Deutsche flüchten zu VK.com: Verfassungsschutz beobachtet jetzt den russischen Facebook-Klon

11.02.2016
Markus Mähler

Russland heißt unsere Meinungs-Flüchtlinge willkommen: Weil das deutsche Facebook nach Druck von oben immer schärfer zensiert, werden seine Nutzer ins Exil getrieben. Sie wandern zum russischen Facebook-Klon VK.com ab. Das missfällt dem Verfassungsschutz: Er muss »NPD-Erwin« und seine »Netznazis« jetzt im digitalen Internet-Ausland beobachten. Abgehauen sind aber noch ganz andere – weil unsere Meinungsfreiheit dank Parteibetrieb und Leitmedien im Wachkoma liegt.

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Wie zerstört man die Meinungsfreiheit? In drei Schritten. Erst landet ein auffällig naives Opfer am Hetz-Pranger. Danach geraten alle anderen wegen dieses braungepinselten Schäfchens in Meinungs- und Sippenhaft. Zum Schluss fühlt sich eine Behörde berufen – zur allgemeinen Dauerüberwachung.

Dieses erprobte Paranoia-Muster ist wieder sichtbar: »NPD-Erwin«, der »Netznazi« aus Nürnberg, steht im deutschen Mediendorf gerade am Pranger. Weil er im neuesten sozialen Netzwerk des Bösen gehetzt hat. Das heißt VK.com und Kommissar Schlapphut ermittelt bereits vor Ort: Bayerns Verfassungsschutz beobachtet im russischen Facebook-Klon VK.com deutsche Bösmenschen.




Die sollen dorthin geflüchtet sein und bauen – angeblich im Windschatten des Kremls – ungestört ein Paradies für schamlose Hetzer auf.

Frei ist, wer in Ketten tanzen kann

So reißerisch, einseitig und herabwürdigend fasst es Christian Alt auf der Webseite des Bayerischen Rundfunks zusammen: »Facebook greift […] härter gegen die Flut an Hasskommentaren durch […]. Viele Nutzer wurden schon gesperrt. Sie machen trotzdem weiter. Zwar nicht auf Facebook, aber auf VK.com.« Höhepunkt der geschürten Paranoia ist eine Expertise aus dem Verfassungsschutz: Der hält VK.com »für essentiell, wenn szene-intern kommuniziert werden soll«. Aha, die »Szene«. Im konspirativen Russen-Facebook planen jetzt also digitale Exil-Revoluzzer den Sturz Merkels…

Leider ist all das keine Agentenklamotte aus dem letzten Kalten Krieg. Es ist real. Die alternativlose Botschaft dieses journalistischen (?) Stücks lautet: Lieber deutscher Meinungs-Flüchtling, komm bloß nicht auf die Idee, auch noch ins Russen-Facebook abzuhauen. Wir kriegen dich! Am deutschen Zensurwesen mag die Welt genesen. Und die einzig erlaubte Emigration ist die innere! MFG, mit freundlichen Grüßen, dein nimmermüder Verfassungsschutz.

Anonymous leakt jetzt auf VK.com: Polizeiberichte über »unsere« Sicherheit




Fein, dann können wir ja jetzt weiterschweigen… Moment, so darf es nicht enden.

Erstens: In was für einem Land leben wir eigentlich? Aus dem freien, weltoffenen und grenzenlosen Deutschland flüchten unbequeme Meinungen ins finstere und bitterkalte Zarenreich Putins – weil sie dort freier sind?!?! Wie viel Realsatire braucht das Berliner Zensurwesen eigentlich noch, bis es den Holzweg erkennt, auf dem es schlafwandelt?

Überhaupt werden nicht bloß »Netznazis« ins Meinungs-Exil getrieben. Die Facebook-Überwachung trifft alle Unbequemen. Und gelöscht wird auf Zuruf von oben.

Mit dieser Methode wurde auch das Hackerkollektiv Anonymous wegzensiert und ist jetzt auf VK.com. Anonymous verlinkte auf Facebook zuwanderungskritische Berichte von Kopp Online und dem Compact Magazin.Außerdem gelang den Hacktivisten ein sensationeller Leak: Sie veröffentlichten Lageberichte aus dem Bundesinnenministerium, interne Dokumente von Polizei, Bundeskriminalamt und aus den Landeskriminalämtern.

Darunter viel Unschönes zum Thema Terror und Flüchtlinge – jetzt auf VK.com immer noch lesbar: Ein Lagebericht des NRW-Innenministeriums (Köln!) zur»Inneren Sicherheit«. Ein Bericht des Bundeskriminalamts »Staatsschutzangelegenheit, Karneval 2016«. Ein 20-seitiges »Polizeiliches Lagebild in Flüchtlingsangelegenheiten«. Der Versuch, uns ein schonungsloses Bild über »unsere« Sicherheit zu zeigen, brachte Anonymous ins digitale Exil auf VK.com.

Das neueste Schandkapitel zur deutschen Meinungsunfreiheit

Zweitens: Es gibt nicht hier die Täter und dort die Opfer. Es gibt ganz viel Grau in diesem Schandkapitel der deutschen Meinungsunfreiheit: Facebook »greift« bestimmt nicht freiwillig durch – wie es der BR-Artikel behauptet – oder beschäftigt aus lauter Sportsgeist ein »Hasskommentar-Löschteam« in Berlin.

Meinungszensur und Löschen auf Zuruf von oben gab es bisher in China. Dort hat man sich aber auch gleich ein abgeschottetes Staats-Internet aufgebaut. Wäre das digitale Gefängnis auch ein Modell für uns? Von der chinesischen Clique aus Zensur-Kommunisten und Staatskapitalisten könnte sich Justizminister Heiko Maas (SPD) ein bisschen Siegeswille abgeschaut haben. Er nervte Facebook, Twitter und Google so lange mit seiner Zwangsvorstellung von der »Taskforce gegen Hassbotschaften«, bis Mark Zuckerberg endlich einknickte.

