Cottbus – Dem Frust der „Reichsbürger“ ausgesetzt

03. Januar 2017, 02:40 Uhr

Wie Verwaltungen und Gerichte in der Lausitz versuchen, ihre Mitarbeiter vor aggressiven Zeitgenossen zu schützen

COTTBUS „Reichsbürger“ haben im Dezember wieder für Schlagzeilen gesorgt. Einen Tag vor Silvester verletzte ein „Reichsbürger“ in Niedersachsen zwei Polizisten leicht. Der Dahme-Spreewald-Landrat Stephan Loge hat Anzeige wegen Bedrohung gestellt. Michael Höhr, Direktor des Cottbuser Amtsgerichtes, nimmt das Problem ernst trotz bester Sicherheitsstandards – auch, um seine Mitarbeiter zu schützen.

Dem Frust der "Reichsbürger" ausgesetzt
Die Ideen der Reichsbürger muten abstrus an, doch allein in Brandenburg schätzt der Verfassungsschutz ihre Anhängerschaft auf mehrere Hundert Menschen.Foto: dpa

Freundlich aber bestimmt fordert der Wachmann den Personalausweis. Sämtliche Utensilien aus Mantel- und Hosentaschen müssen in die graue Kiste gelegt, die Scham über die Unordnung in der Handtasche verdrängt werden. Was im Haus 2 des Cottbuser Amtsgerichtes und der Staatsanwaltschaft in der Thiemstraße schon seit 2013 Sicherheitsstandard ist und Besucher des Landgerichtes noch länger kennen, wurde 2015 im Amtsgericht Haus 1 am Gerichtsplatz nachgeholt. „Und wer keinen Personalausweis vorlegen kann, kommt nicht in unser Haus“, sagt Michael Höhr.

Der Verfassungsschutz geht von 300 Reichsbürgern in Land Brandenburg aus, in Berlin sollen es 100 sein. Für sie besteht das Deutsche Reich in den Grenzen der Gründung 1871 oder gar in den Grenzen von 1937 fort. Die Bundesrepublik ist für sie eine GmbH. Sie geben ihre Personaldokumente ab, basteln sich Fantasieausweise, erkennen Bußgeldbescheide nicht an, lehnen es ab, in der Bundesrepublik Steuern zu zahlen. Sie schicken nicht mehr nur lange Abhandlungen – aus Gesetzestexten und Verordnung zusammengeschnipselt – an Behörden und Gerichte, sondern sie werden zunehmend aggressiver. Belästigungen, Bedrohungen, Nötigungen, körperliche Angriffe. „Wir haben sie in Insolvenzen, in Familiensachen. Aber ich vermute, die Probleme, die die Verwaltungen der Kommunen, die Ordnungsämter, das Finanzamt bereits haben, werden erst noch bei uns ankommen, wenn es für eine Strafanzeige reicht.“

Das Polizeipräsidium in Potsdam hat keine offizielle Statistik. „Wir haben versucht zu zählen. Aber was dabei herauskommt, ist noch nicht aussagekräftig“, sagt Polizeisprecher Mario Heinemann. „Reichsbürger“ fielen keineswegs alle unter politisch motivierte Gewalt. „Der Verfassungsschutz kann Schätzungen nennen, er hat ganz andere Möglichkeiten. Wenn Reichsbürger überhaupt bei uns auffallen, weil sie straffällig werden, dann in verschiedenen Delikten.“ Waffenbesitz, Bedrohung, Körperverletzung, Beleidigung – mal sei ein „Reichsbürger“ aus Großräschen dabei, mal einer aus Cottbus.

Amtsgerichtsdirektor Höhr sammelt die Briefe, die er und seine Kollegen von „Reichsbürgern“ bekommen. Sie werden nicht ignoriert, sondern genau durchforstet – egal ob das „Königreich Deutschland“ oder der Freistaat Preussen“ im Briefkopf stehen, die „Reichsbürger“ Gruppen wie der „Exil-Regierung Deutsches Reich“ oder „Europäische Aktion“ angehören. Nach den verstärkten Sicherheitsmaßnahmen können sie zwar nicht mehr in Gruppen in einer Gerichtsverhandlung auftauchen, herumschreien, ein Video drehen. Aber bedroht mit Worten wie „Wir wissen, wo du wohnst“ seien Mitarbeiter des Amtsgerichtes bereits. „Mir wurde schon eine Geldstrafe über 3000 Unzen Silber angedroht“, so Höhr. Lachen kann er darüber nicht. Besonders seine Gerichtsvollzieher würden bedroht.

Auch die Stadtverwaltung Cottbus ringt mit dem Problem. Stadtsprecher Jan Gloßmann: „Die Arbeitsgruppe, die extra gebildet wurde, hat Handlungsempfehlungen erarbeitet, die jetzt intern weiter diskutiert werden. Sie dienen der Sicherheit der Bürger wie Mitarbeiter. Details dazu werden wir natürlich nicht veröffentlichen. Wir pflegen offene Rathäuser, und dabei soll es auch bleiben.“ Weiterbildungen, die Mitarbeiter zeigen, wie sie mit „Reichsbürgern“ umgehen, habe es bereits gegeben und werde es auch weiterhin geben.

Im Summer 2015 legte Dirk Wilking vom brandenburgischen Institut für Gemeinwesenberatung Demos, mit Kollegen das Buch „Reichsbürger. Ein Handbuch“ vor. Der Druck und die Szenarien in den Verwaltungen durch „Reichsbürger“, so Wilking nach den Erfahrungen des Mobilen Beratungsteams in Brandenburg, würden selten öffentlich, weil Straßenverkehrsbehörden, Bauämter oder Finanzämter in der Öffentlichkeit kein besonders gutes Image hätten. Dirk Wilking stellt sich hinter die Verwaltungen: Auch Verwaltungsmitarbeiter sind Mitbürger – sie haben denselben Anspruch auf körperliche und psychische Unversehrtheit wie jeder andere. Besonders für das Zusammenleben in den kleineren Kommunen findet es Wilking wichtig, die Vorfälle öffentlich mit Politikern und engagierten Bürgern zu diskutieren.

Quelle: Lausitzer Rundschau vom 03.01.2017

Dienstleistung

alles-auf-einen-klick.eu

Wir formulieren für Sie Briefe, Einsprüche, Widersprüche, Klagen nach Ihren Wünschen und stellen diese rechtsverbindlich zu.

Wir helfen Ihnen auch Bescheide von Gerichten und Behörden erfolgreich abzuwehren.

(Klick aufs Bild und es geht los)

Dieser Beitrag wurde unter Aktuell, Geschichte, Kultur, Nachrichten, Politik, Soziales, StaSeVe Aktuell, Völkerrecht, Wirtschaft, Wissenschaft abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
1 Kommentar
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
trackback

[…] „Cottbus   Dem Frust der „Reichsbürger“ ausgesetzt“ http://staseve.eu/?p=26527 […]

1
0
Would love your thoughts, please comment.x