Portugal: Football, Fado & Food – ohne Zukunft?

Foto:Von Mary Doggett/shutterstock
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15 Jahre lebte unser London- Korrespondent The Brit in Portugal. Vor wenigen Monaten kehrte er in seine Heimat Großbritannien zurück. In seinem heutigen Artikel erzählt er von den großen Veränderungen, die das kleine 10 Millionen Einwohner Land am Atlantik durchgemacht hat – Veränderungen, die auf viele andere Staaten in Europa übertragbar sind. 

Foto:Von John Gomez/shutterstock
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01.Dezember 2016. In der portugiesischen Küstenstadt Albufeira, einer Touristen-Hochburg an der wunderschönen Algarve, wird in den frühen Morgenstunden eine 67 Jahre alte obdachlose Frau nackt und schwer verletzt aufgefunden – sie ist blutüberströmt, sie wurde geschlagen und vergewaltigt. Die Frau ist in der Gegend überall bekannt. Sie hat oft in den malerischen Gassen der Stadt gesungen und wird als besonders freundlich beschrieben. Der Täter ist der Eritreer Ibrahim Salem, der rund drei Monate zuvor, im Oktober, mit einer Gruppe von 15 anderen in Portugal ankam und dem dort Asyl gewährt worden war.

 

Das ist nicht mehr die Algarve, an der ich vor mehr als einem Jahrzehnt angekommen bin und das Land, das ich über die Jahre so sehr lieben gelernt habe.

In den mehr als 15 Jahren, die ich in Portugal verbracht habe, habe ich viele Dinge kommen und gehen sehen, Gutes und Schlechtes. Aber einiges davon ist so bedrohlich, dass ich mich jetzt um die Zukunft meiner vielen portugiesischen Freunde sorge, die ich im Laufe der Zeit gefunden habe. Ohne Zweifel gehört dazu die wirtschaftliche Lage (das gilt übrigens für alle von uns).

Ich bin kurz nach der Euro-Einführung nach Portugal gekommen und das Land stand unter dem Umtausch-Schock seines (jetzt heiß geliebten) Escudo in den Euro. Die Preise verdoppelten sich quasi über Nacht. In den folgenden Jahren konnte ich den stetigen Niedergang der portugiesischen Wirtschaft beobachten. Das kleine Land am Atlantik hat zwar nicht einen solchen Verfall erlebt wie Spanien und Italien 2008, denn im Gegensatz zu den beiden Ländern gab es in Portugal keinen Boom, bevor die Rezession einsetzte. Als ich 2003 ankam, war das Land bereits in der Krise und als ich im vergangenen Jahr ging, hatte sich an diesem Umstand nichts geändert. Die Vorteile des Euro konnten nicht genutzt werden, da die EU-Wirtschaftspolitik in Form von „eine Größe für alle“ nicht für ein Land geeignet ist, dessen Haupteinnahmequelle der Tourismus ist. Ältere Menschen gehen mit ihren Rezepten in die Apotheke und können sich den Großteil ihrer Medikamente nicht mehr leisten. Heute gibt es an jeder Ecke Lebensmittelausgabestellen – in Deutschland „Tafeln“ genannt.

Holistische Zahngesundheit

Portugiesen haben die Nase voll von der Politik

Das hat, beunruhigender Weise, zu einem völligen Vertrauensverlust in das politische System geführt – die Wahlbeteiligung ist stetig gesunken und liegt nun bei etwas über 50 Prozent. Grund dafür ist nicht etwa Politikverdrossenheit, sondern die tiefe Abscheu und die Verachtung der Portugiesen gegenüber der Politik!

Am Rande sei erwähnt, dass Portugals Äquivalent zu Tony Blair, der ehemalige Premierminister José Sócrates, im Gefängnis saß (jetzt ist er wieder draußen und wartet, ausgestattet mit einer elektronischen Fußfessel, auf den Gerichtstermin). Er steht unter dem Verdacht, neben anderen Delikten, 15 Millionen Euro auf das Konto seiner Mutter überwiesen zu haben! Die Verachtung der Portugiesen ist nicht nur dem Versagen, der Korruption und dem pompösen Leben ihrer Politiker geschuldet, es macht sich unter ihnen auch ein überwältigendes Gefühl von Entmachtung breit. Die Portugiesen sehen keinen Sinn nicht mehr in Wahlen. Sie glauben, dass ihre Stimme in den wahren Zentren der Macht -nicht in Lissabon – sondern in Brüssel, Paris und Berlin niemals gehört werden wird. Das Gefühl bewahrheitete sich erst vor Kurzem – im Zuge des Brexit werden Sitze im EU-Parlament frei. Verteilt wurden sie unter den großen Spielern, sogar Spanien und Italien wurden bedacht – nicht ein einziger Sitz ging an Portugal.