Das deutsche Facebook wurde zum Meinungs-Kindergarten mit eigenem Löschteam. Deutschland ist jetzt auch eines dieser Länder, wo alle Menschen frei sind, bis sie den Mund aufmachen und eine vorgezeichnete Meinungslinie verlassen.

Was Heiko Maas von den Chinesen lernen kann – vor allem Zensieren

Chinesische Zensurmethoden kommen nach Berlin: In der Hauptstadt bekam die 100-prozentige Bertelsmann-Tochter Arvato von Facebook den Auftrag und löscht seitdem eifrig Meinungen im sozialen Netzwerk – unter dem klatschenden Applaus aller freien deutschen Medien. Apropos Bertelsmann und die anderen deutschen Medienkonzerne. Sie sind hier mehr als nur die lachenden Dritten. Dort erwies man der Meinungsfreiheit gerade einen Bärendienst und machte noch viel mehr Druck auf Facebook als Merkels Große Koalition. Warum? Weil unsere Leitmedien glauben, dass das Publikum zu frei ist. Es wird frech, braucht juristische Peitschenschläge – und am besten wieder einen Knebel.

Seit es soziale Netzwerke gibt, erleidet die alte Meinungselite immer öfter Schiffbruch. Klassische Massenmedien sind nicht sexy, sie geben Frontalunterricht: Einer spricht, die hirnbefreite Masse wiederholt. Im Netz hat aber keiner Lust auf Steinzeitjournalismus; man ist lieber laut, unbequem und hat seine eigene Agenda. Unsere machtlosen Oberlehrer – die Alpha-Journalisten – sitzen vor leeren Bänken.

Keiner hört ihnen mehr zu. Traurig, oder? Also giften unsere klassischen Meinungsführer seit bald zwei Jahren gegen die »Facebook-Trolle« und produzieren immer schrillere Töne im Schauermärchen von den Hetz-Fratzen. Eine einseitige, brutale, hässliche, lange und manchmal auch raffinierte Meinungskampagne der Medien gegen ihr eigenes Publikum, das sich lieber auf Facebook austobt.

Deutschlands Leitmedien und ihr Hass aufs Publikum

Damit soll es dank einer Interessenallianz von Politik und Medien jetzt vorbei sein. Wer mundtot gemacht wurde, hat aber immer noch kein offenes Ohr für den alten Frontalunterricht der Medien.Vor allem, weil man dort garantiert wieder behauptet, wie fern Medien doch vom Parteibetrieb seien.

Die Facebook-Zensur hat aber wieder zu viel Nähe offenbart. Die Menschen merken vielleicht nicht alles, aber es sie haben ein Bauchgefühl. Und das sagt ihnen: Mit dem Internet wurden die Karten im Kampf um die Meinungsmacht neu gemischt. Gerade hat die Freiheit verloren, die elitären Zirkel haben gewonnen. Noch etwas: Vertrauen ist wie ein scheues Reh. Einmal weg, kommt es so schnell nicht wieder. Besonders dann nicht, wenn es mit der Zensurkeule verjagt wurde.

Ja, »NPD-Erwin« – so es ihn gibt – schreibt auf VK.com Schwachsinn. Noch wurde keine ermordete deutsche Jungfrau zerstückelt im Döner gefunden. Es ist aber nicht einmal wichtig, was auf VK.com geschrieben wird, sondern warum. Aus dem gleichen Grund wie auf Facebook. Dieser schwarze, bitterböse, politisch inkorrekte Galgenhumor ist ein Ventil.

Weil immer mehr Deutsche gewaltigen Druck auf dem inneren Kessel haben. Sie fühlen sich verunsichert, überrollt und hintergangen in einer unkontrollierten Flüchtlingskrise, die nicht erst seit Köln Anzeichen einer beschönigten Migrationskrise zeigt. Die aufgestaute Wut darüber wächst. Und ein Kommentar über Jungfrauen im Döner ist ein harmlos lächerliches Signal für eine Demokratiekrise.

Unsere Meinungsfreiheit liegt bereits auf der Intensivstation

Bevor Deutschland eine unsichere Zukunft aufgebürdet wurde, gab es dazu weder eine offene Debatte, noch einen freien Wettbewerb der Meinungen. Es gab bloß eine Kanzlerin und ihre Große Koalition der Mitläufer. Deutschlands Demokraten fielen im Stresstest durch. Also, was können die Deutschen von ihren gewählten Abgeordneten erwarten? Der angerichtete Flurschaden durch diesen Vertrauensbruch ist noch gar nicht abzusehen.

Dafür gab es zu viele alternativlose Parolen, die wie Vorschriften klangen. Der Politikbetrieb verbreitet sie, die Leitmedien wiederholen es gebetsmühlenartig. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch immer unbeirrbar, die privatwirtschaftlichen Medien inzwischen immer vorsichtiger. Wer will schon im Club der Verlierer sitzen, und Merkels Vision sieht bereits nach einem großen Scherbenhaufen aus.

Über den komatösen Zustand unserer Meinungsfreiheit ist aber alles gesagt, seit der Verfassungsschutz »NPD-Erwin« und seine »Netznazis« im russischen Facebook jagt. Meinungsfreiheit ist so wertvoll, dass man sie um (fast) jeden Preis aushalten muss. In Deutschland wurde sie aber bei der erstbesten Gelegenheit kaserniert.

Quelle: Kopp-online vom 11.02.2016

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