Deutschland – BILD-Reportage aus der Ost-Ukraine – Mischung aus Ignoranz, Verdrehung und Vertuschung

Die Mitglieder der Regiments Asow während der Artillerieübungen im Osten der Ukraine, März 2016
Die Mitglieder der Regiments Asow während der Artillerieübungen im Osten der Ukraine, März 2016

BILD-Reporter Julian Röpcke auf Embedded-Mission beim berüchtigten Nazi-Regiment Asow im Küstenort Schyrokyne nahe Mariupol. Seinen Videobericht betitelt er „Putins Schergen zerstören Schyrokyne“. Der Beitrag entpuppt sich als reines Manipulations- und Propagandawerk.

Als eine Art Katastrophentourist reiste Bild-Reporter Julian Röpcke in den von ukrainischen Einheiten gehaltenen Küstenort Schyrokyne am Asowschen Meer.

Inhaltslose Reportage mit unsubstantiierter Schuldzuweisung

Laut dem Minsker Abkommen sollte der Ort eigentlich innerhalb der neutralen Pufferzone verbleiben. Die regierungstreuen Einheiten und vor allem das berüchtigte Regiment Asow waren 2015 in dem zuvor umkämpften Ort verblieben. Die Aufständischen der selbsternannten „Volksrepublik Donezk“ haben sich aus dem zuvor von ihnen gehaltenen Teil des Dorfes im Februar 2016 zurückgezogen. Der Ort ist seither dennoch nicht zur Ruhe gekommen, sondern nach wie vor Schauplatz von Artillerieduellen. Viele Häuser sind dadurch stark beschädigt, die meisten Einwohner hatten den Ort bereits 2014 verlassen.

Wo Gefahr ist, wächst jedoch das Rettende auch, und deshalb hat mit Julian Röpcke eines der Nachwuchstalente des führenden deutschen Hetzblattes versucht, in die Fußstapfen – nein, nicht Hölderlins, sondern – Hemingways zu treten und einen auf Frontberichterstatter zu machen.

Seine Mission: den BILD-Lesern anschaulich zu machen, wie böse und schlimm die Russen und „Pro-Russen“ sind. Stets darauf gefasst, welche Gefahr sich hinter der idyllischen Stille des Badeortes verbergen könnte, schritt der Hagestolz in gleichsam heroischer Weise in voller Kriegsreporter-Montur, inklusive Helm und Schutzweste, den Strand einher und an den zerstörten Häusern früherer Bürgerkriegstage vorbei.

Da er nicht die wahre Story erzählen darf und ihm der „russische Aggressor“ partout nicht den Gefallen tun wollte, seine Wehrbereitschaft herauszufordern, musste der Pseudo-Frontberichterstatter seine Beitragszeit mit ständigem Redefluss füllen. Eine schwierige Aufgabe für einen Schreibtisch-Journalisten, insbesondere, wenn nichts zu vermelden ist. So musste der Reporter mit auf dem Boden liegenden Gegenständen wie Kinderspielzeug oder einem Schallplattensplitter Vorlieb nehmen, diese aufheben und in pathetischen Worten den Zuschauern erklären, dass diese jetzt nicht mehr benutzt werden können.

Mithilfe rassistischer Unterstellungen die tatsächlich Verantwortlichen für das Sterben auszublenden

Das Mitleid mit den ehemaligen Besitzern dieser Gegenstände sollte nun offenbar in Wut gegen diejenigen umschlagen, die den Ort zerschossen haben. Mehrmals beschwört der BILD-Reporter eindringlich, dass die Schüsse, die für die Zerstörungen verantwortlich wären, aus dem Osten kamen, wo sich, je nachdem, was ihm gerade in den Sinn kam, „Russland“, „russische Truppen“, so genannte „prorussische Separatisten und verschiedenen Truppen“, oder dann schließlich doch „ukrainisches Territorium“ befinde. „Putins Schergen“, so belehrt er uns in dem ihm eigenen „Stürmer“-Duktus, seien für all dies verantwortlich, und diese handeln – wie könnte es anders sein? – einzig allein „aus Zerstörungswut“.

