EU-Schocker: Brexit-Befürworter liegen 19 Prozentpunkte vorn

14.06.2016
Tyler Durden

Die Schlagzeilen verdüstern sich immer mehr – zumindest aus Sicht des britischen und europäischen Establishments. Denn eine weitere Umfrage vom Wochenende im Auftrag der Pro-Brexit-Denkfabrik Bruges Group sieht die Befürworter eines Brexits mit einem bemerkenswerten Vorsprung von 19 Prozentpunkten vorn. 52 Prozent der Befragten stimmten einem Ausstieg aus der Europäischen Union (EU), dem »Brexit«, zu und 33 Prozent entschieden sich für einen Verbleib. Zuvor hatten bereits zwei andere Umfragen am Freitag jeweils einen 10-prozentigen Vorsprung der Befürworter eines Ausstiegs ermittelt. Zu Wochenbeginn sorgt das an den Finanzmärkten für erhebliche Unruhe.




Diese Zunahme im Lager der Befürworter erfolgte trotz einer weiteren Registrierung von 1,5 Millionen Wählern in der letzten Woche. Weiterer Ärger in Richtung EU wurde sichtbar, als der frühere konservative Minister Iain Duncan Smith warnte, bis 2030 müssten in Großbritannien sieben neue Gefängnisse errichtet werden, um die wachsende Zahl krimineller Zuwanderer unterzubringen (die vermutlich in der EU »bleiben« wollten).

Mit zunehmender Beunruhigung der Märkte, so vermutete der IT-Vorstand vom Vermögensverwalter One River, werde der Goldpreis im Falle eines Brexits ansteigen.

Doch nun zur neuen Umfrage, die den Brexit-Befürwortern einen bemerkenswerten Vorsprung von 19 Prozentpunkten vor denen, die lieber in der EU bleiben wollen, attestierte, wie die Tageszeitung Express heute berichtet:

»Die Meinungsumfrage, die von der Denkfabrik Bruges Group in Auftrag gegeben wurde, liefert weitere Hinweise darauf, dass das Brexit-Lager an Unterstützung gewinnt, und ermittelt den bisher höchsten Vorsprung für einen Ausstieg. In der Umfrage war den Befragten die Möglichkeit gegeben worden, sich für ein Freihandelsabkommen mit der EU zu entscheiden.

Im Ergebnis stimmten 52 Prozent der Befragten für einen Ausstieg aus der EU und nur 33 Prozent entschieden sich für einen Verbleib.

Obwohl das Referendum am 23. Juni und damit in weniger als 2 Wochen ansteht, hatten 15 Prozent bisher noch keine Entscheidung getroffen.

Von denen, die für einen Ausstieg stimmten, erklärte eine Mehrheit von 39 Prozent, England solle ein Freihandelsabkommen mit der EU abschließen, vergleichbar dem Handelsabkommen, das die USA, Kanada und Mexiko (NAFTA) untereinander abgeschlossen hätten.«

In einer Rede am gestrigen späten Abend erklärte Robert Oulds, Direktor der Bruges Group, es sei wichtig, besonders darauf aufmerksam zu machen, dass England auch nach dem Ausstieg aus der EU zahlreiche Optionen für Handel mit dem Europäischen Wirtschaftsraum hätte:

Screenshot (657)

»Diese neue Umfrage belegt, dass eine Mehrheit der Wähler eine wirtschaftliche Vereinbarung einer wirtschaftlich-politischen Vereinbarung mit der EU vorzieht. Dies schließt Menschen ein, die sich [ohne die Alternative eines Freihandelsabkommens mit der EU] eher für einen Verbleib in der EU entschieden hätten.

Natürlich können wir auch dann frei, in demokratischeren Verhältnissen und besser leben, wenn wir unsere EU-Mitgliedschaft aufgeben und uns stattdessen einem Freihandelsabkommen anschließen, wie demjenigen, für das die Menschen 1975 abgestimmt haben

Davon abgesehen diskutiert die britische Öffentlichkeit über die Äußerung von Iain Duncan Smith, Großbritannien gebe alljährlich bereits 150 Millionen britische Pfund [191 Mio. Euro] für die Unterbringung von verurteilten Straftätern aus der EU aus. Sollte Großbritannien in der EU bleiben, müssten bis zum Jahr 2030 sieben neue Gefängnisse errichtet werden, um mit der steigenden Zahl krimineller Einwanderer fertig zu werden. Sky News schreibt dazu:

»Der frühere [konservative] Minister Iain Duncan Smith erklärte, es müssten 3993 zusätzliche Gefängnisplätzte für verurteilte EU-Straftäter bereitgestellt werden, sollte das gegenwärtige Ausmaß der Zuwanderung bestehen bleiben und sich der Anteil der Zuwanderer, die aufgrund von Straftaten zu Gefängnisstrafen verurteilt werden, dem Rest der britischen Bevölkerung angleichen.

Dies entspräche etwa der Kapazität von sieben Gefängnissen von der Größe des Gefängnisses in Full Sutton in East Yorkshire, das 606 Insassen aufnehmen kann.

