Referendum zu EU-Flüchtlingspolitik – Ungarns Ja zu Orbáns Nein?

Viktor Orban | Bildquelle: AP

Stand: 02.10.2016 02:14 Uhr

Für den ungarischen Präsidenten Orbán steht viel auf dem Spiel: Die Bürger sollen in einem Referendum seine anti-europäische Position in der Flüchtlingspolitik stützen. Doch die Abstimmung könnte schon an der Wahlbeteiligung scheitern.

Von Clemens Verenkotte, ARD-Studio Wien

„Es ist ein Blödsinn. Es passiert sowieso, was die wollen.“ Die Studentin der Kunstgeschichte aus Budapest hält mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Sie findet die suggestiv klingende Frage auf dem Wahlzettel überflüssig: „Wollen Sie, dass die EU auch ohne Zustimmung des Parlaments die verpflichtende Ansiedlung von nicht-ungarischer Staatsbürger in Ungarn vorschreiben kann?“

Für einen Rentner, der in einem kleinen Dorf im Nordwesten des Landes wohnt, ist die Sache klar: „Ich werde sicherlich mit Nein abstimmen.“ Das Referendum findet er trotzdem ein bisschen müßig, schließlich gebe es ja eine gewählte Regierung, die die Wähler damit beauftragt hätten, sie zu vertreten: „Warum stellen sie uns dann eine Frage, wenn es die ersten Probleme gibt? Es ist so, als würde man die Familie fragen: ‚Was soll ich kochen?‘ Und wenn es denen nicht schmeckt, sagt man: ‚Das habt ihr aber bestellt.'“

Für Ministerpräsident Viktor Orbán steht viel auf dem Spiel: Zwei führende Meinungsforschungsinstitute prognostizieren, dass die erforderliche Wahlbeteiligung von 50 Prozent der gültig abgegebenen Stimmen um mehrere Prozentpunkte verfehlt werden könnte. Dann wäre das Ergebnis der Volksabstimmung hinfällig.

Geheimabsprache zwischen Merkel und Orbán?

Am Vortag des Referendum warb der Ministerpräsident nochmals eindringlich für ein Nein bei der Abstimmung und eine rege Beteiligung. Das heutige Votum sei nicht allein für Ungarn, sondern für die gesamte Europäische Union von „schicksalhafter Bedeutung“, erklärte Orbán in einem Zeitungsinterview.

In den Wochen und Tagen vor der Abstimmung wurde der Ministerpräsident nicht müde zu betonen, dass ein Referendum eine seriöse Sache sei: „Ich freue mich und bin stolz darauf, dass Ungarn ein Land ist, in dem die Leute gefragt werden. Ich stimme zu: Volksabstimmungen sind dafür nicht die einzige Form. Früher hatten wir etwa nationale Konsultationen und andere Formen. Aber in Europa haben die Menschen keine Möglichkeit, in dieser Frage ihre eigene Meinung zu äußern.“

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Von einer Geheimabsprache zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Orbán berichtet die große Tageszeitung „Magyar Nemzet“: Orbán solle seine „Antiflüchtlingsrhetorik“ drosseln und sich innerhalb der EU „konstruktiver“ verhalten. Im Gegenzug würde Merkel den ungarischen Ministerpräsidenten in Brüssel unterstützen. Denn dort sind insgesamt 21 Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn anhängig.

Gemeinsam lachen, gemeinsam weinen

Die Hoffnung des Regierungschefs, gestärkt durch ein erfolgreich durchgeführtes Referendum in Berlin und Brüssel eine Rückübertragung von EU-Rechten an die nationalen Parlamente zu fordern, hängt ausschließlich von der Wahlbeteiligung ab.

Zwar sind Umfragen zufolge rund 80 Prozent der Ungarn parteiübergreifend der Meinung, dass die EU Ungarn nicht vorschreiben dürfe, nach einem Quotenschlüssel Flüchtlinge aufzunehmen. Doch das wäre hinfällig, wenn eine Mehrheit der Wahlberechtigten sich der Meinung dieser Rentnerin anschließen würde: „Nein, es hat keinen Sinn. Man sollte sich die Situation Ungarns anschauen und dann wird klar: Dieses Referendum ist zwecklos. Die Bevölkerung soll oder darf nicht darüber abstimmen, weil wir Verpflichtungen eingegangen sind. Ein altes Sprichwort sagt: ‚Wir weinen gemeinsam und wir lachen gemeinsam.'“

Quelle: tagesschau.de vom 02.10.2016

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Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

Schade das Ergebnis ist hinfällig weil nur 45 % gewählt haben.
Anscheinend waren viele zu faul um wählen zu gehen.