Lateinamerika – Hyperinflation in Venezuela – Anwerfen der Notenpresse ist Folge, nicht Ursache

Hyperinflation in Venezuela – Anwerfen der Notenpresse ist Folge, nicht Ursache

Gab es auch in Deutschland – Hyperinflation. Eine Reichsbanknote über 50 Millionen Reichsmark aus dem Jahr 1923.

In Venezuela galoppiert die Inflation zur #Hyperinflation. Für die meisten Experten und Politiker ist die Sache klar: Schuld ist das Anwerfen der Notenpresse durch die regierenden Sozialisten. Doch die tatsächlichen Ursachen sind komplexer und liegen woanders.

Der potenziell „reiche Ölstaat“ Venezuela leidet gegenwärtig an einer Hyperinflation, die das Land und seine Bevölkerung vor enorme wirtschaftliche und soziale Probleme stellt. Als Hyperinflation wird eine Situation bezeichnet, in der die Preise in übertriebener und unkontrollierter Weise um mehr als 50 Prozent pro Monat steigen. Im November 2017 betrug die monatliche Preissteigerungsrate 56,7 Prozent. Und seitdem befindet sich das Land im Prozess der Hyperinflation. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte sie im August 2018 mit einer monatlichen Preissteigerung von 223,1 Prozent – so zitiert Wikipedia einschlägige Wirtschaftsdaten und liefert die Begründung für die Hyperinflation in Venezuela sogleich mit:

Die Hauptauslöser der Hyperinflation in Venezuela sind die Interventionen der venezolanischen Regierung in die #Geldpolitik und der Zentralbank von Venezuela (BCV), vor allem durch die Injektion von anorganischem Geld in die Wirtschaft. Darüber hinaus wird das Haushaltsdefizit der Republik von der BCV finanziert, was zu einem Prozess der so genannten Defizitmonetarisierung führt. Andererseits hat die Regierung aufgrund der Wirtschaftskrise, die das Land seit 2013 heimgesucht hat, die Importe drastisch reduziert, was zu einem Rückgang des Warenangebots geführt hat. Schließlich hat die seit 2003 geltende Devisenkontrolle zu einem Mangel an Devisen in der Wirtschaft und zur Entstehung eines Parallelmarktes geführt, der weit über der offiziellen Referenz, dem Markt, der zur Festsetzung der Preise für Produkte und Dienstleistungen verwendet wird, notiert ist.

Kunstdrucke und Poster
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Vor allem anderen wird hier die „lockere“ Geldpolitik der venezolanischen Regierung als Hauptauslöser für die Hyperinflation genannt. Als Quelle für diese Begründung führt Wikipedia einen Artikel an, der auf dem venezolanischen Internetportal Prodavinci erschienen ist. Die Informationen, die das Portal selbst zu seinen Hintergründen liefert, sind äußerst spärlich. Dennoch existiert zu diesem ein eigener Eintrag sowohl auf der spanischen als auch der englischen Wikipedia, in dem es jeweils übereinstimmend heißt:

Prodavinci ist eine venezolanische Nachrichtenseite, die Analysen von Historikern, Wissenschaftlern und Wissenschaftlern anbietet. Foreign Policy nennt Prodavinci ‚eine zentrale Anlaufstelle für die spanischsprachige Analyse der venezolanischen Realität‘, während das Wall Street Journal die Website als Quelle für ‚ernsthafte politische Analyse‘ bezeichnet.

Gegründet wurde diese „Nachrichtenseite“ dem Online-Lexikon zufolge 2009 von einem venezolanischen Ökonomen und Absolventen der Universität von Chicago, dem Sitz der Chicagoer Schule der Ökonomie, weltweit berühmt bzw. berüchtigt für ihren Ruf als Hort der Lehre der „Neoklassik“ und der „freien Märkte“, die – ebenfalls laut Wikipedia – wie „kaum eine zweite das ökonomische Denken in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt [hat]“.