Duncan Smith ist überzeugt, wenn Großbritannien in der EU verbliebe, würde sich dieses Problem in den kommenden Jahren weiter verschärfen, da auch Länder wie die Türkei, Mazedonien und Albanien auf die Aufnahme in die EU drängten. Der konservative Abgeordnete, der sich für einen Ausstieg einsetzt, erklärte weiter: ›In unseren Gefängnissen sitzen bereits mehr als 4000 Straftäter aus Ländern der EU ein, was den Steuerzahler jährlich mehr als 150 Millionen Britische Pfund kostet. Nach unseren Berechnungen werden die britischen Steuerzahler weitere 400 Mio. Pfund aufbringen müssen, nur um die EU-Straftäter in den Gefängnissen unterzubringen. Dies wird zu überfüllten Gefängnissen führen, die eine geringere Sicherheit aufweisen und noch weniger in der Lage sind, die Gefangenen daran zu hindern, nach ihrer Entlassung weitere Straftaten zu begehen.

Besatzungsrecht-Amazon

»Wenn wir uns für einen Ausstieg entscheiden, können wir wieder die Kontrolle unserer Grenzen übernehmen und Straftäter aus der EU in ihre Heimatländer ausweisen. Wir werden in der Lage sein, Terroristen fernzuhalten und Verbrecher abzuschieben

Schätzungen der Organisation Vote Leave, die von einer Nettozuwanderung aus der EU von 184 000 Personen pro Jahr bis 2030 ausgeht, werden von der Organisation Britain Stronger in Europe angezweifelt.«

Und nicht zuletzt stellte, wie schon erwähnt, der IT-Vorstand des Vermögensverwalters One River fest:

»›Auf den Internet-Wettseiten stehen die Wetten 3:1 gegen einen Brexit‹, meinte der CIO, ›Wenn man alle befragte, die Wetten eingehen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, würden nach meiner Schätzung 90 Prozent sagen, England solle in der EU verbleiben. Ich nickte zustimmend, ganz Teil des Mainstreams, der großen Herde.

Der Internationale Strafgerichtshof-Werbung

 Direktbestellen klick aufs Bild

Er muhte zurück: ›Aber nach den Umfragen steht es 50:50 mit einer gewissen Fehlerquote, und [die Umfragen] lagen etwa beim Referendum zu Schottland und der Bürgermeisterwahl in London fast richtig.‹

Ein Brexit wäre für die Märkte ein gewaltiger Schock, auch wenn er sehr unwahrscheinlich sei. Und deshalb sollte niemand die Angelegenheit auf die leichte Schulter nehmen. ›Ich kann nur sagen, im Falle eines Brexit würde Gold zur stärksten Währung weltweit‹.«

Diese Grafik dürfte eine Erklärung für diese Einschätzung liefern.

 

Wie geht es nun weiter:

  • Am 20. Juni stellen sich führende Vertreter der Opposition auf Sky News den Fragen der Zuschauer zum Referendum.
  • Am 15. Juni und 21. Juni strahlt die BBC Diskussionsrunden zum Thema aus.
  • In einer Kundeninformation schreibt die schweizerische Großbank Credit Suisse, die Fernsehdiskussion am 21. Juni könnte von ausschlaggebender Bedeutung sein.
  • Die jeweiligen Kampagnen werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach in der Endphase darauf konzentrieren, die Wähler zur Wahl zu mobilisieren. Die Wahlbeteiligung dürfte eine entscheidende Rolle spielen, bemerkte Jamie Searle von Citigroup ebenfalls in einer Kundeninformation. Je niedriger die Wahlbeteiligung, desto besser stünden die Chancen für einen Brexit, heißt es.

Wie wird das Referendum aller Wahrscheinlichkeit nach ausfallen?

  • Laut einer Zusammenfassung der Meinungsumfragen zeichnet sich laut Standard Chartered ein Vorsprung von sieben Prozentpunkten für diejenigen ab, die in der EU verbleiben wollen. Das legt nahe, dass das Ergebnis noch offen ist.
  • Analysten der Citigroup erklärten in der letzten Woche, sie seien aufgrund der Umfragen und den Auswirkungen auf die innenpolitische Stabilität nach den Wahlen zunehmend besorgt, da es unter den Konservativen verstärkt zu erbitterten Auseinandersetzungen komme.
  • Malcolm Barr von JPMorgan erklärte, der vermeintliche Vorsprung für einen Brexit sei eher als Lärm, denn als ein aussagekräftiges Signal zu werten.
  • Aus der schwedischen Großbank SEB war zu hören, in der Regel sei ein Vorsprung von zehn Prozent in den Umfragen erforderlich, um sicher sein zu können, dass das Ergebnis einigermaßen zutreffend vorhergesagt werde. Der Analyst Eimear Daly schrieb, Standard Chartered würde Kaufoptionen auf einen niedrigeren Kurs des Britischen Pfundes überprüfen, sollten die Meinungsumfragen konstant einen um mehr als 13 Prozent größeren Vorsprung für einen Verbleib anzeigen.
  • Die Chancen eines Brexits werden von UBS WM, der Citigoup, IHS, der französischen Großbank Société Générale und Eurasia in der Größenordnung von ca. 30 bis 40 Prozent eingeschätzt; das Bankhaus Julius Bär dagegen geht von einer Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent für einen Brexit aus.
Originalausgabe der Verfassung vom 11. August 1919

Originalausgabe der Verfassung
vom 11. August 1919

 

Originalausgabe der Verfassung                                                                                             vom 11. August 1919

 

Welche Folgen hätte ein Verbleiben Großbritanniens in der EU?