Die Mehrheit der Portugiesen, mit denen ich mich unterhalten habe, war regelrecht eifersüchtig auf das britische Referendum. Sie möchten auch eines abhalten, doch das werden ihre Politiker niemals zulassen.

„Kulinarischer Nationalismus“ – besessen von portugiesischem Essen

Wie auch immer, die wahre Leidenschaft der Portugiesen gilt dem Essen. Noch nie in meinem Leben habe ich Menschen getroffen, die so besessen von ihrem eigenen Essen sind. Sogar noch besessener als die Franzosen (auch dort habe ich gelebt). Man könnte von einem „kulinarischen Nationalismus“ sprechen. Es gibt mehr als 1000 Rezepte für ihren geliebten „Bacalhau“- getrockneter und gesalzener Stockfisch. Zu meinem Bedauern konnte ich mich nie an ihn gewöhnen. In Portugal gibt es einige der besten Fleischspezialitäten, wie Chouriço-Wurst und Presunto Porco Preto, ein Schinken vom schwarzen Schwein. Nicht zu vergessen Meeresfrüchte, Port und die ausgezeichneten Weine.

Als ich ankam, war es schwierig – Ausnahme „der Italiener“ – ausländische Restaurants außerhalb von Lissabon zu finden. Die Globalisierung hat inzwischen ihre Wirkung entfaltet und die (jungen) Portugiesen gehen nun auch – wenn auch mit einem gewissen Widerwillen – zum Chinesen, Inder, Thai und Sushi essen. Für die Älteren kommt das weiterhin nicht in Frage – sie sitzen lieber vor ihrem Teller mit Schnecken. Leider werden auch McDonalds und KFC beliebter – auch Burger King ist jetzt vor Ort.

In der Tat profitierten die frühen chinesischen Restaurants möglicherweise noch von Portugals fehlendem Tierschutzgesetz. Ich freue mich, sagen zu können, dass sich das während meiner Zeit dort dramatisch verbessert hat. Am Anfang war ich entsetzt, als ich jeden Sonntagnachmittag auf dem Hauptsender RTP1 einen Stierkampf im TV sehen konnte. Nach dem traditionellen Sonntagsessen saß die ganze Familie zusammen und guckte sich an, wie ein Tier gefoltert wurde – unglaublich! Ich musste sogar mit ansehen, wie ein Mann seinen Pitbull auf dem Balkon mit einer Kettensäge zerlegte, weil der zuvor seinen Sohn gebissen hatte. Niemand konnte etwas dagegen unternehmen…Glücklicherweise hat Portugal inzwischen mit die strengsten Tierschutzgesetze Europas. Was für eine Veränderung. Keine Stierkämpfe mehr im Fernsehen, immer weniger Leute gehen in die Arena. Es gibt viel, viel weniger Straßenhunde und Katzen und überall findet man Tierheime. Man könnte fast sagen, die Menschen kümmern sich jetzt besser um die Tiere als um die Armen.

Portugiesen leiden unter der Einwanderung von billigen Arbeitskräften aus aller Welt

Eine weitere sichtbare Veränderung ist die Herkunft vieler „Auswanderer“ und Touristen, die an die Algarve kommen. Ursprünglich gab es viele Briten und Iren, dicht gefolgt von den Deutschen. Sei es aufgrund von Währungsschwankungen, politischen Veränderungen oder lediglich Präferenzen, die Zusammensetzung hat sich definitiv geändert. Englische und irische Pubs sowie deutsche „Bierkeller“ wurden von kosmopolitischen Restaurants, Lounges und Cocktailbars abgelöst. Ich arbeitete in diesem Bereich und musste neben meinen fließenden Portugiesisch-Kenntnissen ständig umlernen. Ich eignete mir Französisch, Spanisch und Deutsch (ok schlecht gesprochen) sowie Niederländisch an. Ich muss zugeben, dass ich hier total scheiterte, aber das war kein großes Problem, weil die Niederländer besser Englisch sprechen als die Briten selbst. Also – keine „Fish n Chips“ mehr, jetzt sind Tapas  „in“, was eine Verbesserung ist!