Der Beitrag mit dem Titel „Hyperinflation in Venezuela: Ursachen und Lösungen“ (Hiperinflación en Venezuela: causas y soluciones) schreibt dann auch tatsächlich zu den Ursachen für eine Inflation im Allgemeinen:

Die Inflation entsteht, wenn die Zentralbank schneller Geld schafft, als die Produktion von Waren und Dienstleistungen wächst. Wenn die öffentlichen Einnahmen geringer sind als die Ausgaben, zwingen die Regierungen die Zentralbanken, Geld auszugeben, um Ausgaben zu bezahlen, die der Staat nicht mit seinen Einnahmen oder der Ausgabe von Schulden decken kann. Dieser Prozess wird als Monetarisierung des Haushaltsdefizits bezeichnet und ist eine der Hauptursachen für inflationäre Phänomene. Das Ungleichgewicht zwischen dem Produktionsniveau und dem Geldbetrag in der Wirtschaft kann einen solchen Anteil erreichen, dass es hyperinflationäre Prozesse auslöst.

Und im besonderen Fall Venezuelas zählt der Artikel von Prodavinci die Schritte der Entwicklung zur Hyperinflation in dieser Reihenfolge auf:

  1. Erhöhung der Geldmenge durch die Zentralbank seit September 2016
  2. Defizit in der Staatskasse speziell infolge des Beginns der Rezession 2014
  3. Einbruch des Imports und Angebots durch den Rückgang der Einnahmen aus dem Ölexport nach dem Fall des Ölpreises 2014
  4. Kontrolle des Wechselkurses zwischen der heimischen Währung Bolivar und dem US-Dollar durch die Regierung und die Zunahme des parallelen Schwarzmarkts für US-Dollar ab 2015

Beides, sowohl die Darstellung der Ursachen für Inflation im Allgemeinen als auch die Reihenfolge der Aufzählung der Schritte zur Hyperinflation in Venezuela im Besonderen, suggeriert eine Kausalität dergestalt, als stünde das Anwerfen der Notenpresse an erster Stelle der Ursachen und wäre dies dementsprechend die Hauptursache für eine inflationäre oder gar hyperinflationäre Entwicklung. Dass an dieser Darstellung Zweifel angebracht sind, fällt allerdings durch die Zeitangaben zum Prozess der Hyperinflation in Venezuela unmittelbar ins Auge. Denn die zeitliche Abfolge der aufgezählten Ereignisse widerspricht ganz offensichtlich der Reihenfolge der Aufzählung und der dadurch suggerierten Kausalität. So erfolgt die als Hauptursache vor allen anderen Ereignissen genannte Erhöhung der Geldmenge zeitlich nach all diesen anderen Ereignissen. Das Anwerfen der Notenpresse steht also in dieser Aufzählung in Wahrheit nicht an erster, sondern an letzter Stelle der Entwicklung.

Die „herrschende Meinung“ – und einige differenziertere Stimmen

Die zuvor zitierte maßgebliche Prägung des ökonomischen Denkens durch die Chicagoer Schule scheint sich also auch hier zu bestätigen. Denn diese Darstellung der Ursachen für inflationäre Entwicklungen ist die in den Medien gängige. So ist etwa für die Süddeutsche Zeitung „klar, wo die Ursachen der Hyperinflation in Venezuela liegen“, in dem sie sich dabei ausdrücklich auf den wohl berühmtesten aller „Chicago Boys“, Milton Friedman, beruft:

‚Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen‘, postulierte der Nobelpreisträger Milton Friedman einst. Will sagen: Inflation entsteht, wenn Notenbanken oder Regierungen zu viel Geld in Umlauf bringen.

Das Handelsblatt sieht die Sache nicht anders, und auch die taz schreibt salopp und oberlehrerhaft:

Dass die Ausweitung der Geldmenge bei gleichzeitiger Verknappung des Angebots zu Inflation führt, ­lernen Wirtschaftsstudierende schon im Grundstudium. Maduro scheint das nicht einleuchten zu wollen.

