Türkei: Bombenanschlag gegen Friedens-Demo der Kurden, mindestens 86 Tote

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Veröffentlicht: 10.10.15 15:43 Uhr

In Ankara haben Unbekannte einen Bombenanschlag gegen eine regierungskrititische Demo verübt, der von der kurdischen Opposition mitorganisiert wurde. Mindestens 86 Menschen starben.

Opfer des Bombenanschlags werden mit Fahnen der Kurden zugedeckt. Ankara, 10. Oktober 2015. (Foto: dpa)

Opfer des Bombenanschlags werden mit Fahnen der Kurden zugedeckt. Ankara, 10. Oktober 2015. (Foto: dpa)

Hürriyet zufolge zog er Vergleiche zu den Anschlägen in Diyarbakır und Suruç, die ebenfalls viele Tote gefordert hätten. Die HDP und andere regierungskritische Gruppen hatten zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen.

Sie ist nach eigener Einschätzung Ziel des Doppelanschlags auf eine Friedensdemonstration in der türkischen Hauptstadt Ankara gewesen. Die beiden Bomben seien am Samstag inmitten von HDP-Anhängern detoniert, teilte die Oppositionspartei mit.

Augenzeugen hätten berichtet, es habe sich um zwei Selbstmordattentäter gehandelt. Am Anschlagsort sei zur Zeit der Detonationen keine Polizei gewesen. Als Polizisten nach 15 Minuten eingetroffen seien, hätten die Sicherheitskräfte Tränengas gegen Menschen eingesetzt, die Verletzten helfen wollten. Die HDP war im Juni als erste pro-kurdische Partei ins Parlament eingezogen.

CHP-Chef Kemal Kılıçdaorğlu verurteilte die Anschläge ebenfalls scharf. Die Türkei, so der Oppositionspolitiker, verdiene so etwas nicht. Seine Partei sagte alle Veranstaltungen für diesen Samstag ab.

Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) hat den Bombenanschlag als Angriff auf die Demokratie in der Türkei bezeichnet. «Dieser brutale Terroranschlag auf friedliche Demonstranten ist zugleich auch ein Angriff auf den demokratischen Prozess in der Türkei, den ich auf das Schärfste verurteile. Den Tätern geht es offensichtlich darum, im Vorfeld der Wahlen ein Klima der Angst und Einschüchterung zu verbreiten und Hass und Zwietracht zu schüren. Das darf nicht gelingen», sagte er.

Alle Kräfte in der Türkei, die ein friedliches Zusammenleben und gesellschaftliche Aussöhnung wollten, seien aufgefordert, zusammenzustehen und einer weiteren Eskalation entgegenzuwirken. «Ich vertraue darauf, dass die in der türkischen Gesellschaft tief verwurzelten Kräfte der Demokratie auch diesen Angriff überstehen. Unsere Gedanken sind heute bei den Angehörigen der Opfer und bei den zahlreichen Verletzten», hieß es in einer Mitteilung weiter.

Auch Europarat-Generalsekretär Jagland verurteilte den Angriff in einer schriftlichen Erklärung: „Die Nachricht aus Ankara an diesem Morgen ist schockierend und verstörend. Das ist ein rücksichtsloser und barbarischer Angriff auf friedliche Demonstranten. Mein Beileid an alle, die Freunde und Lieben verloren haben. Die Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit sind Grundpfeiler der Demokratie.“

Die deutsche Politik zieht unterdessen unterschiedliche Schlussfolgerungen für die Flüchtlingspolitik und die diskutierte Einstufung der Türkei als sicheres Herkunftsland.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth machte am Samstag ein Klima des Hasses unter Präsident Recep Tayyip Erdogan für den Anschlag mit verantwortlich und sagte in Berlin: «Es kennzeichnet den ganzen Zynismus der europäischen Flüchtlingsabwehrpolitik, wenn
diese Türkei zum sicheren Herkunftsland definiert werden soll.»

CDU-Parteivize Thomas Strobl sieht dagegen keine Änderung bei der Beurteilung der Flüchtlingslage in der Türkei: «Der Anschlag ändert im Grunde genommen nichts. Wir müssen mit der Türkei sprechen und im günstigsten Fall kostet es viel Geld», sagte er in Ravensburg. Die EU verhandelt mit Ankara über eine verstärkte Begrenzung des Flüchtlingszuzugs in die EU und die Unterstützung des Landes bei der Unterbringung syrischer Flüchtlinge.

Das Grundgesetz definiert als sichere Herkunftsländer Staaten, «bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet». In diesen Ländern sei davon auszugehen, dass es keine politische Verfolgung gebe, solange ein Asylbewerber nicht gegenteilige Tatsachen anführe.

Laut Innenministerium war es um 10.04 Uhr (Ortszeit/09.04 MESZ) vor dem Hauptbahnhof in Ankara zu mindestens zwei Explosionen gekommen. Teilnehmer der Demonstration waren dazu aufgerufen gewesen, sich ab 10.00 Uhr am Bahnhof zu versammeln. Die Demonstration sollte um 12.00 Uhr beginnen. Die Nachrichtenagentur Anadolu meldete, es gebe erste unbestätigte Berichte, dass es sich um einen Selbstmordanschlag gehandelt haben könnte.

Anadolu berichtete, Präsident Recep Tayyip Erdogan sei mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu und anderen Kabinettsmitgliedern zu einem Krisentreffen zusammengekommen. Davutoglu kündigte an, den Wahlkampf für drei Tage auszusetzen.

Am Sonntag in drei Wochen sind in der Türkei Neuwahlen für das Parlament angesetzt. Mitte November ist in der Nähe der südtürkischen Stadt Antalya der G20-Gipfel geplant, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen soll.

Die Terrororganisation PKK hat ihre Kämpfer aufgerufen, alle Guerilla-Einsätze in der Türkei einzustellen. Ausnahme sei, wenn sie selbst angegriffen würden, hieß es am Samstag auf einer der Gruppe nahe stehenden Internetseite. Die Nachrichtenagentur Firat zitierte ein hochrangiges PKK-Mitglied mit der Aussage, die Kämpfer sollten alles vermeiden, was eine „faire und gerechte Wahl“ am 1. November verhindern würde. Damit folge die Gruppe Aufrufen im In- und Ausland. Die Erklärung wurde wenige Stunden nach dem schweren Anschlag in Ankara veröffentlicht. Die von den USA und der Europäischen Union als Terrorgruppe eingestufte PKK hatte vor drei Monaten eine Waffenruhe aufgekündigt.
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Für den Abend wurde über Twitter zu Demonstrationen in mehreren türkischen Städten aufgerufen.
Am Tator anwesende Demonstranten fordern ein Ende der Gewalt. (Foto: dpa)

Am Tator anwesende Demonstranten fordern ein Ende der Gewalt. (Foto: dpa)
Am Unglücksort in Ankara herrscht Verzweiflung. (Foto: dpa)

Am Unglücksort in Ankara herrscht Verzweiflung. (Foto: dpa)

Die Opfer des Anschlags wurden mit Flaggen bedeckt. (Foto: dpa)
Die Opfer des Anschlags wurden mit Flaggen bedeckt. (Foto: dpa)

Teilnehmer der Demonstration waren dazu aufgerufen gewesen, sich ab 10.00 Uhr am Bahnhof zu versammeln. (Foto: dpa)
 Teilnehmer der Demonstration waren dazu aufgerufen gewesen, sich ab 10.00 Uhr am Bahnhof zu versammeln. (Foto: dpa)

Rettungskräfte und Polizei am Einsatzort in Ankara. (Foto: dpa)

Quelle: Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 10.10.2015

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