Die Einwanderung verändert auch in Portugal die Zusammensetzung der Bevölkerung. Die ehemalige Kolonialmacht und Seefahrernation hatte schon immer eine vielfältige Einwohnerschaft mit Menschen aus Brasilien, Angola, Mosambik, Guinea-Bissau und den Kapverden, die spezielle Einwanderungsrechte besitzen. Die Einwanderer waren in der Mehrheit Christen, sprachen Portugiesisch und fügten sich vollständig in die Gesellschaft ein. Einige Familien leben seit Generationen in Portugal. Sie tragen zur Gemeinschaft bei und werden nicht nur wirtschaftlich (viele Gebäude könnten nicht ohne sie gebaut werden) sondern auch kulturell geschätzt. Im „Bairro Alto“ – einem Stadtviertel in Lissabon, erklingt ihre Musik und in der Luft wehen die Gerüche ihrer Küche. Sie alle respektieren die portugiesische Lebensweise. Es gibt jedoch eine neue Art von Einwanderern, von denen man das so nicht mehr sagen kann.

Nehmen wir nur mal unseren Vergewaltiger vom Anfang der Geschichte, Ibrahim Salem. Ihm wurde Asyl gewährt, Unterkunft, Essen, medizinische Versorgung, Kleidung und Geld. Und wie hat er diese Großzügigkeit gedankt? Er hat eine alte wehrlose Frau vergewaltigt und zusammengeschlagen. Der ein oder andere wird jetzt sagen, diese Art von Verbrechen wird auch von anderen begangen. Ein Argument, dass vielleicht in Großbritannien und Deutschland zieht, aber nicht in Portugal. In den ganzen Jahren habe weder ich noch ein Portugiese jemals von so einem Verbrechen gehört. Es war ein Schock und für alle absolut unvorstellbar. In Albufeira wurden überall Kerzen angezündet, um Solidarität mit dem Opfer zu zeigen. Ich hoffe, der Täter genießt seinen harten portugiesischen Gefängnisaufenthalt recht lange – vorausgesetzt er überlebt ihn.

Keine Chance für besonderen Moscheen-Schutz – Portugal ist christlich und will es bleiben

Aber nicht nur diese offensichtlichen Fälle geben Anlass zur Sorge, sondern auch eine generelle Zunahme eines neuen Einwanderertyps. Die Einwanderung aus dem indischen Subkontinent ist zwischen 1999 und 2011 um 239% gestiegen und nimmt weiter zu. Dies ist deutlich auf den Straßen von Albufeira zu sehen. Praia de Rocha und Portimão zum Beispiel. Wo früher ein portugiesischer Kellner das Essen servierte oder hinter der Bar stand, werden Sie jetzt von einem indischen/pakistanischen/bengalischen oder afghanischen Mann begrüßt, dessen Sprachkenntnis allenfalls rudimentär sind. Er ist bereit, für noch weniger Geld zu arbeiten, mit zehn anderen ein Zimmer zu teilen und die Portugiesen durch seinen Dumping-Lohn arbeitslos zu machen. Langfristig wird diese Entwicklung die Touristen abschrecken und dem Tourismus schaden.

Die „liberale Elite“ liebt das natürlich, aber dieses Vorgehen treibt den „Multikulturalismus“ zu weit. Doch es gibt Hoffnung. Der Rat von Albufeira hat vor kurzem auf einen Antrag so schnell wie noch nie zuvor reagiert. Die ständig wachsenden muslimischen Bevölkerung wollte durchsetzen, dass ihre Moschee als „öffentliches Gebäude“ gekennzeichnet und somit besonderen Schutz genießt. Abgelehnt! Der Rat stellte fest, dass „Portugal ein christliches Land ist und nur Kirchen dieses Recht erhalten werden“. Yipeeeeee, es gibt doch noch etwas Gutes in der Welt !!

Der ehemalige portugiesische Diktator Salazar sagte einmal, wenn du die Portugiesen glücklich machen willst, musst du ihnen die 3 F`s geben: Football, Food und Fado (Fußball, Essen und Fado). Nun ja, Fußball haben sie im Überfluss, in Form von Ronaldo, ihrem omnipräsenten Talisman (kritisiere in Portugal niemals Ronaldo, wenn dir dein Leben lieb ist). Wie schon Ex-Fußballstar José Mourinho bemerkte (ich hatte einmal das Vergnügen ihn zu treffen): „Jeder Portugiese ist der beste Fußballtrainer der Welt“. Das sagt zu diesem Thema eigentlich alles!

Die Sache mit dem Essen habe ich ja schon angesprochen, aber auch wenn es heute mehr Angebot gibt, am Ende gewinnt immer die traditionelle Küche. Und der Fado, diese wunderschöne melancholische Musik der Sehnsucht – ich hoffe, dass ihre Traurigkeit eines Tages der Vergangenheit angehören wird. Aber angesichts der Entwicklung, sehe ich für die Zukunft schwarz.

Euer

The Brit

Quelle: journalistenwatch.com vom 12.02.2019 


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