Beunruhigende Entwicklung in Lokalpolitik – Morddrohungen an Politiker nehmen zu: Bis zum Rücktritt gedrängt

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Donnerstag, 15.10.2015, 06:49


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dpa/Matthias Balk Linke und Grüne warnen vor Rechts.

Bürgermeister zu sein ist in Zeiten der Flüchtlingskrise kein sicherer Beruf mehr. Viele Lokalpolitiker, die einen klaren Kurs für die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrem Bezirk fahren, werden von Bürgern aus dem rechten Lager bedroht und verängstigt. FOCUS Online stellt Ihnen fünf Fälle vor.
    • Tröglitz, März 2015: Bürgermeister Markus Nierth tritt zurück, weil er sich von der NPD bedroht fühlt.
    • Magdeburg, März 2015: Oberbürgermeister Lutz Trümper erhält im Wahlkampf mehrfache Morddrohungen, da er sich gegen rechtsgerichtete Demonstrationen einsetzt.
    • Hessen, September 2015: Landrat Erich Pipa erhielt Morddrohungen nachdem er sich für ein Flüchtlingsheim im Main-Kinzig-Kreis stark machte.
    • Nieheim, September 2015: Bürgermeister Rainer Vidal kündigt Mietern, um Wohnungen zu Flüchtlingsunterkünften zu machen und erhält Morddrohungen
    • Reutlingen, Oktober 2015: Bezirksbürgermeister Ralph Schönenborn reicht nach Morddrohung seinen sofortigen Rücktritt ein. Er wollte knapp 80 Flüchtlinge in seinen Bezirk holen.


Ein beunruhigender Trend zeichnet sich hier ab: Vier Bürgermeister und ein Landrat sehen sich wegen ihrer Flüchtlingspolitik mit ernstzunehmenden Morddrohungen konfrontiert.

Ein beunruhigender Trend in Deutschlands Lokalpolitik

Fünf Bürgermeister erhalten wegen ihrem Kurs in der Flüchtlingsdebatte ernstzunehmende Morddrohungen aus dem fremdenfeindlichen Lager, zwei von ihnen sind sogar wegen der Drohungen zurück getreten. Je mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen, desto kritischer wird die Unterbringungssituation. In immer mehr Gemeinden werden Erstaufnahmelager und Anschlussunterkünfte eingerichtet – nicht ohne lautstarken Protest der Bürger und fremdenfeindlicher Gruppierungen.

Doch es bleibt nicht beim Protest. Seit Anfang des Jahres spitzt sich die Situation zu, denn immer wieder werden Bürgermeister und Landräte zur Zielscheibe frustrierter Bürger.

Bürgermeister tritt nach Morddrohungen zurück

Einer von ihnen ist Ralph Schönenborn, der am Dienstag seinen Rücktritt als Bezirksbürgermeister in Reutlingen einreichte. Seit Wochen diskutiert der Bezirk Oferdingen um eine Anschlussunterbringung für 76 Flüchtlinge. Weil er sich für die Unterkunft einsetzte, erhielt er mehrfach telefonische und schriftlich Morddrohungen. Zusätzlicher Druck aus dem Bezirksgemeinderat brachte Schönenborn jetzt dazu sein Amt endgültig niederzulegen. „Herr Schönenborn hatte keine Wahl, Oferdingen und die ganze Stadt Reutlingen muss Unterkünfte für Flüchtlinge bereit stellen“, sagt Pressesprecher Wolfgang Löffler gegenüber FOCUS Online. Die Stadt ist zu der Bereitstellung verpflichtet.


„Mit den Nerven fertig“

Schönenborn will sich zu seinem Rücktritt nicht äußern. „Er ist mit den Nerven fertig und möchte nicht reden“, heißt es aus dem Pressebüro der Stadt. Die anonymen Drohungen gegen ihn und seine Frau hätten ihn zu diesem Schritt veranlasst, so sein Statement in der offiziellen Rücktrittserklärung.

Keine „braunen Horden“ in Reutlingen

Der Fall sei nicht mit dem Rücktritt des Bürgermeisters Markus Nierth aus Tröglitz im März vergleichbar, sagt Pressesprecher Löffler weiter zu FOCUS Online. „Wir haben hier keine braunen Horden, das ist ein großer Unterschied. Der Rücktritt ist die Reaktion nach anonymen Drohungen, die das Werk von Kriminellen sind, und dem politisch nicht unbedenklichen Gegenwind für Herrn Schönenborn im Bezirksgemeinderat.“


Ein beunruhigender Trend in Deutschlands Lokalpolitik

Im März war Markus Nierth von seinem Amt als Bürgermeister in Tröglitz zurück getreten, da er mehrere Drohungen aus dem rechten Lager erhielt. Aus Angst vor einer angekündigten NPD-Demo, die als Signal vor seinem Haus enden sollte, hatte Nierth sich für den Rücktritt entschieden. Er hatte sich für die Aufnahme von 40 Asylbewerbern im 2700-Seelendorf eingesetzt, was auf heftigen Protest der rechtspopulistischen NPD gestoßen war.


Nicht alle treten zurück

Auch ein Landrat aus Hessen und ein Bürgermeister in Nieheim wurden im vergangenen Monat mit Morddrohungen eingeschüchtert. In beiden Fällen ging es um die Unterbringung von Flüchtlingen. Ein Facebook-Nutzer drohte Oberbürgermeister Lutz Trümper mitten im Wahlkampf im sozialen Netzwerk offen mit dem Tod. Dort schrieb er: „ Ein Baum, ein Strick, Trümper“. Der Oberbürgermeister gewann die Wiederwahl.

Auch Rainer Vidal aus Nieheim blieb trotz Morddrohungen und Hassanrufen im Amt. Weil die Stadt Mietern ihre Wohnungen kündigte um dort Flüchtlinge unterzubringen, geriet er ins Schussfeld. Über die Drohungen möchte Vidal nicht öffentlich sprechen, sagte er gegenüber FOCUS Online. Das Erlebte sei zu belastend für ihn.

Quelle: Focus-online vom 15.10.2015

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