraum die bisherige Dynamik im Nahmittelosten definitiv verändern werden

Warum ist man sich dessen so sicher: Weil Putin, der sich bis zu diesem Moment überraschenderweise in keinen der verschiedenen internen und externen Kriege Syriens eingemischt hat, den einen Schritt getan hat, der allen anderen Paroli bietet.

Angesichts der Anwesenheit russischer Streitkräfte in Damaskus, die implizit Assad unterstützen und schützen, fällt der westliche Plan mit einem Schlag in sich zusammen. Aber es kommt noch besser: Wenn der Ynet-Artikel inhaltlich zutrifft, dürfte die Zeit des Irans als »Obamas bester Freund auf ewig« im Nahmittelosten schon bald zu Ende gehen:

»Aus westlichen diplomatischen Kreisen war kürzlich zu hören, dass es zu einer Reihe von Verhandlungen zwischen Russland und dem Iran gekommen ist. Dabei ging es vorrangig um den islamischen Staat und seine Bedrohung für das Assad-Regime. Der berüchtigte Kommandeur der iranischen Al-Quds-Einheiten, Generalmajor Kasem Sulejmani, besuchte im Rahmen dieser Gespräche vor kurzem Moskau. Dabei trafen Russen und Iraner eine strategische Entscheidung: Es müsse alles notwendige unternommen werden, um Assad an der Macht zu halten, damit Syrien als Puffer erhalten bliebe und die Ausbreitung des islamischen Staats und islamistischer Milizen auf dem Gebiet der islamischen früheren Sowjetrepubliken verhindert würde.«

Und genau das ist der springende Punkt: Der IS kann als Ablenkungsmanöver sowohl für defensive als auch für offensive Ziele eingesetzt werden. Und da die USA aller Wahrscheinlichkeit nach nicht offen einräumen werden, dass die ganze Situation ohnehin eine fingierte Farce war, ist es sehr gut möglich dass die Welt Zeuge des ersten regionalen Kriegs wird, in dem alle gegen einen Pseudogegner kämpfen, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt, während in Wirklichkeit jeder gegen jeden kämpft!

Vor diesem Hintergrund erwarten wir mit Spannung, wie Präsident Obama der amerikanischen Bevölkerung erklärt, dass die USA mit der einzigen Instanz im Nahmittelosten zusammenarbeiten wollen, die nicht nur Syrien, sondern explizit auch Putin unterstützt.

Aber es wird immer noch besser: Ynet fügt hinzu, »Westliche Diplomaten haben betont, dass die Regierung Obama sich der russischen Absicht, direkt in Syrien zu intervenieren, voll bewusst wäre, aber bisher darauf noch nicht reagiert habe… Die Iraner und die Russen – und die USA, die darüber informiert sind – haben damit begonnen, die syrische Armee aufzurüsten, die durch den Bürgerkrieg stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Sie wollen Assads Streitkräfte nicht nur ausbilden, sondern auch aufrüsten. Während der gesamten bisherigen Dauer des Bürgerkrieges haben die Russen ständig wöchentlich Frachtschiffe mit Waffenladungen in den von Russland kontrollierten Hafen Tartus in Syrien entsandt. Diese Schiffe lieferten der syrischen Armee Raketen, Ersatzteile und verschiedene Typen von Munition.«

Es scheint also, als würde nicht nur der amerikanische Militärisch-industrielle Komplex von diesen anhaltenden Krieg profitieren: Auch die russischen Hafenbauer werden nicht leer ausgehen. Arabischen Medienberichten zufolge planen Syrien und Russland den Bau eines zusätzlichen Hafens an der syrischen Küste. Dieser würde es den Russen ermöglichen, das Tempo der syrischen Wiederaufrüstung zu erhöhen.

Wenn alle diese Meldungen und Einschätzungen zutreffen, besteht die Gefahr, dass die Lage im Nahmittelosten in den kommenden Monaten auf eine massive Eskalation zusteuert.

Vermutlich wird es zu einer Wiederholung direkter Konfrontationen kommen, wie es zuletzt im Sommer 2013 der Fall war, als sich amerikanische und russische Kriegsschiffe nahe der syrischen Küste in Rufweite gegenüber lagen und nur eine verpfuschte Intervention Kerrys die Eskalation der Lage in einen offenen Krieg in letzter Minute verhinderte. Wir wollen hoffen, dass Kerry zu einem solchen Fehler auch ein weiteres Mal in der Lage ist.

Quelle: Kopp-online vom 01.09.2015

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