  • Selbst wenn sich die Mehrheit der Wähler für einen Verbleib Großbritanniens in der EU entschiede, könnten die durch die Abstimmung entstandenen Risse und Spannungen zu vorgezogenen Neuwahlen führen, schreibt ein JPMorgan-Analyst. Nach Ansicht der Ökonomen der Bank könnte es auch im Falle eines Sieges derjenigen, die für einen Verbleib in der EU sind, zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums und einer schwächeren Inflation kommen, was dann wiederum die Bank von England zu einer Verschiebung der Zinserhöhung auf das Frühjahr 2017 veranlassen würde.
  • Nach Ansicht von Analysten der ING könnte die Bank von England im Falle einer Ablehnung des Brexit die Zinsen bereits schon im November erhöhen; ein Analyst von BNY Mellon verwies darauf, dass die Stärke des Britischen Pfundes nach dem Schottland-Referendum innerhalb weniger Stunden abgebröckelt sei.
  • Julian Wolfson, Co-Leiter der Abteilung Forschung und Politische Strategie von Odey Asset Management, meinte, die Probleme seien aller Wahrscheinlichkeit auch bei einem Verbleib Englands in der EU nicht gelöst. Das Brexit-Risiko könnte sich noch länger negativ auf das Pfund auswirken.

Mit welchen Folgen wäre bei einem Brexit zu rechnen?

  • Die Europäische Zentralbank/EZB) stehe bereit, über Swap-Kreditlinien Euro-Liquidität bereitzustellen, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Ilmars Rimsevics.
  • Aus Regierungsdokumenten zum Verfahren eines Austritts aus der EU geht hervor, dass Großbritannien und die EU zunächst zwei Jahre Zeit zu Verhandlungen haben; dieser Zeitraum kann verlängert werden, wenn alle verbleibenden 27 EU-Mitglieder zustimmen.
  • Im Zentrum der Diskussion über einen potenziellen Austritt Großbritanniens stehen Überlegungen, ob es Großbritannien leicht haben werde, neue Handelsvereinbarungen abzuschließen und ob das Land nach einem Brexit noch für Investoren außerhalb der EU attraktiv wäre.
  • Ökonomen der Bank of America Merill Lynch sind der Ansicht, ein Brexit würde dazu führen, dass Großbritannien auch mit Regionen außerhalb Europas neue Handelsvereinbarungen abschließen müsste. Populistische Stimmungen in den USA und anderswo könnten diese neuen Verhandlungen erschweren.
  • Das hohe Leistungsbilanzdefizit sei eine der Hauptschwächen der britischen Wirtschaft, schrieb ein CBA-Analyst in einer Notiz. Die Unsicherheit nach der Entscheidung für einen Austritt könnte zu einer Erhöhung der Risikozuschläge bei in Britischen Pfund ausgewiesenen Wertpapieren führen: Investoren könnten dann als Entschädigung für die angenommen höheren Risiken höhere Renditen fordern oder einfach entsprechende Positionen verringern.

  • Verloren gegangene ausländische Direktinvestitionen zu ersetzen, könnte zu höheren Risikozuschlägen in einem weiten Bereich von in Britischen Pfund ausgewiesenen Wertpapieren führen, erklärte der stellvertretende Gouverneur der britischen Notenbank.
  • Der Geldpolitische Ausschuss (MPC) der Bank von England wäre nicht in der Lage, umgehend alle Schockeffekte auszugleichen, sagte der Gouverneur der Bank von England, Mark Carney.
  • Capital Economics erklärte, die EZB müsse sich auf weitreichendere Maßnahmen vorbereiten, Ein Brexit könnte die Volatilität der Finanzmärkte massiv erhöhen und potenziell nachteilige Folgen für die Wirtschaft des Euroraums und den Finanzsektor hervorrufen.
  • Im Falle eines Brexits würden sich die Bestrebungen für Referenden von Katalonien bis zu den Niederlanden verstärken. Und in Frankreich könnte eine solche Entscheidung den Ausgang der Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr verändern, sagte Wolfson.

Quelle: Kopp-online vom 14.06.2016

 

Dieser Beitrag wurde unter Aktuell, Geschichte, Kultur, Nachrichten, Politik, Soziales, StaSeVe Aktuell, Völkerrecht, Wirtschaft, Wissenschaft abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments