Nordhausen: Stilles Gedenken an die Bombardierung

Bild: Britische Avro Lancaster beim Abwurf eines Blockbuster: 4000-Pfund-Minenbombe und von Stabbrandbomben (1944)

Anlässlich des Jahrestages der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg am 3. April hat die Stadt ein stilles Gedenken geplant. Wie ein Stadtsprecher mitteilte, wird am Samstag aufgrund der Corona Lage ohne offizielle Rahmenveranstaltung an die Angriffe vor 76 Jahren gedacht.

Die Nordhäuser hätten trotzdem die Möglichkeit, ihr persönliches Gedenken auszudrücken, so der Sprecher weiter. Dafür würden 100 weiße Rosen bereitgestellt. Diese könnten in der Zeit von 10 bis 12 Uhr an der Stelle vor dem Rathaus niedergelegt werden. Oberbürgermeister Kai Buchmann werde um 10 Uhr der Zerstörung der Stadt an den letzten Kriegstagen gedenken.

Von April 1944 bis zum 1. April 1945 griff die amerikanische Luftwaffe mehrmals den Fliegerhorst und die Stadt Nordhausen mit insgesamt 296 Tonnen Bomben an. Am 3. und 4. April 1945, eine Woche vor dem Einmarsch der US-Armee, erfolgten dann zwei verheerende Luftangriffe auf Nordhausen durch das Bomber Command der britischen Royal Air Force mit 2.386 Tonnen Bomben. Sie zerstörten über 75 % der Kreisstadt am Südharz und forderten mindestens 8.800 Menschenleben. Es handelte sich um die größte Katastrophe in der tausendjährigen Geschichte von Nordhausen.

Der Großangriff am 3. April 1945

Britische Sprengbomben, darunter auch eine Minenbombe HC 4000

256 Bombenflugzeuge der No. 1 und No. 8 Group der RAF, darunter 247 schwere, viermotorige Avro Lancaster (Tragfähigkeit je 6 Tonnen Bombenlast) und 9 schnelle Mosquito-Leichtbomber (je eine Tonne Bombenlast) starteten am 3. April 1945 in England. Beteiligt war auch eine polnische Staffel mit 14 Maschinen.

Begleitet wurden die Bomber von 17 Begleitjäger-Staffeln. 220 Bombenflugzeuge erreichten ihr Ziel Nordhausen und warfen von 16:15 bis 16:25 Uhr 2.690 Sprengbomben ab.

Die Maschinen flogen relativ niedrig, die Nordhäuser konnten das Öffnen der Bombenschächte sehen. Vorausgegangen war das Setzen von Zielmarkierungen über der Boelcke-Kaserne mit Magnesium-Leuchtzeichen („Christbäume“) durch Führungsmaschinen. Den Hauptschlag führte ein Pulk von 191 Lancaster-Bombern, der aus Richtung Kyffhäuser einflog. Nach vielen Fehlwürfen auf das Gebiet zwischen Bielen und Nordhausen zerstörten diese besonders den gesamten südöstlichen Quadranten der Stadt. Dazu gehörte als Hauptziel die Boelcke-Kaserne (die vor allem mit kranken Häftlingen belegt war).

Das Kriegstagebuch des britischen Bomber Command schreibt dazu: „…to attack what were believed to be military barracks near Nordhausen. Unfortunately, the barracks housed a large number of concentration camp prisoners and forced workers …The bombing was accurate and many people in the camp were killed; the exact number is not known.“

Ein Teil der Überlebenden flüchtete in die Umgebung. Die Stadt war durch Zerstörung der Infrastruktur ohne Strom, damit auch ohne Sirenen, und ohne Leitungswasser. Die Dächer waren abgedeckt, die Fenster zersplittert. „Die Stadt war schwer getroffen, aber noch eine organisierte Gemeinschaft.“ Die Verletzten wurden gesammelt und nach Neustadt und Sülzhayn gebracht, die Ausgebombten erhielten Notquartiere in der Stadt selbst und ihrer Umgebung. Viele Nordhäuser flüchteten aus der Stadt. Zwei Stollen der unterirdischen Anlagen von Mittelbau Dora im Kohnstein nahmen bereits am 3. April Geflüchtete auf, später wurden es 10.000. Das Stadtkrankenhaus war beschädigt, die Patienten wurden in Notkrankenhäuser in das benachbarte Petersdorf gebracht, vor allem in das Ausflugsrestaurant Harzrigi. Bomben fielen auch auf mehrere benachbarte Dörfer und deren Flur, besonders betroffen war Bielen. Zwei Bomber gingen auf Hin- und Rückflug verloren.

Der Großangriff am 4. April 1945

Rathaus (1945 ausgebrannt), dahinter Marktkirche St. Nikolai (1945 zerstört)

Rautenstraße (1945 zerstört, Häuser abgetragen) mit Stadthaus (1945 ausgebrannt)

252 Bombenflugzeuge der auf Flächenangriffe auf Städte spezialisierten No. 5 Bomber Group starteten an diesem Morgen in England, davon 243 Lancaster und 9 Mosquitos. 236 Maschinen erreichten ihr Ziel Nordhausen und führten den Angriff durch. Von 09:08 bis 09:24 Uhr (andere Angabe: 09:15 bis 09:21 Uhr) warf ein Teilverband von 93 Lancaster gezielt 1.039 Sprengbomben erneut auf die Region „Boelcke-Kaserne“ und der Hauptverband 2.784 Sprengbomben im Reihenwurf auf die Stadt ab, dazu Brandbomben und Phosphorbehälter.

