BOLIVIEN: Putschisten nehmen Rache

Bolivien: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen »Terrorismus« gegen Evo Morales. Auch andere Linke von Repression betroffen

Von Volker Hermsdorf
»Solange er lebt, wird er weiterkämpfen«: Unterstützer von Morales am 22. Januar bei einer Kundgebung in Buenos Aires

In Bolivien verschärft das rechte Putschistenregime die Verfolgung politischer Widersacher. Genau zwei Monate vor den für den 6. September angesetzten Parlaments- und Präsidentenwahlen erhob die unter der selbsternannten »Übergangspräsidentin« Jeanine Áñez eingesetzte Staatsanwaltschaft am Montag (Ortszeit) formal Anklage gegen den im November 2019 gestürzten linken Präsidenten Evo Morales. Dem ersten indigenen Staatschef des Landes, der den Wahlkampf der früheren Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« (Movimiento al Socialismo, MAS) aus dem argentinischen Exil koordiniert, wird darin »Terrorismus und die Finanzierung terroristischer Aktivitäten« vorgeworfen.

Morales weist die Anschuldigungen als erfunden zurück. Per Twitter bezeichnete er die Anklage als »weiteren Beweis für die systematische Verfolgung durch die De-facto-Regierung«. Da Umfragen die MAS derzeit deutlich vor den rechten Parteien sehen, kündigte Morales an: »Bald werden Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nach Bolivien zurückkehren.«

Davon ist das Land jedoch noch weit entfernt. Den Auftrag zur Strafverfolgung des Expräsidenten hatten die Putschisten bereits wenige Tage nach dessen Sturz erteilt. De-facto-Innenminister Arturo Murillo hatte damals ein Video präsentiert, demzufolge Morales den Anführer der Kokabauerngewerkschaft, Faustino Yucra Yarwi, angewiesen haben soll, »Straßenblockaden zu organisieren«, damit Lebensmittel nicht in die ­Städte gelangen können. »Wir verlangen die Höchststrafe«, machte Murillo der Justiz dabei die Erwartungen seiner »Regierung« unmissverständlich deutlich.

Das von Morales als Fälschung bezeichnete Video dient der Staatsanwaltschaft jetzt erneut als Beleg für ihre Vorwürfe. Die offizielle Anklage erstreckt sich nun auch auf den Gewerkschaftsführer Yucra, der wegen des Aufrufs zu Protesten gegen den Staatsstreich bereits im April verhaftet und inhaftiert worden war. Kurz nach dessen Festnahme hatte Murillo 30 Jahre Gefängnis für den Kokabauern gefordert.

Auch weitere Politiker der letzten gewählten Regierung des Landes, Gewerkschafter sowie Mitglieder indigener und sozialer Organisationen werden zunehmend juristisch verfolgt. Die Putschisten versuchten, »wegen der bevorstehenden Wahlniederlage jeden Tag Prozesse gegen die MAS anzustrengen«, schlägt Morales Alarm. Unter anderem wurde am 30. Juni eine Strafanzeige gegen den aussichtsreichen MAS-Präsidentschaftskandidaten Luis Arce Catacora gestellt. Dem früheren Wirtschaftsminister wird unterstellt, dem Staat durch unvorteilhafte Verträge während seiner Amtszeit wirtschaftlichen Schaden zugefügt zu haben. Während Arce die Vorwürfe umgehend zurückwies, vermutet Morales, die De-facto-Regierung wolle mit der Anklage Arces »Kandidatur unterbinden, weil er die Umfragen anführt«.

Ungeachtet internationaler Kritik haben die Gefolgsleute von Áñez mittlerweile Strafverfahren gegen etliche Beamte der früheren Regierung eingeleitet. Im Juni hatten EU-Abgeordnete, Juristen und Gewerkschaftsführer in einem Appell an die internationale Öffentlichkeit gegen »fortwährende Menschenrechtsverletzungen und die systematische Verfolgung der MAS« durch die Putschregierung protestiert. Die Unterzeichner aus fünf europäischen Ländern werfen dem Regime im Vorfeld der Wahlen »willkürliche Verhaftungen, rassistische Diskriminierung und unmenschliche Behandlung von Oppositionellen« vor.

Ob die bereits mehrfach verschobenen Wahlen wie geplant stattfinden, ist indes ungewiss. Am Wochenende schlugen die Behörden der Stadt Cochabamba Alarm, weil das Bestattungssystem wegen der Coronapandemie zusammengebrochen ist. Angehörige von Covid-19-Opfern müssten bis zu sieben Tagen mit den Verstorbenen im Haus verbringen, ohne sie begraben oder einäschern zu können. Wie der Sender Telesur am Dienstag meldete, liegen mittlerweile in mehreren Straßen der Stadt Leichen. Der Leiter der nationalen Epidemiologie, Virgilio Prieto, sprach von einer »explosiven Ansteckungsphase« und warnte, dass der Höhepunkt im September und nicht wie bisher geschätzt im Juli oder August erreicht werde.

Quelle: Junge Welt vom 08.07.2020 


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