Wenn unerwünschte Meinungen einfach verschwinden . . .

Die Meinungsfreiheit droht Kollateralopfer des Kampfes der deutschen Regierung gegen Hass-Postings im Internet zu werden.

 (Die Presse)

Die deutsche Journalistin Anabel Schunke hat zur Diskussion um das Burka-Verbot jüngst auf Facebook (FB) gepostet: „Dass der Untergang des Westens besiegelt ist, zeigt sich an der Zeit, die wir brauchen, einen Stoffsack zu verbieten, der gegen alle westlichen Werte spricht.“ Das hätte Frau Schunke besser so nicht formuliert. Ihre Meinung war zwar rechtlich vollkommen unbedenklich und eine absolut zulässige freie Meinungsäußerung – doch FB fand Schunkes Meinung derart anstößig, dass ihr Account für eine Woche gesperrt wurde.

Meldungen wie diese häufen sich in letzter Zeit. Rund 200 Mitarbeiter eines großen deutschen Medienkonzerns sind mittlerweile damit beschäftigt, in Abstimmung mit FB und der deutschen Bundesregierung die soziale Plattform nach unerwünschten deutschen Inhalten zu durchsuchen, diese gegebenenfalls zu löschen und die Autoren mit temporären Sperren pädagogisch zu behandeln; im Einzelfall gar lebenslänglich.

An sich geht es dabei darum, Hass-Postings zu entfernen. In der Praxis freilich haben immer mehr Autoren den Eindruck, das deutsche FB eliminiere auch Beiträge, die völlig hassbefreit sind, aber politisch nicht ausreichend korrekt sind. Da wurde etwa ein Text gelöscht, in dem bloß unkommentiert die Bezüge von Asylwerbern mit jenen von Hartz-IV-Empfängern verglichen worden sind. Einen Monat FB-Sperre löste ein anderer Beitrag aus, in dem eine Userin der Polizei dazu gratuliert hatte, einen Terroristen ausgeschaltet zu haben. Und unzumutbar fand FB einen Beitrag, in dem ein User schrieb: „Es ist das legitime Interesse unseres Rechtsstaates, zu wissen, wer mit welchem Background in unser Land kommt.“

Seltsam: Gesperrt werden ganz offensichtlich besonders oft Beiträge, die sich kritisch mit einer ganz bestimmten Thematik auseinandersetzen, während etwa massiv antisemitische Postings, auch wenn sie Facebook gemeldet werden, weiter online bleiben können. Ob hier ein Algorithmus auf vorbeugenden Regierungsgehorsam programmiert ist, bloß Zufall im Spiel ist oder andere Faktoren, ist unbekannt. Das Ergebnis ist freilich so, dass Spekulationen und Paranoia wuchern (wobei wir ja dank Woody Allen wissen: Nur weil du Paranoia hast, heißt das noch nicht, dass sie nicht hinter dir her sind).

Dabei geht es nicht um irgendeine Spielerei in irgendeinem sozialen Netzwerk. Facebook ist mittlerweile ein ganz zentraler Umschlagplatz der öffentlichen Meinung für (fast) alle – vom kleinen Blogger bis zum großen Medienhaus. Wer hier gesperrt wird, wird für einen großen Teil der Öffentlichkeit gleichsam unsichtbar.

Nun ist FB ein privates Unternehmen, das jedes Recht hat, ohne Angabe von Gründen zu entscheiden, was erscheinen darf und was nicht. Selbst wenn der Konzern morgen entscheiden würde, alle rothaarigen User zu sperren, wäre dies sein gutes Recht.

Problematisch ist hingegen, dass FB-Gründer Mark Zuckerberg der Kontrolle des deutschen FB nur zugestimmt hatte, weil die deutsche Bundesregierung ihn massiv bedrängt hatte. 2015 war Kanzlerin Merkel höchstpersönlich nach New York gereist, um dem jungen Mann die Notwendigkeit dieses Schritts nahezubringen.

De facto hat die deutsche Regierung damit eine Art privatisierter oder outgesourcter Zensur geschaffen, die sich als rechtskonforme Ausübung privater Eigentumsrechte tarnt. Wobei nicht einmal klar ist, nach welchen Regeln diese De-facto-Zensur eigentlich arbeitet, wie die eingangs genannten Fälle zeigen. Ein Medienunternehmen mit so großer Marktmacht, wie sie Facebook hat, als Agent einer Regierung, die unbotmäßige Inhalte löschen lässt – das steht einer liberalen Demokratie nicht wirklich gut zu Gesicht.

Zum Glück gibt’s echte Meinungsfreiheit ja noch im TV. Da durfte jüngst der linke Schweizer Politagitator Jean Ziegler im ORF dazu aufrufen, dass „alle Spekulanten aufgehängt gehören“, ohne dass diese Hassrede, die eindeutig den Straftatbestand der Verhetzung erfüllt, irgendwelche Konsequenzen gehabt hätte. Hass ist offenbar dann zulässig, wenn er sich gegen die Richtigen richtet.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

Quelle: Die Presse – Print-Ausgabe vom 26.08.2016

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Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

Hoffentlich kriegen die ganzen doofen Gutmenschen die andere gängeln die nicht ihrer Meinung sind die gerechte Strafe von ihren Lieblingen.

Heidi Walter
Heidi Walter
7 Jahre zuvor

Solche Ergebnisse erzielt man nur, wenn man einen Stasi-Spitzel, mit 800 Seiten Stasi-Akten, an die Spitze der Amadeu Antonio-Stiftung setzt und eine ehemaliges Piraten Partei-Mitglied, das so voller Hass auf Deutschland ist, dass es Schnappatmung bekommt. Danke, Herr Maas.