Dreyer und Klöckner im TV-Duell: „Leben Sie eigentlich in Rheinland-Pfalz?“

Julia Klöckner (CDU) und Malu Dreyer (SPD)
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Julia Klöckner (CDU) und Malu Dreyer (SPD)

Alles toll hier in Rheinland-Pfalz! Nein, alles Mist! Im TV-Duell traten Regierungschefin Malu Dreyer und Herausforderin Julia Klöckner gegeneinander an, jede mit einem ganz eigenen Blick auf das Land. Wer setzte sich durch?

Die Ausgangslage: Ein Moderator, zwei Kontrahenten, kein Publikum: Das Prinzip hat sich beim zweiten TV-Duell des SWR in Rheinland-Pfalznicht geändert. Damals aber, bei der Erstauflage 2011, droschen CDU-Herausforderin Julia Klöckner und der gefühlte Allzeit-Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hemmungslos aufeinander ein.

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Diesmal ist Klöckner wieder da, an ihrer Seit steht jedoch eine Frau: Malu Dreyer, seit zwei Jahren Becks Nachfolgerin. Der Ton ist ein anderer. Dreyer tritt deutlich gesitteter auf als der dünnhäutige Beck, und die CDU hat gemerkt, dass persönliche Angriffe ins Leere laufen. Und: 2011 war Klöckner noch in der Defensive: Die Reaktorkatastrophe von Fukushima verhagelte ihr den Wahlsieg.

Jetzt führt die CDU-Politikerin in den Umfragen, auch wenn ihr Vorsprung schmilzt. Der Erfolg ist greifbar, doch eine einfache Koalitionsbildung scheint ausgeschlossen. Niemand darf sich Fehltritte erlauben.

Die Angriffslustigere: Der Herausforderer attackiert – so ist es häufig bei TV-Duellen. Doch in Rheinland-Pfalz haben sich die Vorzeichen umgekehrt. Ministerpräsidentin Malu Dreyer muss dringend aufholen – und sie geht von Beginn an in die Offensive. Sie spricht ihre Kontrahentin direkt an. Als Klöckner bei der Frage nach deren Abgrenzversuchen zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Schwimmen gerät, sagt Dreyer: „Ich stehe erheblich deutlicher hinter der Strategie der Kanzlerin als Sie, Frau Klöckner.“ Und: „Sie fallen ihr in den Rücken, anstatt sie zu stärken.“ Das sitzt.

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Die Strategien: Alles toll – oder alles Mist. Jede Kandidatin malt sich ihre eigene Welt. Am Ende steht oftmals Aussage gegen Aussage, es geht weiter im Text – unbefriedigend für die Zuschauer. Dreyers schöne Welt sieht so aus: Rheinland-Pfalz sei „wirtschaftlich sehr erfolgreich“, das Handwerk „spitze“, die Schulen „sehr gut“. Klöckner prangert die Infrastruktur als „verkommen“ an und beschwert sich über den Unterrichtsausfall.

Klöckner merkt man mehr an, dass sie geübt hat. Sie sagt fleißig ihre Wahlkampfplattitüden auf. Das klingt etwas ungelenk und in etwa so: „Wir trauen den Familien etwas zu“, „Wo Rechte sind, sind auch Pflichten“, „Rheinland-Pfalz kann mehr.“

Die Flüchtlingsfrage: Es ist nicht die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, die seit Monaten die bundesdeutsche Agenda in der Flüchtlingsdebatte prägt. Es ist Julia Klöckner: Die CDU-Kandidatin forderte ein Integrationspflichtgesetz und positionierte sich öffentlichkeitswirksam mit ihrem Plan für Tageskontingente bei der Zuwanderung gegen Merkel.

Im TV-Duell wird all das für Klöckner aber zum Problem. Auf die Frage, warum sie zuletzt gar Merkels größten Widersacher in der Union, CSU-Chef Horst Seehofer, empfangen hat, weicht Klöckner auf ihre vorbereiteten Floskeln aus: „Ich achte darauf, dass die Enden zusammenbleiben.“

Doch auch Dreyer versucht den Spagat, will zeigen, dass sie durchgreifen kann. Man sorge „selbstverständlich auch mit Zwang“ dafür, dass Menschen abgeschoben werden, versichert sie. Wie ist ihre Haltung zu Migranten vom Balkan? Sie windet sich. Authentischere Momente hat Dreyer, als sie die humanitären Verpflichtungen betont.

Ein bisschen Landespolitik: Die Flüchtlingsdebatte dominiert den Wahlkampf. Das ist für die SPD nicht zwingend ein Nachteil. Das Programm der Regierung in den vergangenen Jahren war nicht gerade spektakulär, stattdessen plagen Dreyer die Altlasten: Das Chaos am Nürburgring oder der Ärger um den Flughafen Hahn. Klöckner legt noch einmal geschickt den Finger in die Wunde, lenkt selbst auf die Themen, die im Land viele der SPD noch übel nehmen. „Wir brauchen keine Gutachten und Machbarkeitsstudien, sondern Macher“, sagt sie. Punkt Klöckner.

Eine Chance lässt sie dagegen verstreichen: Es geht um Bildung, doch Klöckner reibt Dreyer nicht das hochumstrittene Schreiben nach Gehör in Grundschulen unter die Nase. Erst in ihrer Ansprache am Ende des Duells kommt sie darauf kurz zu sprechen – zu spät.

Zitat des Abends: Ein Imam, der Frauen nicht die Hand gibt, Burka-Trägerinnen oder Flüchtlinge, die nur von Männern Essen entgegen nehmen – Klöckner macht mit Geschichten Wahlkampf, die in Duisburg und Berlin wohl eher eine Rolle spielen als im ländlich geprägten Südwesten. SPD-Landeschefin Dreyer kontert das so: „Ich frage mich manchmal schon: Leben Sie eigentlich in Rheinland-Pfalz“?

Die Siegerin: Ja, darauf hätten Sie jetzt gern eine eindeutige Antwort. Die gibt es aber nicht: Es war ein klassisches Patt, das ergab auch ein nicht repräsentativer Stimmungstest, den der SWR unter Zuschauern durchführte. Hauchdünn liegt da Dreyer vorn. Es hängt sowieso viel von der Erwartungshaltung ab. Wer damit gerechnet hat, Klöckner werde eine Spitze nach der anderen setzen, wurde enttäuscht. Beide Kandidatinnen bemühten sich, sachlich zu bleiben, trotzdem lieferten sie sich einen munteren Schlagabtausch.

Quelle: Spiegel-online vom 02.03.2016

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