Differenziertere Stimmen finden sich etwa in ausländischen Medien. So zitiert BBC einen Finanzexperten, der auf eine tieferliegende Ursache hinweist:

Man muss die Ursache des Problems ansehen. Es gibt diese inhärente Instabilität, weil die Ölförderung eingebrochen ist.

Und auf Bloomberg ist ausdrücklich zu lesen, dass die Sache wohl doch nicht so simpel ist, wie sie für viele zu sein scheint:

Für viele scheint es offensichtlich, dass das Gelddrucken der Zentralbanken die Ursache für die Hyperinflation ist. Aber selbst wenn dies geschieht, wäre es falsch, automatisch davon auszugehen, dass das Erste das Zweite verursacht. Die Zentralbanken können einfach dem Wunsch der Öffentlichkeit nach mehr Geld zum Ausgeben entgegenkommen, da die Preise in einem verzweifelten (aber meist zum Scheitern verurteilten) Versuch, die Wirtschaft vom Einbrechen bis zum völligen Stillstand abzuhalten, nach oben schießen. Was auch immer die Hyperinflation auslöst, könnte wenig mit den Handlungen der Währungsautoritäten zu tun haben.

Komplexe Fragen erfordern komplexe Antworten – historische Fälle

Genau an diesem Punkt setzt der spanische Ökonom Eduardo Garzón an, der jüngst die aktuelle Hyperinflation und ihre Ursachen in Venezuela etwas genauer analysiert hat (Teil 1 der Analyse findet sich hier, Teil 2 hier). Auch Garzón kritisiert einleitend die immer wiederkehrende und vermeintlich offensichtliche Begründung, wonach massenhaftes Gelddrucken die Ursache für Inflation sei. Diese Darstellung sei zwar intuitiv und entsprechend weit verbreitet, bis hinein in akademische Kreise. Doch Korrelation und Kausalität sind zweierlei. Zwischen zwei gleichzeitigen Phänomenen muss daher nicht zwangsläufig eine direkte kausale Verbindung bestehen.

Es hat nicht einen einzigen Fall von Hyperinflation in der Welt gegeben, der von einer Regierung verursacht wurde, die so verrückt wurde, massenhaft Geld zu drucken.

So lautet das Fazit Garzóns. Dabei beruft er sich insbesondere auf eine 2012 veröffentlichte Studie des Cato Instituts, das gewiss nicht im Verdacht steht, „links“ zu sein. Zu den dort untersuchten und aufgelisteten 56 Fällen von Hyperinflationen in der Geschichte schreiben die Autoren:

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Hyperinflation ist eine wirtschaftliche Krankheit, die unter extremen Bedingungen auftritt: Krieg, politisches Missmanagement und der Übergang von der Kommando- zur Marktwirtschaft – um nur einige zu nennen.

Von einem „klaren Fall“ eines „immer und überall monetären Phänomens“ ist hier also gerade nicht die Rede. Das Missverhältnis zwischen der Menge der Produktion und der Menge des Geldes rührt nicht daher, dass die Menge des Geldes als erstes anwächst, so Garzón:

In Wirklichkeit waren all diese Fälle auf einen Angebotsschock zurückzuführen, der zu einem unerwünschten Produktionsrückgang führte, der dann dazu führte, dass die Geldmenge im Vergleich zur Menge der produzierten Waren und Dienstleistungen exzessiv wurde, was die Preise in die Höhe trieb (denn die Verkäufer nutzen die Tatsache, dass sie die Preise für die geringe Menge des Produzierten erhöhen können). Aber der Schlüssel liegt darin, zu verstehen, dass dieser Unterschied zwischen Produktion und Geld immer auf einen Rückgang der Produktion und nicht auf eine Erhöhung des Geldbetrages zurückzuführen war.