Die Ziele waren exakt durch vier Markierungsbomben mit weithin sichtbaren Leuchtkaskaden gezeigt worden. Die Bombenteppiche trafen noch einmal die Region der Boelcke-Kaserne und vernichteten fast die ganze Altstadt; nur noch die nördlichen, westlichen und südlichen Randbezirke blieben erhalten. Die Minenbomben zerstörten auch öffentliche Luftschutzeinrichtungen, so durchschlug eine Bombe das Gewölbe des Kellers des Kegler-Klubhauses und tötete dort 78 Menschen.

Auch Kirchen boten keinen Schutz: so starben viele Gemeindemitglieder, die sich in die Petrikirche geflüchtet hatten, durch die Sprengbomben. Die Bomben trafen nahezu ausschließlich zivile Ziele, darunter alle Krankenhäuser und Lazarette. Die Bahnanlagen blieben erhalten, die Strecke Halle – Nordhausen – Kassel war weiterhin befahrbar, und militärische Einrichtungen wurden kaum getroffen, auch nicht ein mit 5 Millionen Litern gefülltes Benzinlager.

Dagegen breiteten sich die durch abgeworfene Brandmittel entfachten Brände in der überwiegend aus Fachwerkbauten bestehenden zertrümmerten Innenstadt mit ihren schon seit dem Vortag abgedeckten Dächern rasch zu einem verheerenden Flächenbrand aus, der zu einem Feuersturm führte. Nach Walter Geiger hat es sich nicht um einen Feuersturm im eigentlichen Sinne gehandelt, sondern um „einen nicht ganz in sich geschlossenen Großbrand“, der jedoch die ihm zugedachte Rolle spielte und zu einer Erhöhung der Menschenverluste beitrug.

Tiefflieger behinderten versuchte Lösch- und Rettungsaktionen. Die örtliche Feuerwehr war, soweit noch vorhanden, von der Lage völlig überfordert. Unter der überlebenden Bevölkerung herrschte Panik, sie verließ fluchtartig zu Zehntausenden das Inferno der Stadt. Auch außerhalb von Nordhausen wurde sie von Jagdbombern beschossen.

Unter Einsatz von Krankentransportwagen aus der Umgebung wurden viele Verwundete nach Petersdorf, Buchholz und Neustadt gebracht. Dort, wo es möglich war, retteten beherzte Menschen Teile der Stadt. Das war im weniger betroffenen Domviertel nordwestlich des Zentrums und in Altendorf der Fall. So konnte auch der Nordhäuser Dom, dessen Dach brannte, noch vor der völligen Zerstörung bewahrt werden. Die Kasseler Feuerwehr half hier mit, Wehrmachts-Pioniere sprengten eine Brandgasse. Erhalten blieb ein Stadtviertel, begrenzt etwa durch die westliche und nördliche Stadtmauer, die Barfüßerkirche, Kalte Gasse und Königshof und der Stadtteil Altendorf.

Screenshot (657)

Am Abend und in der Nacht war die Stadt ein weithin schauerlich leuchtendes Flammenmeer. In der Mitte davon zeigte sich der Kirchturm von St. Petri als riesige Fackel, die gegen Mitternacht zusammenbrach und auf das Kirchenschiff stürzte. RAF-Piloten, die von einem Einsatz bei Merseburg zurückkehrten, berichteten um 23 Uhr von “good fires at Nordhausen”. Der Fliegerhorst wurde nicht bombardiert.

Bei diesem Angriff ging eine Lancaster verloren. Der bombenbeladene schwere Bomber explodierte über der Stadt im Verband, die sieben Mann Besatzung kamen dabei ums Leben.

Die RAF warf bei den beiden Angriffen am 3. und 4. April 1945 insgesamt 2.386 Tonnen Bombenlast über Nordhausen ab.

Quelle: Nachrichtenagentur ADN (SMAD-Lizenz-Nr. 101 v. 10.10.46), MDR und Wikipedia vom 03.04.2021

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birgit
birgit
3 Jahre zuvor

Die Inselaffen soll der Teufel holen !

Rosemarie Pauly
Rosemarie Pauly
3 Jahre zuvor

Germany must perish…
Nicht nur größere Städte, sondern auch kleine Ortschaften z. B. im Sauerland wurden bombardiert, wo es weit und breit keine Industrieanlagen gab, erzählte meine Mutter. Schon allein daran kann man sehen, dass diese verheerenden Angriffe mit Brandbomben in der Hauptsache der Infrastruktur und den Menschen galt, um noch soviel wie möglich zu zerstören und soviele wie möglich zu töten. Noch heute werden im Rahmen von Baumaßnahmen Unmengen von Blindgängern gefunden, die jederzeit explodieren können, unzählige liegen unentdeckt in der Erde und unter Wasser (Ostsee).
Friede den Seelen der so grausam ums Leben gekommenen. Wir kennen alle den Platz, den der Schöpfer für die Verantwortlichen und Mitbeteiligten vorgesehen hat, sei es nun eine persönliche oder überpersönliche „Hölle“. Böswillige Absicht wird IMMER bestraft, früher oder später…

Ulrike
Ulrike
3 Jahre zuvor

Der immer noch in England hochverehrte Churchill wollte doch die Deutschen braten…..
Hoffentlich schmort der in der Hölle.

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