Fakten zu Abschiebungen – So viel Geld bekommen Asylbewerber, wenn sie gehen

22.10.15

Die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland soll zunehmen. Derzeit gehen die meisten abgelehnten Asylbewerber freiwillig. Sie bekommen dafür Geld – und dürfen wiederkommen.

Von Andreas Maisch, Thomas Sebastian Vitzthum

 September 2015: Asylbewerber in Bamberg (Bayern) in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber ohne Bleibeperspektive

Foto: picture alliance / dpa September 2015: Asylbewerber in Bamberg (Bayern) in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber ohne Bleibeperspektive


Wie viele Menschen könnten abgeschoben oder zur freiwilligen Ausreise bewegt werden?

Laut Bundesregierung gibt es aktuell rund 200.000 Personen, die wieder aus Deutschland ausreisen müssen. Diese Zahl wurde bei einer Schaltkonferenz mit den Staatskanzleichefs der Länder am Dienstag kommuniziert. Darunter sind 130.000 Geduldete und 70.000 noch nicht registrierte Personen, die aufgrund ihrer Herkunft damit rechnen müssen, abgelehnt zu werden und das Land verlassen zu müssen. Die Bundesregierung hält es im Prinzip für denkbar, dieses Jahr noch 100.000 Personen auszuweisen. Vonseiten der Länder wird diese Zahl aber als viel zu ambitioniert angesehen. Sie sind bisher für die Abschiebungen zuständig.

Der Bund überlegt jedoch, Transportkapazitäten wie Bundeswehrmaschinen zur Verfügung zu stellen und bestehende Gesetze und Richtlinien zu ändern. So sollen die Termine für die Abschiebung nicht mehr genannt werden, damit die Betroffenen sich nicht krank melden oder abtauchen. Auch die Bundespolizei soll eingesetzt werden.

Vonseiten der Länder werden diese Ideen durchaus begrüßt. „Wir brauchen die Unterstützung des Bundes. Das ist uns alles willkommen. Der Bund muss sich bei der Abschiebung stärker engagieren, etwa mit der Bundespolizei und Logistik“, sagte ein Sprecher des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt der „Welt“.


Wie viele Menschen werden abgeschoben?

In Deutschland wurden zwischen Januar und August laut Bundesinnenministerium 11.522 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben. Die meisten Abschiebungen gab es in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Thüringen ist laut Bundesinnenministerium das Flächenland mit den wenigsten Abschiebungen.

DWO_IP_Abschiebungen_2015_db__Aufm Kopie.jpg

Wie viele Menschen verlassen Deutschland ohne Abschiebung?

Vonseiten der Politik wird häufig die Zahl der freiwilligen Ausreisen und die der Abschiebungen vermischt, vertauscht oder bewusst gemeinsam ausgewiesen. So lässt sich die Bilanz aufhübschen. Denn die Zahl der Flüchtlinge, die Deutschland freiwillig verlassen, übertrifft die Zahl der Abschiebungen deutlich.


Nach Informationen der „Welt“ haben zwischen Januar und September allein rund 22.400 Flüchtlinge das Rückkehrförderprogramm REAG/GARP genutzt. Die Programme bewilligen die Übernahme der Reisekosten und unterstützen Rückkehrer aus bestimmten Herkunftsstaaten mit einer finanziellen Starthilfe. Im Durchschnitt kostet eine Ausreise mit dem Programm rund 420 Euro pro Person. Wer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Ablehnungsbescheid erhalten hat, dem bleibt in der Regel eine Frist von einer Woche, um sich zu einer freiwilligen Ausreise zu entscheiden.

Das Programm wird vom Bund, den Ländern und der EU finanziert. Unter den häufigsten Zielländern der freiwilligen Rückkehrer sind das Kosovo, Serbien, Mazedonien, Albanien sowie Bosnien und Herzegowina.

Andere Asylsuchende reisen aus, ohne dafür ein Programm zu nutzen. „Wenn Menschen unabhängig von dem Programm ausreisen, tun sie dies oftmals, ohne sich behördlich zu melden“, sagte eine Sprecherin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Da es kein Ausreiseregister gibt, kann das Bundesinnenministerium keine zuverlässige Angabe zur Gesamtzahl der freiwilligen Ausreisen machen.


Wie sieht das Verhältnis in einzelnen Bundesländern aus?

Stichproben aus den Ländern zeigen, dass die freiwilligen Ausreisen die Abschiebungen teilweise um das Vierfache übertreffen. So hat Thüringen nach Informationen der „Welt“ zwischen 1. Januar und 20. Oktober 2015 genau 177 Personen abgeschoben. Demgegenüber haben 862 Menschen eine freiwillige Ausreise beantragt. Bayern verzeichnete im gleichen Zeitraum knapp unter 3000 Abschiebungen und circa 9000 freiwillige Ausreisen.

„Bei den freiwilligen Ausreisen verzeichnen wir eine stark steigende Tendenz“, sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums. Die meisten Menschen kommen vom Balkan. Sachsen-Anhalt konnte bis 30. September rund 1300 Personen zur freiwilligen Ausreise bewegen, abgeschoben wurden 700. Hessen hat im gleichen Zeitraum 1631 Asylbewerber abgeschoben. Freiwillig gingen 3210. Schleswig-Holstein verzeichnete bis Ende September 358 Abschiebungen und 565 freiwillige Ausreisen.


