Vom illegalen Wohnen in Leipzigs Kleingärten

Tommy wohnt seit eineinhalb Jahren illegal in seiner Laube und hat sich gut eingerichtet.

Von Lea Crescenti

Tommys Laube ist gemütlicher als so manche Ein-Zimmer-Wohnung. Auf circa 20 Quadratmetern findet sich hier alles, was man zum Leben braucht: ein gemütliches Bett, Küche inklusive Kochnische und Kühlschrank, Waschbecken, Ofen und jede Menge netter Kleinkram. Tommy (Name von der Redaktion geändert) wohnt mit kurzer Unterbrechung seit eineinhalb Jahren hier und hat sich gut eingerichtet.

Dazu bewogen, in einen Kleingarten zu ziehen, haben ihn verschiedene Gründe: Da war zum einen der ständige Stress mit den Hausverwaltungen. Hinzu kamen die Erschöpfung bei der Suche nach günstigem Wohnraum plus der Wunsch, raus aus der Stadt zu ziehen. Die Motive, in einen Garten umzusiedeln, können sehr vielfältig sein. Der Leipziger ist damit nicht allein: Er kennt noch andere in seiner Siedlung, die es sich verbotenerweise ebenfalls in ihrem Gartenhäuschen heimisch gemacht haben. Ein Schrebergarten ist schließlich eine gute Alternative zum stressigen Wohnungsmarkt. Grün und günstig – aber illegal.

„Verdeckte“ Obdachlosigkeit ein wachsendes Problem: Das Bundeskleingartengesetz untersagt einen festen Wohnsitz im Schrebergarten. Hier heißt es, dass ein Kleingarten „insbesondere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf und zur Erholung dient“. Weiterhin wird explizit betont, dass die Laube in „ihrer Beschaffenheit, insbesondere nach ihrer Ausstattung und Einrichtung, nicht zum dauernden Wohnen geeignet sein“ dürfe.

Und das in Zeiten, in denen Wohnraumknappheit und Wohnungslosigkeit auch in Leipzig immer mehr in den Fokus rücken. Vor allem die „verdeckte“ Obdachlosigkeit ist ein enorm wachsendes Problem in der Messestadt, wie Max-Planck-Forscherin Luisa Schneider Ende September in einem Interview mit der LVZ erklärte: „Die Stadt kommt aus einer Situation, in der es viel Leerstand und kaum Wohnungslosigkeit gab. Jetzt ist der Leerstand verschwunden, die Stadt erfindet sich neu und es entsteht die Frage: Was passiert mit den Leuten, die keine Wohnung haben?“

Die „verdeckte“ Obdachlosigkeit trifft auf jene Menschen zu, die keinen festen Wohnsitz haben, jedoch auch nicht im öffentlichen Raum sichtbar sind, weil sie zum Beispiel bei Freunden unterkommen – oder in einer Gartenlaube schlafen.

Laut Luisa Schneider ist das „die Gruppe, die aktuell immer mehr wächst. Der Stadt Leipzig entgehen diese Menschen aber bisher weitgehend.“ Ist es vor diesem Hintergrund noch zeitgemäß, das Wohnen in der Gartenanlage zu verbieten? Wohnen im Garten – für Kleingartenverbände kein Thema? Die Leipziger Kleingartenverbände sprechen über das Thema eher ungern. Denn wenn Menschen dauerhaft in ihren Lauben leben, kann das als Verstoß gegen das Bundeskleingartengesetz gewertet werden und hier eine Gefahr für das gesamte Pachtverhältnis einer Kleingartenanlage bedeuten – und wird deshalb lieber erst gar nicht groß diskutiert.

„Wohnen im Garten ist bei uns eigentlich kein Thema“, meint Dieter Haberkorn, stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbands Leipzig der Kleingärtner Westsachsen e.V. Ein dauerhaftes Wohnen in den Gärten sei allein schon wegen der fehlenden Infrastruktur nicht möglich. „Dort übernachtet keiner im Winter“, ist er überzeugt. Robby Müller, Vorsitzender des Stadtverbands Leipzig der Kleingärtner e.V., hat da schon einen realistischeren Blick auf die Lage: „Es übernachten ja viele im Garten, doch die Leute müssen verstehen, dass es bestimmte Regeln gibt.“

Er möchte vor allem auf mögliche Gefahren beim Nächtigen im Schrebergarten aufmerksam machen: „Besonders Brände sind lebensgefährlich: Die Feuerwehr kommt nicht durch die engen Wege der Anlagen, Tore sind oft nachts abgeschlossen und es gibt keine Hydranten. Da sind Leute schon tödlich in ihren Lauben verunglückt.“

