Leipzig-Grünau: Feuer auf Autofahrer eröffnet – Strafanzeigen gegen Polizisten

Polizeieinsatz in Grünau: Hier schoss ein Beamter mit seiner Dienstwaffe auf einen Autofahrer.

Leipzig – Ein Autofahrer gerät im April dieses Jahres in der Lützner Straße in Leipzig-Grünau in eine Polizeikontrolle. Plötzlich fallen Schüsse aus einer Dienstwaffe. Später teilt die Polizei mit: Die Schussabgabe erfolgte auf die Reifen des Fahrzeugs. Doch offenbar lief der Einsatz weitaus dramatischer ab: Nach LVZ-Informationen durchschlug das Projektil aus der Polizeipistole die Fahrertür, verfehlte den 27-jährigen Hyundai-Fahrer nur um wenige Zentimeter und blieb in dessen Sitz stecken. Bis heute ist der brisante Einsatzverlauf nicht offiziell bekannt.

Erhebliche Widersprüche

Zumal es offenbar erhebliche Widersprüche gibt, was sich an jenem Abend des 21. April tatsächlich ereignet hat. Damals hatte die Polizei wegen eines Großbrandes an den Schönauer Lachen mehrere Straßen abgesperrt, um den Löscheinsatz abzusichern. Betroffen war auch die Lützner Straße, Höhe Brünnerstraße. Ein Funkstreifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht stand dazu bereit. Nach Angaben der Behörde soll der Autofahrer gegen 22.40 Uhr diese Polizeiabsperrung ignoriert und den querstehenden Streifenwagen umfahren haben, um weiter auf der Lützner Straße stadtauswärts zu fahren. „Kurz darauf wendete der Pkw und es kam zu einer Gefährdung der Polizeibeamten, woraufhin eine Schussabgabe auf die Reifen des Fahrzeugs erfolgte“, so die offizielle Darstellung der Polizei.

Handyvideo weckt Zweifel

Zweifel an dieser Version weckt ein Handyvideo, das aus einiger Entfernung vom Tatort aufgenommen wurde. Es zeigt, wie sich ein Auto nähert, zunächst mit mäßigem Tempo. Ein Polizist geht etwas nach hinten und feuert dann von der Seite auf das vorbeifahrende Auto. Zwei Schüsse sind auf der Aufnahme zu hören, erst danach beschleunigt der Fahrer und fährt weg. Zumindest auf diesem Zeugenvideo, welches nach Auskunft der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren ausgewertet wird, ist eine unmittelbare Gefährdung der Polizeibeamten nicht zu sehen.

Das Projektil aus der Dienstwaffe des Polizisten durchschlug die Fahrertür und blieb im Sitz stecken.
Das Projektil aus der Dienstwaffe des Polizisten durchschlug die Fahrertür und blieb im Sitz stecken. Quelle: Frank Döring

Auch der Autofahrer schildert im Gespräch mit der LVZ den Tatablauf komplett anders (siehe Interview). „Es bestand kein Anfangsverdacht einer Straftat, die es rechtfertigen würde, aus sicherer Entfernung in die Fahrertür schießen“ erklärte sein Anwalt Andreas Meschkat. „Vom Fahrzeugführer oder dem PKW ging keine gegenwärtige Gefahr aus. Er hatte lediglich die polizeiliche Sperrung der Lützner Straße verkannt und war in diese hineingefahren. Es wäre nicht gerechtfertigt gewesen, überhaupt die Schusswaffe gegen das Auto einzusetzen, selbst wenn man versucht hätte, auf die Reifen zu schießen.“

Verteidiger beantragt Verfahrenseinstellung

Inzwischen beantragte er die Einstellung des noch immer laufenden Verfahrens gegen seinen Mandanten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr mangels hinreichenden Tatverdachts. Zudem erstattete er Strafanzeige wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung – und zwar gegen beide an dem Einsatz beteiligte Polizisten.

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Denn auch zur Frage, wer eigentlich auf den Hyundai des 27-Jährigen gefeuert hat, gibt es gegensätzliche Aussagen. Ein Beamter sagte im Ermittlungsverfahren aus, es sei seine Kollegin gewesen. Diese sagte bisher gar nichts, machte von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch. Der Autofahrer und sein Begleiter an dem Abend sind sich hingegen sicher: Der Schütze war ein Mann.

