Putin: Ausland nutzt Terrorgruppen als Vorwand, um Regierungen zu destabilisieren

16.09.2015
Tyler Durden

Haben Sie das ständige Hin und Her zwischen Washington und Moskau um die Stellvertreterkriege in der Ukraine und in Syrien verfolgt? Dann wissen Sie, dass es dem Kreml wie niemandem sonst gelingt, die amerikanische Außenpolitik prägnant und akkurat zusammenzufassen.

Deutlich war das dieses Jahr zu erkennen, als der Sicherheitsrat von Wladimir Putin ein Dokument mit dem subtilen Titel »Über die nationale Sicherheitsstrategie der USA« veröffentlichte. Auch in den vergangenen Wochen war das zu beobachten, während Russland seine Bemühungen verstärkte, das Assad-Regime in Latakia zu unterstützen.

Maria Sacharowa beispielsweise, Sprecherin des russischen Außenministeriums, kam zu dieser urkomisch wahrheitsgemäßen Einschätzung dessen, wie Washington das Verhältnis zwischen Moskau und Damaskus hinzustellen versucht:

»Erst wirft man uns vor, dass wir Waffen liefern an das so genannte ›blutige Regime, das demokratische Aktivisten verfolgt‹, jetzt kommt wieder etwas Neues, jetzt behindern wir angeblich den Kampf gegen den Terrorismus. Das ist absoluter Blödsinn.«

Ja, das ist es vermutlich. Aber wir wollen nicht vergessen, dass Russland auch nicht gerade mit offenen Karten gespielt hat, was seine Absichten anbelangt. Moskaus Interessen in Syrien haben ähnlich wie die Washingtons nur insofern mit Terrorismus zu tun, als der Terrorismus dem Westen als Werkzeug dafür dient, das Assad-Regime zu destabilisieren. Man darf nicht außer Acht lassen: Assad muss an der Macht bleiben, will Putin verhindern, dass Gazprom seinen eisernen Griff um Europas Erdgasversorgung aufgeben muss.


Das bedeutet: Selbst wenn Russland den Islamischen Staat (IS) nur als Vorwand dafür nimmt, Truppen nach Syrien zu entsenden, ist der Kreml per Definition ehrlicher als das Weiße Haus, was die eigenen Motive angeht. Der IS hat Assad destabilisiert und weil Russland ein Interesse daran hat, dass Syriens Herrscher an der Macht bleibt, hat Moskau tatsächlich einen Grund dafür, den Islamischen Staat auslöschen zu wollen.

Die USA dagegen haben die Destabilisierung des Landes erleichtert, indem sie alle möglichen syrischen Rebellen ausgebildet und bewaffnet haben. Dass es durchaus sein kann, dass einige dieser Rebellen inzwischen für den IS kämpfen, wäre eine sehr großzügige Einschätzung dessen, was die CIA dort unten treibt. (Man könnte den IS auch als »strategisches Werkzeug der CIA« bezeichnen).


Das bedeutet, die USA werden erst dann echtes Interesse daran haben, den IS zu besiegen, wenn Assad verschwunden ist und die Zeit gekommen ist, eine Marionettenregierung nach Washingtons und Riads Fasson zu installieren. Erst dann wird das US-Militär Syrien rasch von der »Geißel« IS »befreien«… immer vorausgesetzt, dass es in der Nachbarschaft keine weiteren Regierungen gibt, die der Pentagon gerne etwas instabiler hätte.

In Russland ist man sich natürlich bewusst, was für ein Spiel gespielt wird. Und man kann über Wladimir Putin denken, was man will, aber er ist gewiss niemand, der Angst davor hätte, Fehler der USA anzuprangern. Und genau das tat er dann auch am Dienstag beim Sicherheitsgipfel ehemaliger Sowjetrepubliken in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe. Hier, was Bloomberg dazu schreibt:


Der Kampf gegen den »Islamischen Staat« solle die höchste Priorität der Völkergemeinschaft sein, nicht der Sturz der Regierung von Baschar al-Assad, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin.

»Es ist notwendig, über den politischen Übergang in diesem Land nachzudenken«, so Putin. Assad sei bereit, »gesunde Oppositionskräfte an der Führung des Landes zu beteiligen«, aber dennoch: »Das heutige Hauptaugenmerk liegt definitiv auf der Notwendigkeit, die Kräfte im Kampf gegen den Terrorismus zu bündeln.«

Um sich der Bedrohung durch den »Islamischen Staat« entgegenzustellen, müssten die Länder »ihre geopolitischen Ziele beiseitelegen« und aufhören, Terrorgruppen direkt oder indirekt zum Erreichen von Zielen wie beispielsweise Regierungswechseln zu nutzen, sagte Putin. »Der elementare gesunde Menschenverstand, was die Verantwortung für die globale und regionale Sicherheit anbelangt, verlangt es, dass sich die Völkergemeinschaft zusammenschließt.«

Als Erstes fällt auf, dass Putin im Grunde die USA dafür angeht, mithilfe von Terroristen Assad destabilisieren zu wollen. Wer also bloß auf der Suche nach der Pointe war – das war sie. Alle anderen können weiterlesen.

