Sicherheitsbericht vor Münchner Konferenz: Gefährliche Zeiten für Europa

Kopp Verlag


Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger

© REUTERS/ Michaela Rehle/Files

Anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz haben ihre Organisatoren und namhafte internationale Experten einen Bericht über die Sicherheitslage in der Welt veröffentlicht. Die russische Zeitung „Kommersant“ fasst die Hauptthemen des Berichts zusammen.

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Vom 12. bis 14. Februar soll die Sicherheitskonferenz stattfinden. Dazu ist in englischer Sprache ein Sicherheitsbericht mit dem Titel „Boundless Crises, Reckless Spoilers, Helpless Guardians“ (zu Deutsch:„Grenzenlose Krisen, rücksichtslose Störer, hilflose Wächter“) erschienen.

Die Situation in der Welt habe sich verschlechtert – so eine der Expertenmeinungen –, und die Schuld daran trage Russland, zitiert „Kommersant“ den Report.

„Ich fürchte, es gibt reichlich Grund zum Pessimismus, wenn wir ins Jahr 2016 blicken“, schreibt Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Sicherheitskonferenz und ehemaliger Botschafter der Bundesrepublik, im Vorwort zum Report. „Die heutigen Konflikte zeichnen sich durch ein Ausmaß und eine Bedenklichkeit aus, die seit dem Ende des Kalten Krieges beispiellos ist. Die traditionellen Wächter der freiheitlichen internationalen Ordnung scheinen weniger und weniger an ihre Fähigkeit zu glauben, Ereignisse zu beeinflussen. Der bahnbrechende Deal mit dem Iran und das Pariser Klimaabkommen lassen Raum für vorsichtigen Optimismus, dass ernstzunehmende diplomatische Erfolge weiterhin möglich sind. Doch Krisen zu managen, die seit geraumer Zeit zunehmend maß- und grenzenlos werden, bleibt eine enorme Herausforderung und wird zukünftig wahrscheinlich noch komplizierter werden.“

Ein großer Teil des als Anregung und Gesprächseinstieg gedachten Reports ist der Situation in und um Europa gewidmet.



Die Berichtsautoren erinnern an die in der gemeinsamen Sicherheitsstrategie der EU im Jahr 2003 festgeschriebene Zielsetzung, die bis heute gültig ist: Es sei notwendig, einen Ring gut kontrollierbarer Länder östlich der Europäischen Union und im Mittelmeerraum aufzubauen. Doch sie müssen feststellen: „Stattdessen hat sich ein Feuerring gebildet. Die Sicherheit Europas ist wieder in Gefahr. In der Ukraine dauert der Krieg an. Der Krieg in Syrien hat eine ganze Region in die Krise gestürzt und kann die existierenden Staatgrenzen im Nahen Osten in Frage stellen. Er (der Krieg) ist die Hauptursache für den größten Exodus von Flüchtlingen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Im Jahr 2015 sind in Europa 15 neue „Mauern“ entstanden, was die Existenz des Schengener Raums in Frage stellt. Der Zusammenbruch der Staaten als solche ist dabei von Libyen bis zum Irak, von Mali bis Afghanistan zu beobachten.“

Nach Ansicht der Berichtsautoren ist es den EU-Mitgliedern – entgegen den Zielen des Lissaboner Vertrags – nicht gelungen, eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik aufzubauen, einschließlich der Mechanismen einer operativen Krisenreaktion. „Stattdessen ist Brüssel durch mehrere ernstzunehmende Herausforderungen paralysiert: labile Vereinbarungen über die Notwendigkeit, Sanktionen gegen Russland zu unterstützen; andauernder Streit über Griechenland und das Schicksal des Euro; die Gefahr eines Austritts Großbritanniens aus der EU und die Wiedererrichtung von Grenzen; und – das wahrscheinlich Gefährlichste – die zunehmende Popularität rechten und nationalistischen Gedankenguts.“

Auch über Russland steht viel in dem Bericht. Es wird betont, dass Moskau eine konstruktive Rolle beim Abschluss des Atomdeals mit dem Iran gespielt hat. Aber an dieser Stelle endet das Positive bereits. Die Verfasser des Reports halten die Außenpolitik der Russischen Föderation und ihr Vorgehen auf der internationalen Bühne für unberechenbar und sogar gefährlich. Russland strebe danach, zu beweisen, dass es eine zentrale Weltmacht sei, doch „seine Wirtschaft deutet auf das Gegenteil hin“. Der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, gehört nach Ansicht der Autoren zu den „unberechenbarsten Staatsführern“ – in einer Reihe mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, dem saudi-arabischen Vize-Kronprinzen Mohammed bin Salman und „in geringerem Umfang“ mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko.