Prüfvorgang bei Staatsanwaltschaft

Diesen zahlreichen offenen Fragen ist es offenbar geschuldet, dass ein eher überschaubares Verfahren nach vier Monaten noch immer nicht beendet ist. „Hinsichtlich der Schussabgabe ist bei der Staatsanwaltschaft Leipzig ein Prüfvorgang angelegt worden“, teilte Behördensprecher Andreas Ricken auf Anfrage der LVZ mit. „Es wurde noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Mithin gibt es auch noch keinen konkreten Tatvorwurf.“ Ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten durch die Schussabgabe vorliegt, werde im Rahmen dieses Prüfvorganges untersucht. Diese Prüfung sei noch nicht abgeschlossen.

Autofahrer im Interview: „Ich habe das Projektil gespürt“

Noch immer ist das Einschussloch an der Fahrertür seines Autos zu sehen: Im Gespräch mit der LVZ schildert der 27-jährige Autofahrer, dessen Name der Redaktion bekannt ist, wie es dazu kam, dass ein Polizist in Grünau auf ihn schoss und welche Folgen das hatte.

Wie haben Sie die Situation an jenem Abend wahrgenommnen?

Ich befuhr die Brünner Straße in Richtung Kreuzung. Die Fahrt nach rechts, stadteinwärts war durch zwei Polizeiwagen gesperrt, nach links war frei. Es stand kein Fahrzeug auf der Fahrbahn. Ich bog also nach links ab.

Dann haben Sie aber gewendet. Warum?

Ich bemerkte im Rückspiegel, dass eine Polizistin ihre Arme über dem Kopf zusammenschlug, als wolle sie bedeuten, dass ich anhalten soll. Dies tat ich und wendete dann das Fahrzeug in die Gegenrichtung und fuhr einige Meter in Richtung Kreuzung.

Was passierte dann?

Plötzlich bemerkte ich einen Polizisten in etwa zehn Meter Entfernung links versetzt, der mit gezielter Waffe in meine Richtung angelegt mich zum Anhalten aufforderte. Ich stoppte das Auto und ließ die Fahrerscheibe herunter. Der Polizist brüllte mich an: „Sie kommen jetzt sofort aus dem Auto raus!“ Ich war erschrocken und stieg mit erhobenen Händen aus.

Kurz darauf sind Sie jedoch wieder in Ihr Auto eingestiegen?

Ja. Der Polizist zielte weiter auf mich, sodass ich aus Angst vor der Waffe – sie war entsichert, wie sich später herausstellte – in Panik geriet, mich wieder ins Auto setzte und losfuhr. Der Polizist befand sich immer noch etwa zehn Meter entfernt links von meinem Auto. Als ich an ihm vorbeifuhr, schoss er in die Fahrertür.

Haben Sie in dem Moment gemerkt, wo das Projektil einschlug?

Ich habe den Einschlag gemerkt, ich habe das Projektil am Oberschenkel gespürt. Später habe ich dann gesehen, dass das Projektil die Tür und die Türverkleidung durchschlagen und mich nur um wenige Zentimeter verfehlt hatte. Offenbar hat er direkt auf mich gezielt und es in Kauf genommen, mich schwer zu verletzen oder gar zu töten.

Hatte der Zwischenfall gesundheitliche Folgen für Sie?

Danach bekam ich Angst- und Panikattacken, war in psychologischer Behandlung. Eine Ärztin erkannte Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung. Später kamen dann Schlafprobleme hinzu. Ich bin Opfer einer Straftat geworden und kann nicht verstehen, dass man jetzt noch gegen mich ermittelt.

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 15.08.2020 


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Kleiner Grauer
Kleiner Grauer
3 Jahre zuvor

Wenn wir innerhalb von Minuten aufzählen an was sich die einzelnen kleinen und vielen großen bei der Wortmarke erinnern, sind wir schneller fertig als wenn wir stundenlang aufzählen an was sich die bei der Wortmarke nicht erinnern.

gerhard
gerhard
3 Jahre zuvor

Wer glaubt dieses bescheuerte Geschwafel des Fahrers… ein irrer Staatsanwalt o. Richter