Es ist augenscheinlich keineswegs unklar, welche Absichten Wladimir Putin in Syrien verfolgt. Russland leistet dem Assad-Regime offen Militärhilfe, um zu verhindern, dass die Terroristen und Extremisten (von denen einige von den USA ausgebildet wurden und von Katar Hilfe erhielten) den starken Mann Syriens verjagen. So einfach ist das.

Ehrlich gesagt hat Russland nur zwei Dinge nicht klar und deutlich öffentlich erklärt (was aber auch nicht verwundert, schließlich reden wir hier über internationale Diplomatie und da lügt immer irgendjemand): 1.) Die Rolle, die das Erdgas bei alledem spielt. 2.) Der Kreml wird zu verhindern suchen, dass irgendjemand Assad stürzt. Sollte es also tatsächlich echte, wohlmeinende »Freiheitskämpfer« in Syrien geben, werden sie genauso wie der IS Bekanntschaft mit russischen Panzern machen.

So klar all das ist, ändert es doch nichts daran, dass die USA an ihrem absurden Theaterspiel festhalten müssen, das vorschreibt, dass das Pentagon schlichtweg nicht einschätzen kann, was Russland da treibt. Genauso müssen die Amerikaner die noch absurdere Scharade fortsetzen, derzufolge Russland – ausgerechnet Russland, das, wie die russischen Bodentruppen im Land zeigen, als einzige externe Partei ernsthaft daran interessiert zu sein scheint, den IS zu bekämpfen – irgendwie die wirklich ernst gemeinten Bemühungen der USA und ihrer Verbündeten behindert, die radikalen Islamisten in Syrien zu besiegen. Noch einmal Bloomberg:

Russlands Absichten in Syrien seien unklar. Für die US-Diplomaten sei es wichtig, diese Absichten zu verstehen, erklärte am Dienstag in Tallinn Amerikas Generalstabschef Martin Dempsey. Putin behaupte zwar, Russland wolle ein Vorrücken des »Islamischen Staats« verhindern, »doch es sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, etwas zu erklären und sich dann anzusehen, wie sich die Lage vor Ort darstellt. Daran werden wir arbeiten«, sagte Dempsey.

Recht hat er. Es sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, zu behaupten, man nehme sein extrem mächtiges Militär und setze es für den Zweck ein, eine Truppe zu besiegen, die im Grunde nur eine bessere Miliz darstellt, groß, aber furchtbar schlecht ausgerüstet und ausgebildet, und »sich dann anzusehen, wie sich die Lage vor Ort darstellt«.

Wer dieser Argumentation folgt, der glaubt auch die völlig lachhafte Vorstellung, es könne irgendwelche Zweifel am Ausgang des Kampfes geben, wenn die USA und Russland in Syrien mit gebündelter militärischer Macht gegen den IS vorgingen.

Beim Pentagon weiß man, wie albern diese Vorstellung ist. Aber man weiß auch noch etwas: Sind erst einmal amerikanische Bodentruppen im Einsatz, gibt es keine Alternative mehr. Dann muss man die anderen Milizen besiegen und das würde vergleichsweise rasch gehen. Aber dann wäre die Opposition weg und was macht man dann mit Assad?


Da ist es doch viel einfacher (sofern man nicht ein 9/11 und eine Story über in der Wüste versteckte Massenvernichtungswaffen in petto hat, die eine offene, einseitige Invasion möglich machen), zuzulassen, dass das gesamte Land im Chaos versinkt, bis eine oder mehrere Rebellen-/Extremistengruppen endlich Damaskus erobern.

Dann lässt man kurzerhand die Marines einmarschieren, die diese Gruppen ausschalten, und installiert seine Wunschregierung. Bis dahin fliegt man übers Land und bombardiert Dinge (im Idealfall im Rahmen einer Koalition, an der auch Europa beteiligt ist) und sorgt auf diese Weise dafür, dass die Situation immer schön instabil bleibt.

Aber dieser Plan funktioniert nicht mehr, denn sofern wir keine Wiederholung des sowjetischen Afghanistan-Feldzugs erleben, wird es keiner syrischen Rebellengruppe gelingen, die russische Armee aufzuhalten. Das heißt, den USA bleibt nur der Weg, den sie gerade gehen – sie versuchen zu erklären, warum sie nicht gemeinsam mit Russland als Koalition dem IS zu Leibe rücken. Gleichzeitig versuchen sie, das weitere Vorgehen festzulegen, jetzt, wo die Russen offiziell vor Ort sind.

Zum Schluss noch etwas von Alexander Golz. Der Militäranalyst ist stellvertretender Chefredakteur der Onlinezeitung Yezhednevny Zhurnal. Dem Wall Street Journal sagte Golz:

»Dahinter steckt die Absicht, zu zeigen, dass Russland Teil des Bündnisses der zivilisierten Nationen ist, die sich der Barbarei in den Weg stellen. Aber die Idee hat keine großen Erfolgsaussichten, denn die USA und die Saudis und andere halten Assad für das grundlegende Problem.«

Quelle: Kopp-online vom 16.09.2015

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