Gibt es weitere Rückkehrprogramme?

Nicht nur Länder und der Bund fördern die freiwillige Rückkehr, auch Kommunen zahlen angesichts der großen Probleme, alle Flüchtlinge unterzubringen, Rückkehrprämien. So bietet der Landkreis Lörrach regelmäßig Flüchtlingen vom Balkan Geld, wenn sie in ihr Heimatland zurückkehren. Aktuell sind dies etwa 300 Euro pro Erwachsenen. Der Landkreis begründet dies damit, dass viele der Rückkehrer für ihre Reise nach Deutschland „in ihrer Heimat alles aufgegeben“ haben. Mit dem Geld werde es den Menschen erleichtert, in ihrer Heimat wieder Fuß zu fassen.

Auch der Ortenaukreis unterstützt Flüchtlinge bei ihren Rückkehrplänen. „Wir versuchen, ihnen die Rückkehr schmackhaft zu machen“, sagt der zuständige Dezernent Michael Loritz. Dafür bespreche man mit den Flüchtlingen mögliche Hindernisse und versuche, diese gemeinsam zu lösen. Bargeld werde jedoch nicht gezahlt.

Den Flüchtlingen vom Balkan, die sehr schlechte Anerkennungschancen haben, sei ihre Situation klar. „Kein Mensch, der aus Albanien oder Mazedonien nach Deutschland kommt, hat mit Asyl gerechnet“, sagt Loritz.

 

Besatzungsrecht-Amazon

Wie hoch ist die finanzielle Unterstützung?

Je nach Herkunftsland gibt es beim Rückkehrförderprogramm REAG/GARP verschiedene Pakete. In jedem Fall werden die Reisekosten, etwa per Flugzeug, Bahn oder Bus, übernommen. Für die meisten Zielländer kommen Reisebeihilfen in Höhe von 200 Euro pro Erwachsenen hinzu. Staatsangehörige von visumfreien Ländern sind von diesen Reisebeihilfen jedoch ausgenommen. Dies gilt insbesondere für Flüchtlinge aus den Westbalkan-Staaten (Link: http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Foerderprogramme/ProgrammeREAGGARP/reag-garp-programm.pdf?__blob=publicationFile) .

Die finanziellen Starthilfen richten sich ebenfalls nach dem Zielland. Staatsangehörige Ägyptens und Eritreas erhalten beispielsweise eine Förderung in Höhe von 300 Euro je Erwachsenen oder Jugendlichen. Für Kinder gibt es je 150 Euro. Insgesamt kann jede Familie bei REAG/GARP aber höchstens 900 Euro erhalten. Anders ist es bei Afghanen und Irakern: Sie können pro Erwachsenen 750 Euro Starthilfe erhalten, aber höchstens 2250 Euro pro Familie.


Warum entscheiden sich die Menschen zur freiwilligen Ausreise?

Abgelehnten Asylbewerbern wird eine Frist gesetzt, das Land wieder zu verlassen. Lassen sie es darauf ankommen und sich abschieben, dann werden sie in der Regel mit einer Wiedereinreisesperre belegt. Wer freiwillig ausreist, der wird dagegen nicht daran gehindert, noch einmal nach Deutschland zu kommen. Wer etwa einen Arbeitsvertrag erhält und wenn die Bundesagentur für Arbeit zustimmt, dass kein deutscher Arbeitnehmer für die Tätigkeit zur Verfügung steht, kann problemlos wieder einreisen.

In einem Video (Link: http://www.welt.de/144957109) drohte das Bundesinnenministerium außerdem, die hohen Kosten einer Abschiebung von meist vielen Tausend Euro würden den Abgeschobenen in Rechnung gestellt und könnten „noch nach vielen Jahren eingefordert werden“. Diese Kosten fallen in dem Moment an, da einmal abgeschobene Bewerber wieder einreisen wollen. Zudem vermeiden Asylbewerber bei einer freiwilligen Ausreise die psychische Belastung einer erzwungenen Abschiebung.

Ist eine freiwillige Rückkehr oder eine Abschiebung günstiger?

Freiwillige Ausreisen sind für den Steuerzahler wesentlich günstiger, weil zum Beispiel keine Begleitung durch Polizisten benötigt wird.


Wie ist die Situation in anderen EU-Staaten?

Auch andere EU-Mitgliedsländer setzen auf freiwillige Ausreisen. So nutzten nach Informationen der „Welt“ in Griechenland bis Ende August 3081 Menschen ein Rückkehrförderprogramm der Internationalen Organisation für Migration. In Österreich waren es 2152 Personen.

auxmoney.com - Geldanlage die ich verstehe

Quelle: Welt-online vom 22.10.2015

Dieser Beitrag wurde unter Aktuell, Geschichte, Kultur, Nachrichten, Politik, Soziales, StaSeVe Aktuell, Völkerrecht, Wirtschaft, Wissenschaft abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
3 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Ulrike
Ulrike
8 Jahre zuvor

Jetzt werden die auch noch belohnt wenn sie in ihr Heimatland zurückkehren. Ich fass es nicht. Der deutsche Michel wird immer blöder.