Insolvenz von Unister: Kassenbestand: 0,00 Euro

Von Nicolai Kwasniewski, Dinah Deckstein, Isabell Hülsen und Martin U. Müller

Deutschlands größter Reisevermittler, die insolvente Unister Holding, hat Verbindlichkeiten von mehr als 39 Millionen Euro aufgehäuft. Unter anderem schuldet sie dem Internetkonzern Yahoo viel Geld.

Firmenschild von Unister in Leipzig
DPA

Firmenschild von Unister in Leipzig

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Nach dem Tod von Unister-Gründer Thomas Wagner bei einem Kleinflugzeugabsturz kommen mehr Details zur wirtschaftlich schwierigen Lage des Leipziger Internetunternehmens ans Licht, zu dem bekannte Marken wie Fluege.de oder Ab-in-den-urlaub.de gehören. Dem SPIEGEL liegt der fünfseitige Insolvenzantrag der Unister Holding vor, verfasst von Rechtsanwalt Nikolaus Petersen.

Demnach belaufen sich die fälligen Verbindlichkeiten auf 39,2 Millionen Euro. Gut 34 Millionen Euro davon entfallen allein auf einen Kredit der Versicherung Hanse Merkur. Das Unternehmen „verfügt über liquide Mittel einschließlich eines Kassenbestandes in Höhe von 0,00 Euro“ schreibt Petersen, die Verbindlichkeiten könnten also „ganz offensichtlich“ nicht bedient werden.

Dem Finanzamt schuldet Unister laut Schreiben gut 800.000 Euro, beim Internetkonzern Yahoo steht die Firma mit 1,2 Millionen Euro in der Kreide. Hinzu kommen diverse offene Zahlungen, etwa für Anwaltskanzleien; mal geht es um 300.000 Euro, mal um 400.000 Euro. Auch die Kanzlei von Petersen bekommt noch 124.000 Euro von der Unister Holding.

Ausgerechnet Petersens Kanzlei, Petersen Hardraht Pruggmayer, hatte nach SPIEGEL-Informationen allerdings in einem Schreiben an die Insolvenzabteilung des Amtsgerichts Leipzig vom 11. April mitgeteilt, dass die Unister Holding „weder zahlungsunfähig noch überschuldet“ sei. Schon auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 8. April hatte Unister-Mitgründer Daniel Kirchhof gefordert, Wagner solle ein Insolvenzverfahren beantragen.

Gerüchte um eine Insolvenzverschleppung gab es bei Unister in der Vergangenheit immer wieder. Ermittelt wurde nie. Kirchhof, der sich mit Wagner seit mehr als einem Jahr vor Gericht um Firmenanteile stritt, stand zuletzt Ende Juni im Verhandlungssaal in Leipzig und rief: „Wir sind zahlungsunfähig.“ Wagner soll das mit einem Lachen quittiert haben. Auch Anwalt Petersen mag nicht erklären, was die Lage innerhalb von nur drei Monaten so verschärft haben soll. Anwälte seien zur Verschwiegenheit verpflichtet, auch posthum, teilte die Kanzlei mit.

Mittlerweile mussten vier Unister-Töchter Insolvenz anmelden. Der vorläufige Insolvenzverwalter Lucas F. Flöther sagt in einer Presseerklärung: „Kunden, die ab jetzt bei Unister-Portalen buchen, können damit sicher sein, dass sie die gebuchte Reiseleistung auch vollständig erhalten.“

Noch keine Lösung gibt es laut Flöther bislang für Inhaber von Reisegutscheinen, die vor dem 20. Juli 2016 bei Unister Travel erworben wurden. Dies gelte insbesondere für Kunden der ebenfalls in Insolvenz befindlichen Tochtergesellschaft U-Deals GmbH, die unter Marken wie Ab-in-den-urlaub-deals.de Gutscheine für Reisen und Hotelaufenthalte mit frei wählbarem Anreisedatum ausgegeben hat.

Betroffen seien nach aktuellem Kenntnisstand bis zu 14.000 Kunden, deren Gutscheine von den Vertragspartnern vor Ort möglicherweise nicht anerkannt werden. Entsprechend gebe es auch Fälle, in denen einzelne Hotels bereits bestätigte Anreisen von Kunden ablehnen oder eine doppelte Bezahlung fordern.

Quelle: Spiegel-online vom 23.07.2016

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