OFFENE BEDINGUNGEN – EU-Kommission will der Türkei bei Visumfreiheit helfen

02:00

In dieser Woche werden Fachleute aus Brüssel an den Bosporus reisen, um die Türkei bei der Umsetzung der Visumfreiheit zu unterstützen. Der Start ist für Oktober geplant.

Von Christoph B. Schiltz,Brüssel

Im Streit über die von Ankara geforderte Visumfreiheit will die EU-Kommission in dieser Woche Experten in die Türkei entsenden, damit das Land die notwendigen Bedingungen erfüllen kann.

„In dieser Woche werden Experten der EU-Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) in die Türkei reisen, um technische Gespräche zu führen zur Umsetzung des Abkommens zwischen der EU und der Türkei und über die Visumliberalisierung“, sagte der zuständige EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos der „Welt“. Er selbst werde auch „bald“ in die Türkei reisen, kündigte der Kommissar aus Griechenland an.

Avramopoulos sagte weiter: „Wir tun alles, damit das gesamte Abkommen zwischen der EU und der Türkei planmäßig funktioniert, und stellen weiterhin Unterstützung und Expertise zur Verfügung, damit die Reformen, die notwendig sind, um die Bedingungen für die Visumliberalisierung zu erfüllen, beschleunigt werden.“

Man sei auf technischer und politischer Ebene in Kontakt mit den türkischen Behörden. „Damit die Türkei eine Visumliberalisierung erhalten kann, müssen alle Bedingungen erfüllt sein“, sagte der Kommissar weiter. Die Position der EU sei in dieser Frage immer klar gewesen.

Avramopoulos betonte zugleich, wie wichtig die Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union sind: „Die Türkei ist ein Schlüsselpartner für die EU, und wir sind ein Schlüsselpartner für die Türkei. Unsere tiefe Überzeugung, dass diese Partnerschaft gestärkt werden muss, ist der Leitfaden für alle unsere Kontakte.“

Bedingungen für die Visumfreiheit

Die EU-Kommission will im September erneut eine Analyse vorlegen, inwieweit Ankara die für eine visumfreie Einreise notwendigen 72 Bedingungen erfüllt hat. In der vergangenen Woche hatte eine Kommissionssprecherin erklärt, es seien weiterhin noch fünf Bedingungen zu erfüllen. „Die Situation hat sich nicht verändert, seit wir den letzten Fortschrittsbericht veröffentlicht haben“, sagte Sprecherin Natasha Bertaud.

Der Wegfall des Visumzwangs war ursprünglich für Juni geplant, nun soll er nach den Vorstellungen Ankaras im Oktober erfolgen. „Wir möchten keine weiteren Verzögerungen“, sagte der türkische EU-Botschafter Selim Yenel der „Welt“ in der vergangenen Woche. Yenel forderte allerdings auch „Garantien“ vonseiten Brüssels, „dass die EU die Visumpflicht auch wirklich aufheben wird, wenn wir die dazu notwendigen 72 Bedingungen erfüllt haben“.

Hintergrund ist die Sorge Ankaras, dass die EU-Regierungen oder das Europäische Parlament sich einer Visumliberalisierung widersetzen könnten, obwohl die EU-Kommission zuvor grünes Licht gegeben hat. Die Einreise ohne Visum in die EU ist aus Sicht des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan das wichtigste Zugeständnis, das Ankara im Gegenzug für die Rücknahme syrischer Flüchtlinge aus der EU und eine schärfere Kontrolle der Grenzen erwartet.

Dazu muss die Türkei aber noch einige Bedingungen erfüllen. Dazu gehören die Umsetzung der Empfehlungen des Europarats gegen Korruption, die Angleichung des Datenschutzes an EU-Standards, eine unabhängige Datenschutzbehörde und ein Kooperationsabkommen mit Europol. Besonders umstritten zwischen der EU und Ankara ist aber die Forderung , die Türkei müsse ihre Terrorismusdefinition an europäische Standards anpassen. Nach Ansicht der EU können die Gesetze dazu dienen, dass die türkischen Sicherheitsbehörden Journalisten und Oppositionelle ins Visier nehmen. Die EU-Kommission fordert darum „ein Element der Verhältnismäßigkeit“.

Ebenso wie EU-Innenkommissar Avramopoulos sendete am Wochenende auch die Bundesregierung versöhnliche Signale in Richtung Bosporus. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) rief zu einem nüchternen Umgang mit der Türkei auf. Er sagte der „Bild am Sonntag“: „Die Türkei ist Nato-Mitglied und für uns ein wichtiger Partner in der Flüchtlingskrise und im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Im Umgang mit unseren Partnern müssen wir nüchtern analysieren und dürfen nicht naiv sein.“ Sein Ministerium hatte die Türkei vor einer Woche als „zentrale Aktionsplattform“ für Islamisten benannt. De Maizière verteidigte diese Einschätzung: „Was in den Medien über den Bericht steht, ist ein kleiner Ausschnitt der aktuellen Lage im Land. Und die ist eben kompliziert.“

Quelle: Welt-online vom 22.08.2016

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Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

EU will helfen. Da wird mir schlecht.