Ludmillas großes NGO-Geheimnis: Die Trolle hinter den Trollen

03.09.2015
Andreas von Rétyi

Der Name Ludmilla Sawtschuk ging in den letzten Wochen durch sämtliche Massenmedien. Die 34-jährige Russin arbeitete seit Dezember 2014 zwei Monate lang für eine recht seltsame Einrichtung: eine Agentur zur »Erforschung des Internets«. Als bezahlte Cyber-Aktivistin sollte sie dort – angeblich – die öffentliche Meinung im Sinne Putins manipulieren und Stimmung machen, sei es in diversen Foren und Blogs, Newsgroups und mittels vorgeblich privater Leserkommentare. Dann stieg sie plötzlich aus diesem Lügengeschäft aus und informierte die Öffentlichkeit über die Sankt Petersburger »Trollfabrik«. Doch existieren Hintergrundinformationen, die eine ganz andere Geschichte erzählen.

Hierzu aber schweigt der Mainstream. Gerade dort, wo die Geschichte Ludmilla Sawtschuks so fragwürdig wie interessant wird, herrscht Funkstille. Dann nämlich müsste das Umfeld einmal aufgezeigt und vor allem die Frage gestellt werden, wer wirklich hinter der vermeintlichen Aussteigerin steht. Es gibt da einige Zusammenhänge, die ihren »Fall« in ein völlig anderes Licht rücken und zu den Trollen hinter den Trollen führen. Nur bleibt dann nicht mehr so viel übrig von der bisher verbreiteten Version.

Werfen wir vielleicht erst einmal einen Blick auf diese allgemein »anerkannte«, sprich: von der Papageien-Presse abgesegnete und kolportierte Darstellung, die im Grunde das aufgreift und wiedergibt, was Sawtschuk nach ihrem Ausstieg im Frühjahr 2015 geschildert hat. Sie berichtete von einer verdeckten russischen Organisation zur staatlichen Internetpropaganda.

Schon seit mehr als zehn Jahren existieren, allgemeinen Informationen zufolge, staatlich finanzierte, geheime Meinungs-Manipulatoren, die das Internet mit ihren regierungsfreundlichen Kommentaren durchsetzen und damit die öffentliche Stimmung beeinflussen. Mehrere Hundert freie Mitarbeiter sollen in Sankt Petersburg einer »Trollfabrik« angehören.

Laut dem russischen Hackerkollektiv Anonymous International, das eine als authentisch bezeichnete Liste vorgefasster Kreml-Nachrichtenmeldungen (russ. »Tiomnik«) für Journalisten publizierte, verpflichtet sich jeder einzelne Troll dazu, täglich mindestens 50 Kommentare zu verfassen und außerdem fünf Facebook-Profile zu betreuen, um hier pro Tag insgesamt noch einmal 15 weitere Kommentare zu liefern. Auch Sawtschuk habe für das verdeckte Projekt gearbeitet. Die Arbeitsbedingungen seien drückend gewesen. Sie habe in Zwölf-Stunden-Schichten ihre politischen Kommentare abgefasst und auf den verschiedensten Websites veröffentlicht, gegen ein Monatsgehalt von knapp 800 US-Dollar im Monat.

Das alles ist zunächst einmal überhaupt nicht abwegig. Viele Gruppierungen, gerade auch auf kommerziellem oder eben politischem Sektor bedienen sich verdeckter Methoden, vorgeblich unabhängige und natürlich absolut positive Meinungsäußerungen über ihre Produkte, Arbeit oder Ziele auf öffentlichen Plattformen zu verbreiten. Im angelsächsischen Raum spricht man vom »Astroturfing« mit Bezug auf AstroTurf, eine Kunstrasenmarke für Sportstadien. Das Wortspiel bezieht sich auf die »Graswurzelbewegungen« als aufrichtigen, spontan entstandenen Initiativen, was hier nun künstlich nachgeahmt werden soll – Vorspiegelung falscher Tatsachen, »Grassroots-Lobbyismus«.

Edward Snowden enthüllte im vergangenen Jahr die Existenz der Joint Threat Research Intelligence Group (JTRIG) des britischen Nachrichtendienstes Government Communications Headquarters (GCHQ), die für etliche britische Behörden – darunter auch Scotland Yard und Inlandsgeheimdienst MI5 – Informationen im Internet manipuliert und Meinungen dadurch beeinflusst. Das geht von Sabotageakten und Störattacken über Fälschung von Accounts oder Zensur bis hin zur inhaltlichen Einflussnahme im digitalen Schriftwechsel von Zielpersonen.

