Bronze für die Handballer: Reife Leistung

Aus Rio de Janeiro berichtet Michael Wilkening

Deutsche Handball-Nationalmannschaft der Männer
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Deutsche Handball-Nationalmannschaft der Männer

Im Januar gab es den EM-Titel, jetzt folgte Bronze in Rio. Die deutschen Handballer haben sich in der Weltspitze etabliert. Dadurch steigen nun aber auch die Erwartungen und Ansprüche.

Die Party startete, als Dagur Sigurdsson den Bus betrat. Vor der Rückkehr ins Olympische Dorf empfingen die Spieler ihren Trainer mit Sprechchören. Gemeinsam sangen der Isländer und seine Schützlinge, als sich der Bus kurz darauf in Bewegung setzte. „In den nächsten Stunden werde ich die Mannschaft nicht steuern“, hatte Sigurdsson wenige Minuten zuvor angekündigt.

Der 31:25-Sieg gegen Polen und der Gewinn der Bronzemedaille bildeten für die deutschen Handballer einen gelungenen Abschluss der Olympischen Spiele. Nach dem EM-Titel im Januar in Polen bedeutete der Erfolg außerdem den nächsten Schritt in der Entwicklung des Teams. Da wollte Sigurdsson seinen Spielern das Feiern nicht verbieten.

Innerhalb des olympischen Turniers war die Mannschaft weiter gewachsen. Nach dem bitteren Halbfinalaus gegen Frankreich (28:29)zeigte sie die Reaktion eines Weltklasse-Teams. „Ich bin unglaublich stolz“, sagte Sigurdsson und seine Augen schimmerten feucht. Der Isländer, der meist ein Ruhepol ist und seine Gefühle nicht nach außen trägt, war gerührt. Der Trainer war müde und ausgelaugt, aber in erster Linie war er emotional gepackt. Sigurdsson weiß, dass die Leistung seiner Mannschaft in Rio eine Steigerung zu den Erfolgen bei der EM in Polen ist, auch wenn diesmal nicht der erste Platz dabei heraussprang.

„Mental das schwerste Match überhaupt“

Die junge Mannschaft des Deutschen Handball-Bundes (DHB) zeigte im Bronzematch gegen die Polen eine reife Leistung, denn sie war in der Lage, ein Spiel zu dominieren, das in der Auffassung von Sigurdsson „mental das schwerste Match überhaupt“ ist. Die Fähigkeit, sich nach einer so großen Enttäuschung wie dem Ausscheiden im Halbfinale wieder aufzurichten, um weniger als 48 Stunden später ungefährdet eine Medaille zu gewinnen, zeichnet Spitzen-Mannschaften aus.

Das Match gegen die Polen war kein spielerischer Leckerbissen, viele Fehler unterbrachen auf beiden Seiten den Spielfluss. Es ähnelte vielen Partien um Platz drei bei vorherigen olympischen Turnieren, wenn es nicht mehr darum geht, gut zu sein, sondern nur noch um den Erfolg. Deutschland – und dieser Fakt war die größte Leistung an diesem Tag – machte 60 Minuten lang klar, dass es diese Partie gewinnen würde.

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Deshalb wurde Sigurdsson auch beim zwischenzeitlichen 5:8-Rückstand nach einer Viertelstunde nicht nervös. „Da hat Polen von unseren Fehlern gelebt, aber auch da war schon zu spüren, dass wir stärker sind“, erklärte er. Der Trainer griff kurz in den Ablauf ein und sorgte mit einer Auszeit für Ruhe auf dem Feld. Anschließend warfen die Deutschen fünf Tore in Serie zu einer 10:8-Führung und hatten in der Folge keine Schwierigkeiten, den Gewinn der Bronzemedaille abzusichern.

Fernziel Olympiagold 2020

Nach 43 Minuten lag die DHB-Auswahl 25:18 in Führung – das Spiel war praktisch entschieden. „Wir wollten heute nicht der dumme Vierte sein und haben dafür die entsprechende Leistung gezeigt“, sagte Hendrik Pekeler. Der Kreisläufer war nach der Niederlage gegen Frankreich hart mit sich ins Gericht gegangen: „Ich habe vorher eine große Klappe gehabt und dann keine Leistung gezeigt.“ Nach dem Sieg über Polen zeigte er sich versöhnlich: „Wir sind verdient Dritter geworden“, sagte der 25-Jährige.

„Mission erfüllt und Weltspitze bestätigt“, sagte Bob Hanning. Der DHB-Vizepräsident hatte vor zwei Jahren das Fernziel Olympiasieg 2020 in Tokio ausgegeben und war von der Mannschaft und deren Entwicklungssprüngen in Rio beinahe überholt worden. „Wir haben schon sehr schnell sehr viel Erfolg, was gut ist, weil es das Ganze etwas vereinfacht“, kommentierte Hanning die in dieser Form nicht erwartbare Leistungssteigerung der deutschen Mannschaft. „Wir sind jetzt in der Lage, an der Spitze mitzuspielen“, sagte Hanning.

Und diese Entwicklung führt letztlich zu einer weiteren Veränderung des einstigen Außenseiters bei großen Turnieren: Bei der Weltmeisterschaft im kommenden Januar in Frankreich zählen die Deutschen spätestens jetzt zu den Favoriten.

Quelle: Spiegel-online vom 22.08.2016

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