Flüchtlinge in Deutschland – Schäuble betrügt Ostländer mit bösem Taschenspielertrick – Thüringen torpediert Asylpaket der Bundesregierung

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  • Daniel Delhaes

Datum:

  • 03.10.2015 08:48 Uhr

Den Ost-Bundesländern droht ein Milliardenverlust, weil sie beim Flüchtlingsgipfel schlecht verhandelt haben. Thüringen will das nicht hinnehmen. Ministerpräsident Ramelow will nun das komplette Asylpaket kippen.

„Aus meiner Sicht war es ein böser Taschenspielertrick des Bundesfinanzministers“, sagt der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke). Quelle: dpa

Bodo Ramelow.

„Aus meiner Sicht war es ein böser Taschenspielertrick des Bundesfinanzministers“, sagt der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke).

(Foto: dpa)

Berlin – Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) wirft Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, bei den Verhandlungen über das Asyl-Paket getrickst zu haben. Bei dem Treffen vor einer Woche war überraschend auch die Zukunft der Bundeszuschüsse für den Nahverkehr  mitentschieden worden. „Aus meiner Sicht war es ein böser Taschenspielertrick des Bundesfinanzministers“, sagte Ramelow dem Handelsblatt. „Faktisch wurde damit der Osten über den Tisch gezogen“, kritisierte er. „Denn die Höhe der Zusagen und die Verteilung führen dazu, dass es im Osten in den kommenden Jahren drastische Einschnitte beim Schienenverkehr geben wird.“

Ramelow kündigte an, dass Thüringen aus diesem Grund dem gesamten Flüchtlingspaket so im Bundesrat nicht zustimmen werde. „Damit steht zumindest aus Thüringer Sicht die Vertrauensgrundlage der gesamten Vereinbarung in Frage“, sagte er. Die ostdeutschen Länder fordert er auf, den Kompromiss ebenfalls abzulehnen. „Wir können keinesfalls einer drastischen Kürzung unserer Verkehrsfinanzierung zustimmen und dies auch noch den Flüchtlingen in die Schuhe schieben lassen“, sagte er. „Da muss jetzt der Osten geschlossen stehen und diesen Sachverhalt im Bundesrat und Vermittlungsausschuss nachhaltig verändern.“

Bund und Länder hatten sich beim Flüchtlingsgipfel darauf verständigt, dass der Bund in den kommenden 15 Jahren insgesamt zwölf Milliarden Euro mehr für den Nahverkehr bereitstellt. Aufgrund eines neuen Verteilungsschlüssels (Kieler Schlüssel) zahlen die ostdeutschen Länder allerdings vier Milliarden Euro drauf, während die westdeutschen Länder 16 Milliarden Euro mehr erhalten, mit denen sie Bus- und Bahnverbindungen in den kommenden 15 Jahren bestellen können.

Bei den Verhandlungen über Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise war überraschend der seit Jahren andauernde Streit zwischen Bund und Ländern gelöst worden, wie viel der Bund den Ländern für ihren Nahverkehr zahlt. Während der Bund bislang nicht mehr als 7,5 Milliarden zahlen wollte, pochten die Länder auf 8,5 Milliarden.  Sachsen und Sachsen-Anhalt etwa verlieren rund eine Milliarde Euro.  Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg werden 700 und Thüringen 600 Millionen Euro weniger haben, um Bus- und Bahnlinien zu finanzieren.  Sachsen-Anhalt muss damit sein Nahverkehrsangebot um ein Drittel kürzen, in Thüringen befürchtet der Fahrgastverband Pro Bahn „deutliche Einschnitte“, wie Landeschef Bernd Schlosser sagte.

Auch die Verkehrsminister im Osten sind alarmiert. Auf der am 8. Und 9. Oktober in Worms stattfindenden Verkehrsministerkonferenz haben sie das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt. Grundsätzlich begrüßte der Vorsitzende der Konferenz, der mecklenburgische Verkehrsminister Christian Pegel (SPD) den Kompromiss als „riesigen Schritt“. Allerdings bleibe der Kompromiss „hinter den unter den Verkehrsministern für notwendig erachteten Eckpunkten von 8,5 Milliarden Euro bei 2,0 Prozent Dynamisierung zurück“, sagte Pegel dem Handelsblatt.

Nur bei der Summe gelinge es, dass auch die ostdeutschen Länder von den steigenden Zuschüssen des Bundes profitierten. „Gerade dieses Zurückbleiben hinter den eingeforderten Eckpunkten wirkt sich bei verändertem Verteilungsmodus unter den Ländern, bei denen vor allem die ostdeutschen Länder künftig deutlich weniger vom Gesamtkuchen abbekommen als bisher, in der mittelfristigen Finanzplanung der ostdeutschen Bundesländer deutlich negativ aus“, warnte Pegel. Sein Land werde „genau bewerten müssen, welche Investitionsunterstützungen in Bahninfrastruktur, welche Ausgaben und Verkehrsbestellungen im Bahnbereich wir uns perspektivisch noch werden leisten können“.

Im Handelsblatt hatte bereits der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), Korrekturen an dem Verteilungsschlüssel eingefordert.  „Der interne Verteilungsschlüssel muss unter den Bundesländern jetzt noch einmal im Rahmen der Vermittlungsverhandlungen neu gerechnet werden“, sagte er dem Handelsblatt. „Bei dem Treffen mit dem Bund ging es erst einmal darum, das System der Regionalisierungsmittel über 2019 am Leben zu halten“, rechtfertigt er seine Zustimmung.

Zwar werden Bund und Länder die Details im Vermittlungsausschuss am 13. Oktober beraten. In einer Telefonkonferenz der Landesverkehrsminister wurde jedoch bereits deutlich: Die Westländer werden keiner Änderung am Schlüssel zustimmen. „Die Ostländer haben in den vergangenen 20 Jahren zu Recht einen Vorteil gehabt“, sagt Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD). „Jetzt kommen wir bis 2030 zu einem Normalzustand, der der Realität entspricht.“

Allerdings mahnt auch der Landkreistag Korrekturen an. Zwar berücksichtige der Verteilungsschlüssel die Bevölkerungsentwicklung, sagte Präsident Reinhard Sager dem Handelsblatt. „Allerdings ist auch zu beachten, dass sich die Kosten für einen bedarfsgerechten öffentlichen Personennahverkehr für eine abnehmende Bevölkerung nicht in gleichem Maße verringern wie die Einwohnerzahl. Ganz im Gegenteil steigen die Kosten pro Kopf.“ Daher seien die Länder in der Pflicht, das Geld fair zu verteilen. „Beim ÖPNV darf es keinen Rückzug aus der Fläche geben“, sagte Sager.

Quelle: Handelsblatt-online vom 03.10.2015 (Überschrift ergänzt -staseve-)

Portugiese 03.10.2015-1

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