Staseve Aktuell – Arbeitsgemeinschaft Staatlicher Selbstverwaltungen

Entscheidung am Bundesverwaltungsgericht: Hetzenden Extremisten dürfen die Schusswaffen entzogen werden

Der NPD-Gemeinderat Michael Jacobi aus Reinhardtsdorf-Schöna (Landkreis Sächsische Schweiz Osterzgebirge) hatte gegen seine Entwaffnung durch die Pirnaer Behörden geklagt. Quelle: Daniel Förster
 

Leipzig – Wer sich in extremistischen, verfassungsfeindlichen Parteien engagiert, hat kein Recht darauf, Schusswaffen zu besitzen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig am Mittwoch festgestellt. Wer Parteien unterstütze, „die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, besitzt in der Regel nicht die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit“, heißt es konkret im Urteil aus der Messestadt. Jene Zuverlässigkeit wird in Artikel 5 des Waffengesetzes (WaffG) zwingend von jedem Besitzer verlangt.

Ein Freifahrtsschein für alle Behörden, die unter anderem nach dem mutmaßlich rechtsextremen Mord zuletzt in Kasselzur Entwaffnung der Szene übergehen wollen, ist das Urteil aus Leipzig allerdings nicht. Denn wie es weiter im Richterspruch heißt, könnten die politischen Extremisten ihre Zuverlässigkeit für Schusswaffen quasi zurückerlangen, wenn sie sich in der Vergangenheit nichts zuschulden kommen ließen und „sich darüber hinaus von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Partei unmissverständlich und beharrlich distanziert haben“. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wer im Internet mit Hetzparolen auffällt, büßt seinen Waffenschein ein. Im Zweifel seien allerdings die Justizbehörden in der Pflicht, die gerechtfertigte Entwaffnung nachzuweisen.

Klage eines NPD-Gemeinderates

Ausgangspunkt des Urteils war die Klage eines NPD-Gemeinderats aus Reinhardtsdorf-Schöna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) gegen seine bereits angeordnete Entwaffnung. Das Oberverwaltungsgericht in Bautzen hatte das Vorgehen der Pirnaer Behörden gegen Michael Jacobi, der ein Repetiergewehr (Typ Anschütz 1710) und eine Armeepistole (SIG Sauer P 226S) sein eigen nennt, als zulässig bestätigt. Jacobi wählte den Gang zur übergeordneten Instanz nach Leipzig, und die Richter am Bundesverwaltungsgericht verwiesen das konkrete Verfahren nun wieder zurück nach Bautzen. Dort müsse geklärt werden, ob er tatsächlich unzuverlässig ist, um sein Gewehr und seine Militärpistole weiter zu benutzen.

Geheimdienst empfiehlt Entwaffnung

Als Begründung für den Entzug der Waffenbesitzkarte hatte die Pirnaer Waffenbehörde eindringliche Empfehlungen aus dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) herangezogen, das den heute 65-Jährigen schon allein aufgrund seiner jahrelangen, führenden Mitgliedschaft in der rechtsextremen Kleinpartei sowie ob seines Kontakts zu anderen Rechtsextremen als unzuverlässigen Waffenbesitzer eingestuft hatte.

Was bei der Empfehlung des Inlandsgeheimdienstes konkret nicht genannt wurde, aber auch eine Rolle gespielt haben mag: Erstmals aufgefallen war Jacobi bereits 2000 während einer Razzia gegen die inzwischen verbotene Terrorgruppe Skinheads Sächsische Schweiz(SSS) im Ort. Damals wurde unter anderem Sprengstoff in Jacobis Garage gefunden, der angeblich aber nicht ihm selbst, sondern seinen Söhnen gehört haben soll. Jacobi wurde nach kurzer Untersuchungshaft wieder auf freien Fuß gesetzt. Inzwischen sitzen beide Generationen der Familie für die NPD im Reinhardtsdorfer Gemeinderat.

Dresdner Richter gaben NPD-Politiker recht

Schon vor der juristischen Auseinandersetzung in Bautzen hatte das Tauziehen um die Rechtmäßigkeit der Entwaffnung ein Vorspiel – damals am Dresdner Verwaltungsgericht. 2015, nachdem der Kommunalpolitiker aus der Gemeinde an der tschechischen Grenze entwaffnet werden sollte, klagte er bereits in der sächsischen Landeshauptstadt gegen den Entzug. Und die Dresdner Richter gaben dem NPD-Politiker recht, sahen allein aus der Mitgliedschaft in einer extremistischen Partei noch keinen ausreichenden Grund, die Erlaubnis für Schusswaffen zu entziehen – „da ihm keine konkreten Bestrebungen vorgehalten werden könnten“, wie es damals im Urteil hieß. In der Folge konnte Jacobi seinen Waffenschein sowie Gewehr und Pistole behalten.

Die Pirnaer Behörden gaben sich vorerst geschlagen, wagten mit der NPD-Entscheidung des Bundesgerichtshofs anno 2017, in welcher der Partei eindeutige Verfassungsfeindlichkeit attestiert wurde, aber einen erneuten Entwaffnungsversuch – diesmal am Oberverwaltungsgerichtin Bautzen. Und das mit Erfolg: Die Richter in Ostsachsen ließen das Pendel wieder in Richtung eines Waffenverbots ausschlagen und gaben den Behörden in Pirna recht. „Bei der NPD handelt es sich um eine Vereinigung, deren Bestrebungen im Sinne des Waffengesetzes gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet, also als verfassungsfeindlich einzuordnen sind“, hieß es im Bautzener Urteil. Diese Rechtsauffassung wurde nun gestern in Leipzig im Prinzip auch bestätigt. Eine konkrete Entscheidung im Fall des NPD-Politikers Jacobi soll aber demnächst eben wieder in Bautzen gefällt werden.

NPD-Politiker verweist auf Grundgesetz

Der vom früheren Legida-Chef Arndt Hohnstädter vor Gericht juristisch vertretene NPD-Politiker Jacobi hatte bei seiner Verteidigung letztlich sogar das Grundgesetz in den Ring geführt – in dessen Artikel 21 die besondere Bedeutung von Parteien herausgestellt wird. Jacobi befürchtete, dass ein Waffenverbot aus „Gesinnungsgründen“ potenziellen neuen NPD-Mitgliedern den Eintritt in seine Partei verleiden könnte und somit ein politischer Nachteil für die Rechtsextremen entstehen könnte. Die Bautzener Richter entgegneten ihm damals bereits, dass „der Waffenbesitz für den Prozess der politischen Willensbildung nicht erforderlich ist.“

Die Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna an der Grenze zur Tschechischen Republik ist seit langem eine Hochburg der Rechtsextremen. Bei den Landtagswahlen 2004 wählten hier 23 Prozent der Einwohner NPD, bei den Bundestagswahlen 2004 waren es 14 Prozent. Bei den Bundestagswahlen 2017 konnte die AfD im Ort fast 40 Prozent Zustimmung auf sich vereinen. Bei den Kommunalwahlen im Mai 2019 votierten 19,6 Prozent der Wähler erneut für die NPD.

Quelle: LVZ vom 20.06.2019


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