Die kausale und zeitliche Reihenfolge ist demnach die folgende: Einem abruptem Einbruch der Produktion folgt ein Anstieg der Preise und diesem dann ein Anstieg der umlaufenden Geldmenge. Der Grund für den Anstieg der umlaufenden Geldmenge ist laut Garzón entsprechend banal: Bei ins Uferlose wachsenden Preisen wird schlicht und einfach viel mehr Geld benötigt. Die Zentralbank müsse entsprechend mehr Geld „drucken“ bzw. erschaffen, um die laufenden und sich drastisch erhöhenden Kosten zu decken und um den Geldinstituten Liquidität bereitzustellen, für Konto-Abhebungen sowie für Geschäftskredite (schließlich steigen die Preise für die Einkäufe der Firmen). Die Ausweitung der umlaufenden Geldmenge liegt kausal und zeitlich nach dem Ausbruch des inflationären Prozesses, auch wenn sie im Weiteren dann – neben vielen anderen Faktoren – diesen Prozess wie in einem Teufelskreis verschärft.

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Das reine „Drucken“ bzw. Schaffen von frischem Geld löst nicht zwangsläufig eine Inflation aus. Die Situation seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 illustriert genau dies deutlich. Denn seither sind von den Zentralbanken (insbesondere der FED und der EZB) gewaltige Beträge ins Finanzsystem gepumpt worden, ohne dass es zu einer Inflation gekommen ist. Im Gegenteil, die Eurozone zeigt seit Jahren deflationäre Tendenzen mit „Nullzinsen“.

Garzón nennt einige historische Beispiele für Hyperinflationen und deren jeweilige Ursache darin, dass es zu einem Einbruch der Produktion kam: Die Inflation in Deutschland 1922 wurde dadurch ausgelöst, dass maßgebliche Teile der Industrieproduktion infolge des Ersten Weltkrieges zerstört oder an Frankreich abgetreten wurden (Elsass-Lothringen). Inflationen aufgrund von Verwüstungen durch Kriege gab es auch in Ungarn, Griechenland, Taiwan und China. Produktionseinbrüche und nachfolgende Inflationen können auch dadurch ausgelöst werden, dass die Einnahmen aus Exporten (etwa von Rohstoffen) sinken, sodass im Gegenzug entsprechend weniger an benötigten Produkten importiert werden kann. Beispiele hierfür sind die inflationären Prozesse in Peru, Bolivien, Brasilien und Argentinien während der 1980er Jahre. Hinzu kam in diesen Fällen dann noch die politische Instabilität durch die seinerzeitigen Militärputsche und die brutalen „Reform-“ bzw. Kürzungsprogramme, die der Internationale Währungsfond diesen Ländern auferlegte, wodurch die Nachfrage und dann die Produktion entsprechend einbrachen. Weitere Beispiele für Angebotsschocks durch die Schwächung der Industrieproduktion mit nachfolgenden Inflationen finden sich in den 1990er Jahren in Serbien durch den Zerfall Jugoslawiens und in Russland durch die Auflösung der Sowjetunion und die anschließende Systemtransformation vom Sozialismus zum Kapitalismus.

Der Fall Venezuela

Was also hat in Venezuela zur Hyperinflation geführt? Was hat den Angebotsschock und dadurch den inflationären Prozess ausgelöst? Danach fragt Garzón im zweiten Teil seiner Analyse und schickt vorweg, dass komplexe Fragen entsprechend komplexe Antworten erfordern:

Um den Prozess der galoppierenden Inflation in Venezuela richtig zu verstehen, muss man verstehen, wie die venezolanische Wirtschaft funktioniert, was ihre Produktionsstruktur ist, wie sie sich in den Weltmarkt einfügt, wie sie politisch, institutionell und sozial organisiert ist, wie ihr Währungs- und Finanzsystem aussieht usw. Ohne all dies zu verstehen, ist es unmöglich, eine angemessene und realistische Antwort zu geben. Deshalb sollten wir uns vor denen hüten, die die venezolanische Wirtschaft wie jede andere analysieren oder gar dafür Vergleiche mit den entwickelten europäischen Volkswirtschaften heranziehen.

Als erstes stellt Garzón heraus, dass die Inflationsraten in Venezuela schon immer vergleichsweise hoch waren. Insbesondere in den 1980er Jahren seien die Inflationsraten höher gewesen als in all den Jahren der bolivarischen Regierung bis 2017. Es handle sich also nicht um eine neue Entwicklung, ausgelöst durch jüngste Ereignisse. Das Ganze liege tiefer begründet: in den großen Oligopolen und ihrer Marktmacht in bestimmten Wirtschaftssektoren, im Unvermögen des Staates, die Konkurrenz zwischen den Unternehmen zu regulieren und zu kontrollieren, in Korruption und Kriminalität, im Ungleichgewicht der Verhandlungsmacht in den Betrieben zwischen der Arbeiterschaft und der Unternehmerschaft etc. All dies erkläre zu einem großen Teil, dass die Inflation in Venezuela traditionell hoch und schwankend gewesen ist.

Zweitens verweist Garzón darauf, dass das bolivarische Regierungsprojekt – begründet von Chávez und fortgeführt von Maduro – schon immer eine Bedrohung für die Privilegien der heimischen Elite dargestellt hat. Für diese Eliten seien die Verstaatlichung und die Kontrolle maßgeblicher und strategischer Bereiche der Wirtschaft (speziell der Erdölindustrie) sowie die breitere Verteilung des nationalen Reichtums ein direkter Angriff auf deren Macht und Reichtum. Versuche, die Regierung zu stürzen und diese Privilegien zurückzuerobern, habe es genug gegeben: etwa den gescheiterten Putsch 2002, die Blockade der Ölförderung zwischen 2002 und 2003, die jüngsten bewaffneten Proteste, die vorsätzliche Verknappung gewisser Produkte just zu Wahlkampfzeiten sowie das schlechte Bild von Venezuela als einer „Diktatur“ etc., das die Medienmächtigen im In- und Ausland verbreiten (obwohl sogar die Vereinten Nationen regelmäßig die Einhaltung internationaler Standards bei den Wahlen bestätigen). Eine bekannte Strategie, welche die Eliten gegenüber Chile und Nicaragua in den 1970er bzw. 1980er Jahren in ähnlicher Weise angewendet hätten.

Drittens sei die Produktionsstruktur Venezuelas eine andere als die entwickelter Volkswirtschaften. Es existiere keine diversifizierte Wirtschafts- und Produktionsstruktur, weshalb rund die Hälfte der benötigten Güter importiert werden müsse. Allein der Ölsektor dominiere die Wirtschaft Venezuelas und sorge für 95 Prozent der Deviseneinnahmen (US-Dollar) des Landes. Es handle sich um eine Wirtschaft, die daher vollkommen abhängig von einem einzigen Rohstoffsektor und dessen Unsicherheiten sei (und damit anfällig für die Holländische Krankheit). Dementsprechend führte der Einbruch des Ölpreises 2014 zu einem Einbruch der Deviseneinnahmen und damit zu einem Einbruch der Importe, sodass die benötigten Güter auf dem Binnenmarkt immer knapper und teurer wurden.

Schließlich kontrolliere die venezolanische Regierung die Preise vieler lebensnotwendiger Produkte, um die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Dies provoziere das Entstehen entsprechender Schwarzmärkte. Seit der Einführung von Devisenkontrollen 2003 – als Maßnahme gegen die zunehmende Kapitalflucht – entstand und wuchs zudem ein Schwarzmarkt für den Tausch der heimischen Währung Bolívar in US-Dollar.

Auslösende Faktoren für die Hyperinflation

So weit skizziert Garzón die Grundzüge der komplexen wirtschaftlichen Gegebenheiten Venezuelas, um darauf aufbauend den inflationären Prozess genauer zu erläutern. Er folgt dabei den Analysen der Ökonomen Pasqualina Curcio und Mark Weisbrot und formuliert hierfür vier maßgebliche Faktoren:

1) Vorsätzliche und gezielte Verknappung bestimmter Produkte: Große Unternehmensgruppen, die der Regierung gegenüber feindselig eingestellt sind, halten bedeutende Teile ihrer Produktion zurück, um diese auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Die Folge sind Preissteigerungen sowohl durch die unmittelbare Verknappung als auch durch die erzwungene Beschaffung über illegale Handelskanäle.

2) Inflation durch Importe: Unternehmen, die Produkte aus dem Ausland in US-Dollar kaufen und importieren, sind durch die Regierung auf einen offiziellen Wechselkurs verpflichtet. Allerdings verkaufen sie anschließend diese Produkte im Inland zum inoffiziellen Wechselkurs, wodurch sie astronomische Gewinne einfahren und die Preise entsprechend künstlich nach oben treiben.

3) Finanzembargo durch die USA: Die jüngsten Maßnahmen der Trump-Administration, um „die Diktatur zu bekämpfen und die Demokratie wiederherzustellen“, schneiden Venezuela und seine Ölwirtschaft von den internationalen Finanzmärkten und den benötigten US-Dollar-Einnahmen für seine Importe ab. Die Folge: weitere Verknappung, weitere Entwertung des heimischen Bolívar gegenüber dem US-Dollar auf dem Schwarzmarkt, weiterer Anstieg der Preise.

4) Umfassender Vertrauensverlust in den Bolívar: Der grassierende Wertverlust der heimischen Währung gegenüber dem US-Dollar führt entsprechend zu vermehrtem Umtausch heimischer Währungsbestände in US-Dollar, was wiederum in einem Teufelskreis den Wertverlust des Bolívar beschleunigt. Letztlich erfolgt eine „Dollarisierung“ der venezolanischen Wirtschaft und ein weiterer Anstieg der Preise über die benötigten Importe.

Abschließend und zusammenfassend schreibt Garzón zur Hyperinflation in Venezuela:

(…) die Hyperinflation in Venezuela ist auf das Zusammenspiel zahlreicher und vielfältiger Faktoren zurückzuführen, die mit der schwachen Produktions- und Exportstruktur seiner Wirtschaft, mit der enormen Macht der der Regierung entgegenstehenden Wirtschaftsgruppen und mit der einzigartigen politischen und institutionellen Position der venezolanischen Regierung zu tun haben. Die massive Geldschöpfung hat nichts mit der Hyperinflation zu tun, unter der das Land leidet, sie ist nicht seine Ursache, sondern seine Folge: Um Zahlungen leisten und wegen der Hyperinflation immer teurere Produkte kaufen zu können, ist immer mehr Geld notwendig, weshalb die Geldmenge notwendigerweise immer mehr wachsen muss.

Anmerkung: Eine lesenswerte ausführliche Darstellung der Entwicklungen in Venezuela findet sich in GegenStandpunkt: „Der Niedergang des ‚bolivarischen Sozialismus‘ und seine Gründe“. Diese „erhebt Einspruch gegen die westliche Hetze, gemäß der ausgerechnet der chavistische Versuch, Venezuela aus der Rolle des Öllieferanten für den amerikanisch dominierten Weltmarkt zu befreien, das Volk verarmt und dem Land die ‚Zukunft‚ geraubt habe. Der dummen Allerweltsformel, dass da – wieder einmal! – ein ‚eigentlich reiches Land‚ wegen falscher Politik ganz arm sei, setzen wir die Einsicht entgegen, dass ‚Öl‘ kein Reichtum ist, sondern allenfalls in den kapitalistischen Metropolen zu einem solchen wird, nur dafür und für nichts anderes da ist und darum jeder Versuch der Umwidmung nicht nur in sich widersprüchlich ist, sondern von den kapitalistischen Weltmarktmächten als Verbrechen definiert wird, das sie zum Scheitern verurteilen.“ (Hervorhebungen im Original)

Quelle: Russia Today (RT) vom 30.09.2018

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