Dass sich der Ort mit seinen ehemals 1.500 Einwohnern laut Minsker Abkommen in einer demilitarisierten Pufferzone befindet und die ukrainischen Truppen, die heldenhaft ihre Positionen „halten“, dort sind, wo sie eigentlich gar nicht sein dürften, ficht den Meinungsmacher nicht an. Wozu auch, wenn er sich doch jener Kriegspartei verpflichtet hat, die er für „die Guten“ hält?

Diese „Guten“ sind strenggenommen genau diejenigen, für deren hiesiges Pendant sein Blatt üblicherweise nur Bezeichnungen wie „rechte Pöbler“ übrig hat. Hier hat das neonazistische Regiment Asow seine Zelte aufgeschlagen. Ihre Hinterlassenschaft konnte BILD nicht verbergen: So prangte auf dem Video plötzlich eine Wolfsangel verräterisch an der Wand.

Asow beteiligte sich an Kriegsverbrechen wie der Hinrichtung von Gefangenen, Videoaufnahmen davon zirkulieren durchs Internet. Asow und andere Pro-Regierungstruppen verschiedener ukrainischer Einheiten haben sich aus militärischer Sicht völlig unverhältnismäßiger Kriegshandlungen im Donbass schuldig gemacht, die unter der Zivilbevölkerung mehrere tausend Opfer gefordert haben, darunter mindestens 100 Kinder. Das ist die reale Zerstörungswut im Ukrainekonflikt; Wut, die Menschenleben hinweggefegt hat.

Das Graffiti zum Tag des Kinderschutzes auf einem zerstörten Gebäude des Donezker Flughafens. Es ist den 101 getöteten Kindern des Donbass gewidmet. Sie kamen infolge des wiederholten Beschusses durch ukrainische Einheiten ums Leben

Das Graffiti zum Tag des Kinderschutzes auf einem zerstörten Gebäude des Donezker Flughafens. Es ist den 101 getöteten Kindern des Donbass gewidmet. Sie kamen infolge des wiederholten Beschusses durch ukrainische Einheiten ums Leben

Peter Handke hätte wohl von „nicht ausreichend kameragerechtem Leiden“ gesprochen – in westlichen Medien kamen diese Opfer jedenfalls schlichtweg nicht vor. Dementsprechend wurden auch die für sie Verantwortlichen mit keinem Wort, geschweige denn irgendwelcher Kritik, erwähnt. Wenn schon irgendwann einmal von den Opfern des Konflikts die Rede war, trug aber – wer auch sonst? – natürlich Russland die Schuld an deren Schicksal.

Nach dieser Logik beschießen die „Prorussen“ ihre eigene Bevölkerung selbst. Um keine Fragen nach der Logik aufkommen zu lassen, hat BILD auch einen Erklärungsansatz erschaffen, der sich fortan auf jedweden Kriegsschaden auf beiden Seiten des Konflikts anwenden ließ: Die Russen und der „Prorusse“ machen etwas grundsätzlich nur „aus Zerstörungswut“. Jede Ähnlichkeit solcherart rassistischer Unterstellungen mit der antibolschewistischen Propaganda im Dritten Reich wäre natürlich unerwünscht und zufällig – und ganz und gar unmöglich. Fakt ist jedoch: Rassistische Schuldzuweisungen und Unterstellung helfen, die wahren Ursachen des Konflikts zu verschleiern und die Aufmerksamkeit von den wahren Verantwortlichen abzulenken.

Der Tatsachen werden verschwiegen und verdreht

Julian Röpcke ist bei den für Tragödien im Donbass verantwortlichen Truppen „embedded“ und gibt 1:1 das wider, was deren Presse-Offiziere ihn schreiben sehen wollen.

Das gleichzeitig Groteske wie Verstörende daran ist jedoch die Art und Weise, wie diese bitterböse Parodie eines Reporters sich an anderer Stelle als seriös arbeitender Journalist zu inszenieren versucht, der mittels „offener Quellen“ die „Lügen“ in dem Konflikt aufzudecken vorgibt. Die russischen Lügen, versteht sich. Da werden Werte der Allgemeinheit vereinnahmt und als Waffe pervertiert, die gezielt gegen eine Seite angewendet wird.