Die Experten betonen, dass die Mehrheit westlicher Staaten zur Kooperation mit Russland im Kampf gegen die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ (eine in Russland verbotene Organisation – Anm. d. Red.) bereit sei, jedoch nicht beabsichtige, dafür Zugeständnisse hinsichtlich der Ukraine zu machen. Im Zusammenhang damit habe das englische Wort „compartmentalisation“ – zu Deutsch etwa „strenge Trennung des Einen vom Anderen“ – in den Sprachgebrauch der Diplomaten Einzug gehalten, heißt es im Bericht.



Die heutige Konfrontation zwischen Russland und dem Westen sei – so die Experten – mit weitreichenden Risiken behaftet.

Zum einen könne in Europa ein neuer Eiserner Vorhang entstehen: „Das hartnäckige Vorgehen Russlands in der Region rief in Finnland und Schweden Debatten über die Notwendigkeit eines Nato-Beitritts hervor. Treten diese Länder der Allianz bei, wird die Teilung Europas – die sich bereits in der unterschiedlichen Wahrnehmung der Krisenereignisse widerspiegelt – institutionell zementiert. Dadurch wird ein Nato-/EU-basiertes ‚westliches Lager‘ und ein ‚russisches Lager‘ entstehen – mit einigen als Pufferzone dazwischenliegenden Staaten von unklarem sicherheitspolitischen Status und ungeklärten Wirtschaftsbeziehungen.“

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Sorgen bereitet den Autoren die zwischen den Lagern „feststeckende“ Ukraine: „Eine baldige Umsetzung der Minsker Abkommen könnte auf ein Tauwetter in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen hoffen lassen. Russland jedoch scheint bei der Ukraine nicht locker lassen zu wollen, während die EU zögert, Kiew über das Freihandelsabkommen hinausgehend wirtschaftlich und politisch zu unterstützen. Das hängt teilweise damit zusammen, dass im Westen immer mehr Zweifel über die Reformbereitschaft der ukrainischen Führung aufkommen“, heißt es im Dokument.

Zum anderen seien unbeabsichtigte Zusammenstöße zwischen Russland und den Nato-Ländern – während der gefährlichen Luft- oder Seemanöver etwa – denkbar. Die Folgen eines solchen Zwischenfalls wollen die Urheber des Berichts nicht prognostizieren, betonen jedoch, dass die Möglichkeit einer Eskalation zwischen den Großmächten erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr unrealistisch erscheine.

 

In der vorigen Woche wurde indes bekanntgegeben, dass Russlands Premierminister Dmitri Medwedew der russischen Delegation auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorstehen werde. Zuvor wurde verlautbart, Russlands Außenminister Sergej Lawrow werde als der ranghöchste russische Vertreter an der Konferenz teilnehmen. Im Gespräch mit dem russischen Wirtschaftsblatt „Kommersant“ erklärten Experten die Rochade durch Russlands diplomatische Offensive in Richtung Europa und die Notwendigkeit, „die ausgedünnten wirtschaftlichen Beziehungen“ auszuweiten.

Medwedews Auftritt sei für den Eröffnungstag der Konferenz geplant und werde zwölf bis 15 Minuten dauern, zitiert „Kommersant“ eine regierungsnahe Quelle. Ein Insider aus der russischen Präsidialverwaltung – so die Zeitung – erklärte, dass die Themen des internationalen Terrorismus (im Kontext der Situation in Syrien und dem Irak) und das Problem des Ausbaus der Nato-Infrastruktur in der Nähe russischer Grenzen die Schwerpunkte der Rede Medwedews bilden werden. Sergej Lawrow seinerseits werde an einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Konferenz teilnehmen.

Wie Wolfgang Ischinger bekanntgab, wird die Anzahl der Teilnehmer an der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz alle Rekorde brechen: in der Bayerischen Hauptstadt werden Staats- und Regierungschefs aus mehr als 30 Ländern, sowie rund 60 Minister erwartet.

Quelle: Sputnik vom 30.01.2016

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Ulrike
Ulrike
8 Jahre zuvor

Aha schuld ist Russland. Da lachen die Hühner. Wer hat denn die ganzen Kriege im vorderen Orient angezettelt wo wir Deppen auch noch mitmachen???? Einfach nur zum Kotzen wie die Schuld immer auf Russland geschoben wird.

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