Die gleichen Methoden, wie sie offenbar von den Petersburger Trollen angewandt werden – wenn auch bei der JTRIG noch perfider, technisch automatisiert und in wesentlich größerem Umfang. Dagegen nimmt sich das vermeintliche Pendant in Petersburg auffallend bescheiden und geradezu rückständig aus, so sehr, dass es bereits verdächtig erscheint. Auch andere Verdachtsmomente zu Sawtschuk und den Trollen scheinen berechtigt. Dabei wird nicht nur die Frage gestellt, wer diese junge Frau eigentlich ist, sondern sogar, ob die Person an sich überhaupt existiert, denn die Hintergründe scheinen allzu dubios.

Wie Sawtschuk ihrerseits erklärt, arbeiteten während ihrer achtwöchigen Beschäftigungsspanne in dem unauffälligen grauen Gebäude von Internet Research viele junge Leute, oftmals Studenten, die angeblich nichts ernst nahmen und die auch der Politik völlig gleichgültig gegenüberstanden. Sie waren dort nur aktiv, um Geld zu verdienen. Das sei auch Sawtschuks einziges Motiv gewesen, um in einer Atmosphäre der Überwachung und des ständigen Drucks zu arbeiten. Jeden Tag seien ihr entsprechende Anweisungen gegeben worden, um im Internet effektiv hetzen zu können. Und so kam es dann wohl auch, dass nicht zuletzt im deutschsprachigen Raum überall im Netz erstaunlich viele prorussische Kommentare zirkulierten und diejenigen Journalisten attackiert wurden, die über den Ukraine-Krieg berichteten.

Sollten nun diese Forenbeiträge und Kommentare allesamt hinfällig sein, weil gefälscht? Angesichts der Situation in der Ukraine wäre doch kaum etwas anderes zu vermuten. Und doch, grundsätzlich dürfte nicht abwegig sein, dass bequemerweise zuweilen eben auch dann von vermeintlichen Trollen die Rede ist, wenn missliebige Ansichten allzu störend werden und vor allem gerade dem »Mainstream« zuwiderlaufen. Oder dass zumindest mehr Trolle in die Welt gesetzt werden, als tatsächlich aktiv sind: Pseudo-Trolle, virtuelle Trolle. Alles scheint möglich.

Wenn sie die Wahrheit sagt, dann führt die Aktivistin Ludmilla Sawtschuk einen heldenhaften Kampf gegen die russischen Propagandisten und jene dort als »Kremlbots« bekannte Maschinerie der Desinformation. Sie ist an die Öffentlichkeit getreten, hat seitdem keine ruhige Minute mehr und lebt in ständiger Gefahr. Sawtschuk gründete bald nach ihrem Ausstieg aus dem Trollgeschäft zusammen mit anderen Aktivisten die Gruppe Info-Peace und will die ganze Wahrheit ans Licht bringen. Doch wecken einige Aspekte an ihrer Geschichte deutliche Zweifel.

Da stellt sich nicht nur die Frage, warum politisch vorwiegend eher desinteressierte Studenten beschäftigt wurden, ebenso junge Journalisten, die offenbar nur Geld verdienen wollten, ohne aber wirklich loyal zu sein. Schon Sawtschuks Ausstieg und das Auffliegen der Gruppe belegt die damit verbundene viel zu hohe Gefahr. Was nutzten da die ganzen Überwachungskameras? Eigenartig auch, dass Sawtschuk ihre Geschichte mit der Zeit offenbar abwandelte. Zuerst ist zu vernehmen, sie habe alles nur des Geldes wegen mitgemacht. Später erklärt sie, die ersten Medienberichte seien nicht korrekt gewesen. Sie habe die Trolle absichtlich infiltriert, um »diese Scheusale an die Öffentlichkeit zerren« zu können. Was stimmt nun? Es gibt aber noch entscheidendere Aspekte, die Zweifel an der offiziellen Version aufkommen lassen.

Ludmilla Sawtschuk entschloss sich im Mai, Anzeige gegen ihren Arbeitgeber zu erstatten, um die dubiose Firma auf diese Weise bekannt werden zu lassen. Mit Unterstützung des bekannten Petersburger Bürgerrechtlers Iwan Pawlow und einer dort ebenfalls ansässigen Menschenrechtsorganisation namens Team 29 strengte sie daher eine Lohnklage an. Ihre Arbeitnehmerrechte seien verletzt worden, da sie keinen normalen Arbeitsvertrag erhalten habe, außerdem sei die Bezahlung immer in bar erfolgt.

Die Klage vor dem Bezirksgericht von Sankt Petersburg hatte tatsächlich Erfolg, Sawtschuk erhielt auch die von ihr geforderte symbolische Entschädigung von einem Rubel Höhe dafür, dass sie Texte mit Inhalten gegen ihre eigene Überzeugung verfassen musste. Team 29 gab den Sieg unmittelbar nach der gerichtlichen Entscheidung am 18. August bekannt und erklärte, nunmehr die Herausgabe von internen Dokumenten anstrengen zu wollen, um prüfen zu können, ob Internet Research beziehungsweise die damit verbundene Internet Research Agency ihre Abgaben auch ordnungsgemäß tätige.