Wohnen im Schrebergarten war nicht immer verboten: Dabei war das Wohnen im Schrebergarten nicht immer verboten. „Zu Notzeiten mit akutem Wohnraummangel, wie nach dem Zweiten Weltkrieg, durften die Menschen notgedrungen in ihre Lauben ziehen“, berichtet Catarina Paetzelt vom Deutschen Kleingärtnermuseums Leipzigs. Als Museumsleiterin kümmert sie sich um den allgemeinen Museumsbetrieb in der Aachener Straße 7 sowie um Veranstaltungen, Projekte und Vermittlung rund um die Geschichte des Schrebergartens. Wer über die Entwicklung der Kolonien mehr erfahren möchte, wird hier in der Dauerausstellung fündig. „Auch in der Anfangszeit der Kleingartenbewegung, als große Menschenmengen während der Industrialisierung in Großstädte wie Berlin zogen, suchten viele Obdach in Gärten. Später wollte man wiederum vermeiden, dass daraus Armenviertel entstanden.“ Als Folge wurde die Kleingarten- und Kleinpachtverordnung 1935 um ein generelles Bewohnungsverbot der Gartenhäuschen ergänzt.

Auch zu DDR-Zeiten blieb ein ständiges Bewohnen der Lauben nicht gestattet. Gerne wurde hier aber mal ein Auge zugedrückt, wenn es um die Beschaffenheit der Gebäude ging. So entstanden Lauben, die größer als die festgeschriebenen 24 Quadratmeter und teilweise sogar unterkellert sind. Heute genießen diese Häuschen Bestandsschutz – und eignen sich eigentlich wunderbar zum Wohnen. Dass das Leben in der Laube aber nicht immer das gemütlichste ist, weiß Tommy nur zu gut. „Es ist zwar eine schöne Erfahrung, mit einfacheren Lebensbedingungen zurechtzukommen. So langsam hat sich das dann aber auch ausgereizt“, erklärt er lachend.

Der größte Stressfaktor sei für ihn jedoch nicht die fehlende Heizung – es sei das ständige Bewusstsein, sich in einem illegalen Raum zu bewegen. „Ich habe schon auch Angst, erwischt zu werden. Zum Beispiel mache ich deshalb immer die Vorhänge zu, das Licht selten an und halte mich eher in den nicht einsehbaren Bereichen meines Gartens auf. Einmal haben mich meine Nachbarn direkt gefragt, ob ich im Garten wohne, weil sie mich beim Wäscheaufhängen gesehen haben. Die sind aber zum Glück recht entspannt und wir haben ein gutes Verhältnis.“ Wenn er erwischt wird, weiß er, dass er aus dem Garten raus muss.

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 25.10.2020

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Ulrike
Ulrike
3 Jahre zuvor

Wohnungslose Deutsche dürfen nicht mal in ihrer Gartenlaube wohnen aber Gesindel aus aller Welt gibt man freie Wohnungen. Diese kann man dann nach einem halben Jahr von Grund auf neu renovieren weil Merkels Gäste sie ramponiert haben.

Letzten im Fernsehen kam eine Syrer-Familie 8 Personen die gejubelt haben weil sie eine 4 Zimmerwohnung bekommen haben obwohl auch Deutsche Interessenten da waren……. wahrscheinlich zahlt das Amt sodass die Wohnung an diese Herrschaften ging.

So ist das inzwischen in Dumm-Deutschland.

Annette
Annette
3 Jahre zuvor

Fehlt nur noch, daß illegale Bewohner ohne Angelschein im Bach nebenan die Fischkonserven angeln…

Kleiner Grauer
Kleiner Grauer
3 Jahre zuvor

Berlin hatte einen Sonderstatus. Im Sommer konnte man dort im Garten wohnen. Das wird in der beliebten Demokrattischen BRiD immer schwieriger.
Da gab es etwas mit dem Kaiserrecht. Nicht mehr im verwahrlosten aber trotzdem aufgeräumten Netz zu finden…
Ein Schrebergarten hat keinen Briefkasten und Meldepflicht für Kriegsgefangene! Vom weißen bis gelben Erpresserbrief und die Einberufung können nicht zugestellt werden!
(:-)) Wir schlafen nicht im Bette, wir schlafen nicht im Stroh, wir schlafen auf der Treppe, da beißt uns auch kein Floh!