Frankfurt am Main reißt sein Architekturerbe ab und löscht gleichzeitig Geisteshaltungen

Frankfurt am Main, 14. Dezember 2015 (ADN). Während das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main jetzt die Bauten von Ferdinand Kramer (1898-1985) würdigt, werden genau diese Häuser an anderer Stelle in der Stadt mutwillig zerstört. Sie rotten vor sich hin oder sind bereits in aller Heimlichkeit abgerissen worden. Wie Laura Weissmüller in der Montag-Ausgabe der “Süddeutschen Zeitung” (SZ) weiter schreibt, müsste man eigentlich stolz sein auf dieses Stück Geschichte. Es sei ein Skandal und passe zu dieser Stadt. 

Die Autorin kritisiert besonders scharf: “Zentrale Bauten von Kramers Campus Bockenheim stehen noch. Doch ihr erbärmlicher Zustand macht es heute fast unmöglich, ihren Wert zu erkennen. Ihr sichtbarer Verfall ist herzzerreißend. Von der Fassade der Universitätsbibliothek, diesem urdemokratischen Plädoyer für ein gemeinsames Studieren, Lernen und Leben, mussten Betonstücke aus Sicherheitsgründen herausgeschlagen werden. Nicht um das Gebäude zu sichern, sondern damit kein Benutzer um sein Leben fürchten muss, wenn er die Bibliothek betritt.

Das Studentenwohnheim lässt sich selbst mit viel Fantasie nicht mehr mit den Fotos in Verbindung bringen, die bei der Eröffnung 1956 geschossen wurden.” Das Philosophikum schließlich, 1958 bis 1960 als erste außen liegende Stahlskelettkonstruktion in Deutschland errichtet und damit eine industrielle Revolution des Bauens, werde gerade so umgewandelt, dass von der Originalarchitektur nicht mehr viel übrig bleibt – und von seinem Ursprungsgeist sowieso nicht. Kramer, dem es immer darum gegangen sei, so günstig wie möglich zu bauen, damit sich auch ärmere Menschen modernen Komfort leisten konnten, hätte von Luxus-Studentenappartements, die monatlich 500 Euro kosten sollen, nichts gehalten. Er habe bei der Eröffnung seines Studentenheims den Berliner Maler Heinrich Zille mit dem Satz zitiert: “Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten, wie mit einer Axt.” Auf Kramers Bauten umgemünzt, müsste dieser Spruch lauten: Man kann ein Gebäude durch Nichtstun genauso zerstören wie mit der Abrissbirne. Und eine Geisteshaltung gleich mit.  ++ (ar/mgn/14.12.15 –  339)

Kopp Verlag


Quelle: Nachrichtenagentur ADN (SMAD-Lizenz-Nr. 101 v. 10.10.46) vom 14.12.2015

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