Mit all diesen Enthüllungen schien also der Nachweis der Petersburger Putin-Trolle endgültig erbracht, selbst wenn die inhaltlichen Fragen auch vor Gericht offenbar gar nicht diskutiert wurden und die Welt sich nun auf die Aussagen einer einzigen Person verlässt, deren Geschichte nicht wirklich geklärt ist und in deutlicher Variation kursiert, woran dies auch immer liegt.

Zudem ist interessant, dass Ludmilla Sawtschuk lediglich von manipulativen Aktionen in russischer Sprache berichtet, somit also ein umfassenderer Eingriff der Kreml-Trolle ins deutschsprachige Internet und dessen diverse Foren nicht sehr realistisch erscheint. Ganz besonders interessant wird es aber, wenn man einen Blick auf Team 29 wirft, das seinen Namen auf den Artikel 29 der Verfassung der Russischen Föderation bezieht, der das Recht auf freien Informationsaustausch festlegt.

Team 29 besteht erst seit 2015. Doch seine Wurzeln reichen deutlich weiter zurück. Auf der eigenen Homepage bezieht sich Team 29 auf seine Vorgängerorganisation, die Freedom of Information Foundation (FIF). Diese Stiftung zur Informationsfreiheit wird als Nichtregierungsorganisation (Non-governmental organization, NGO) beschrieben, geleitet vom bereits erwähnten Juristen Iwan Pawlow. Natürlich legt die Klassifizierung als NGO Unabhängigkeit nahe. Ziel von FIF sei es dabei immer gewesen, Einzelpersonen oder auch Organisationen in Russland zu unterstützen, ihre Rechte beim Zugriff auf Informationen auch tatsächlich wahrnehmen zu können.

Menschenrechtsaktivisten hätten bei ihrer Arbeit in Russland allerdings immer mit Komplikationen zu kämpfen. Auch die FIF sei in den vergangenen beiden Jahren zunehmend unter Druck geraten. So habe es zwei behördliche Überprüfungen gegeben, Einträge in das Register ausländischer NGOs, Warnungen vom Justizministerium und gerichtliche Debatten. So seien viele Ressourcen in reine Selbstverteidigung geflossen anstatt in Programmaktivitäten.

Aus all diesen Gründen habe man sich im Januar 2015 dazu entschlossen, die Stiftung aufzugeben. Überzeugt von der dringenden Notwendigkeit jener Arbeit habe man allerdings unmittelbar darauf eine Reorganisation durchgeführt und die FIF in Gestalt von Team 29 wieder ins Leben gerufen.

Team 29 ist im Grunde also nichts anderes als die Freedom of Information Foundation FIF, deren Aktivitäten unter anderem ausgerechnet vom 1993 gegründeten Open Society Institute (OSI) des milliardenschwerden Investor-»Philanthropen« George Soros unterstützt werden. Weitere Sponsoren sind außerdem die Oak Foundation, die U.S. Agency for International Development und auch die Organisation National Endowment for Democracy (NED).

Das NED steht der CIA sehr nahe. Der amerikanische Publizist William Blum, ein deutlicher Kritiker der US-Außenpolitik, lässt keine Zweifel aufkommen, wenn er sagt: »NED, das ist keine NGO, es ist eine GO«, also eine Regierungsorganisation. Blum zitiert Allen Weinstein, der wesentlich zur Etablierung des NED beitrug und 1991 erklärte: »Vieles von dem, was wir heute tun, wurde schon vor 25 Jahren insgeheim von der CIA getan«, wobei William Blum hinzufügt: »Faktisch wusch die CIA mittels des NED Geld.«

In jedem Falle ist es schon sehr bemerkenswert zu sehen, wer wirklich hinter Ludmilla Sawtschuk steht – der so reiche wie einflussreiche, hoch manipulativ veranlagte George Soros, der massive Interessen daran hegt, die Weltpolitik im Sinne seiner persönlichen Interessen zu beeinflussen und aus dem Gleichgewicht zu bringen, sowie entscheidende Kräfte im Umfeld der Geheimdienste und jener NGOs, wie sie auch zum globalen Soros-Netzwerk zählen. So erscheint es auch kaum mehr als größeres Wunder, wenn die US-Organisation NED seit Sommer 2015 nach Maßgabe des neuen Anti-NGO-Gesetzes in Russland als »unerwünscht« eingestuft wird. Wer auch würde bei alle dem kein teuflisches Spiel vermuten?

Quelle: Kopp-online vom 03.09.2015

 

Dieser Beitrag wurde unter Aktuell, Geschichte, Kultur, Nachrichten, Politik, Soziales, StaSeVe Aktuell, Völkerrecht, Wirtschaft, Wissenschaft abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments