Plötzlich ist der Brexit eine gute Sache: Anführer der Angst-Kampagne zeigt sein wahres Gesicht

09.07.2016
Markus Gärtner

Was schert mich mein Geschwätz von gestern. Das sagt sich der britische Finanzminister George Osborne. Vor etwas mehr als zwei Wochen, kurz vor dem Brexit-Votum in Großbritannien, hat er für den Fall eines Abschieds von der EU einstürzende Hauspreise und eine schmerzhafte Rezession für ein ganzes Jahr vorhergesagt. Einen schweren Schlag gegen die Konjunktur und die Hauptstadt London prognostizierte er. – Doch jetzt hat er eine volle Kehrtwende hingelegt.

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Stimmt alles nicht, hören wir jetzt von dem Wendehals, der in Großbritannien als der intellektuelle Kopf der Angst-Kampagne galt. Mit Furcht erregenden Horrorszenarien sollten die Briten davon abgehalten werden, für einen Austritt zu stimmen. Glaubte man den Befürwortern eines Verbleibs in der EU, würde den Briten bei einer Abspaltung der Himmel auf den Kopf fallen. Doch das gilt jetzt alles nicht mehr.

Die Kehrtwende von Osborne zeigt nicht nur die Skrupellosigkeit und Verlogenheit der Pro-EU-Kaste. Sie zeigt auch, dass die Mehrheit der Wähler in Großbritannien eine kluge Entscheidung getroffen hat.

Sie hat sich nicht einschüchtern lassen, auch wenn Mainstream-Medien bis nach Deutschland ihr Votum als Beginn einer »historischen Katastrophe« und als »Antwort aus dem falschen Jahrhundert« diskreditiert haben.


In Wirklichkeit liegen die Dinge wieder mal ganz anders, als es uns die Mainstream-Medien weismachen wollten. Das große Geld hat mit dem Brexit sogar einen Sieg errungen.

Es kann sich von lästigen Fesseln der EU befreien und Londons Dominanz als Kapitalmarkt noch weiter ausbauen. Islamische Anleihen? Renminbi-Geschäfte? Neue Bilanzierungsregeln? Finanzierung von Waffenexporten in die Kriegsgebiete der USA und der NATO? Alles noch einfacher als zuvor: »Her mit dem Geschäft, endlich grätscht uns Brüssel nicht mehr rein in die zuvor streng regulierten Finanzangelegenheiten.« Das ist in Wahrheit die Botschaft, die man sich in Londons Geldhäusern jetzt gegenseitig zuflüstert.

Jetzt hat Osborne in London zusammen mit jenen Investmentbanken, die vor der Abstimmung am 23. Juni düstere Szenarien an die Wand gemalt hatten, eine glänzende Zukunft in Aussicht gestellt, in der die »City« das führende Finanzzentrum auf dem Kontinent, ja auf der Welt bleiben werde.

Osborne verwies, umrahmt von Managern der Bank of America, der Standard Chartered Bank und der Citigroup, auf Großbritanniens »brillantes Erwerbstätigenheer«, auf das »stabile Rechtssystem« sowie auf »weltklasse Aufsichtsbehörden« und schließlich auch auf »tiefe und liquide Kapitalmärkte wie sonst nirgends in Europa«.

Man fragt sich angesichts dieser Beschreibung nur noch, woraus dann die Horror-Szenarien vor der Volksabstimmung abgeleitet waren. Das Pfund würde ins Bodenlose stürzen, wurde den Briten vor der Abstimmung eingehämmert, ohne zu erklären, dass dies einen touristischen Boom auslösen, die Exporte kräftig ankurbeln und eventuell den von der Bank of England und der EZB vergeblich angestrengten Preisauftrieb herbeiführen könnte.

Die Regierungen in Madrid, Rom und Athen sind in diesen Tagen bleich vor Neid, wenn sie sehen, mit welchem Wechselkurs-Befreiungsschlag die Briten aufwarten können. Der Euro fesselt Italiener, Spanier und Griechen und verhindert einen solchen Ausweg aus der Misere.

Noch am 23. Mai hatten britische Zeitungen Schatzkanzler Osborne mit der Prognose zitiert, Großbritannien drohe für den Fall des EU-Ausstiegs eine Rezession mit bis zu 820 000 verlorenen Arbeitsplätzen und einem Kollaps der Hauspreise um 18 Prozent in den zwei Jahren nach dem Brexit. Die öffentliche Verschuldung würde außerdem zwischen 28 und 46 Milliarden Euro in die Höhe schießen. Selbst die brave Financial Times bezichtigte jedoch den Finanzminister einer »Eskalation der Referendums-Rhetorik«.

Quelle: Kopp-online vom 09.07.2016

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