Wie offenkundig dieser selbsternannte Pächter der Wahrheit selbst die Tatsachen verdreht, kann man anhand der identischen offenen Quellen überprüfen. Wenn immer er im Brustton der Überzeugung von „russischen Truppen“ redet, bringt er damit nur zum Ausdruck, die jüngsten OSZE-Berichte zu dem Konfliktgeschehen in der Region entweder gar nicht gelesen zu haben oder diese bewusst zu verschweigen.

Satellitenbild von Schyrokyne. Quelle: https://www.google.de/maps/@47.0940309,37.8228654,1377m/data=!3m1!1e3
Satellitenbild von Schyrokyne. Quelle: https://www.google.de/maps/@47.0940309,37.8228654,1377m/data=!3m1!1e3


Wenn er etwa jenen Ortsteil mit den Ferienhäusern, durch welchen er vor der Kamera spaziert, als Wohngebiet deklariert und diesen stellvertretend für das ganze Dorf präsentiert, kennt er die Örtlichkeiten entweder so schlecht, dass er den Unterschied nicht erkennen kann, oder sagt bewusst die Unwahrheit. Dieses Detail ist deshalb wichtig, weil das Ferienhäuser-Viertel bei Schyrokyne lange vom Regiment Asow gehalten wurde, bevor die Aufständischen das Dorf selbst in Februar 2016 freiwillig verlassen haben. Das ukrainische Fernsehen hat die kampflose Einnahme des Dorfes sogar selbst dokumentiert.

Genau von der Anhöhe aus, von der Röpcke berichtet, und aus dem Gebiet um die Ferienhäuser herum hat Asow das Wohngebiet ständig beschossen. Wie das ungeachtet der offiziell proklamierten Waffenruhe geschah, zeigt ein Kriegspropagandafilm des rechtsextremen Kampfverbandes selbst, der stolz die strategischen Pläne zur Einnahme von Schyrokyne sowie die Durchführung der darin skizzierten Militäroperation präsentiert.

Im Film ist auch der Panzer zu sehen, der von der gleichen Anhöhe aus, auf der Röpcke stand, das Dorf beschießt (12:07 Min). In dem Video der „Volkswehr“ ist auch einer der – wohlgemerkt während der „Waffenruhe“ – geführten Kämpfe dokumentiert, während dessen das Dorf von ukrainischen Truppen mit 82- und 120-Millimeter-Mörsern und Granatenwerfern beschossen wird.

Haben die Gastgeber Julian Röpcke darüber nicht aufgeklärt? Es hätte ihm doch klar sein müssen, dass es für ihn außerordentlich peinlich werden würde, mit diesen Videoaufnahmen konfrontiert zu werden. Bei aller Naivität, die er ausstrahlt, schimmert doch ziemlich deutlich die Tatsache durch: Hier lässt sich ein deutscher Journalist als Kriegspropagandist instrumentalisieren.



„Das Video ist eine dreiste Propaganda-Fälschung“, schlussfolgerte das Bloggernetzwerk blauerbote auf Grund seiner Gegenrecherche zum Beitrag.

Fälschungen zum Zwecke der Propaganda funktionieren dann, wenn es kein Hinterfragen gibt. Der BILD-Reporter gibt am Ende des Beitrages zu, dass der Ort doch von beiden Konfliktparteien umkämpft wurde – was ja bedeutet, dass die Geschosse auch aus beiden Seiten gefallen sein mussten.

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Wenn er seinen Beitrag nun dennoch mit einer unfassbar groben, einseitigen Schuldzuweisung „Putins Schergen zerstören Schyrokyne“ betitelt, dann macht er nur deutlich, dass er bei seinen Zuschauern gar kein Denken mehr voraussetzt.

Quelle: Russia Today (RT) vom 16.10.2016

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Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

Erwartet irgendjemand von der BLIND Zeitung einen ehrlichen Artikel ???