Staseve Aktuell – Arbeitsgemeinschaft Staatlicher Selbstverwaltungen

Salvini droht deutscher „Capitana“

 

Das NGO-Schiff Sea-Watch mit 42 Migranten nähert sich trotz Verbots Lampedusa: Der Innenminister will die gesamte Crew ins Gefängnis stecken und droht der EU mit Schengen-Waffe. Unterstützung bekommen die Helfer von der oppositionellen PD.

Odyssee im Mittelmeer: Die Migranten auf dem Rettungsschiff Sea-Watch 3 hoffen, bald in Italien an Land gehen zu können. – (c) REUTERS (GUGLIELMO MANGIAPANE)
 

Rom/Wien. Italiens Innenminister, Matteo Salvini, lässt im Nervenkrieg um das Flüchtlingsschiff Sea-Watch 3, das sich trotz italienischen Verbots der Insel Lampedusa nähert, seine Muskeln spielen. Der „Capitano“, wie der Lega-Chef von Anhängern genannt wird, droht „Capitana Carola“, also der deutschen Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete, mit Gefängnis: „Wer Fehler macht, der zahlt. Diese Drama-Queen von einer Kommandantin soll aufhören, Politik auf Kosten von Migranten zu machen.“ Salvini machte klar, wo er Rackete samt Crew am liebsten sehen würde: „Wenn sie alle festgenommen werden, dann bin ich richtig froh.“

Dieses Szenario ist wahrscheinlich: Aufgrund der neuen Sicherheitsgesetze drohen ihr wegen Beihilfe zur Schlepperei 15 Jahre Haft und 50.000 Euro Geldstrafe, falls sie die Migranten nach Italien bringt. Zudem wird ihr Schiff konfisziert.

Nach einer zweiwöchigen Odyssee im Mittelmeer hat das Schiff mit den 42 geretteten Migranten Lampedusa angesteuert. Den Menschen an Bord gehe es schlecht, sie brauchten Hilfe, so die 31-jährige NGO-Aktivistin. In der Nacht auf Freitag hatte sich der Gesundheitszustand eines 19-Jährigen derart verschlechtert, dass er das Schiff mit seinem minderjährigen Bruder verlassen konnte. Wenige Kilometer vor der sizilianischen Insel war ihr Schiff von der italienischen Polizei gestoppt worden.

„Europa pennt wie immer“

Der Fall Sea-Watch könnte sich zur diplomatischen Krise ausweiten: Dockt das Schiff an, treten erstmals Salvinis Sicherheitsgesetze in Kraft – eine Festnahme der Frau dürfte Berlin stark verärgern. Zudem streitet Salvini seit Tagen mit den Niederlanden, unter deren Fahne die Sea-Watch fährt: Der Innenminister forderte Den Haag erfolglos auf, die Migranten aufzunehmen.

„Den Holländern ist diese Situation völlig egal, den Deutschen ebenso. Und Europa pennt, wie immer“, tönte der Innenminister. Demonstrativ zückt er die Schengen-Waffe: Er drohte damit, die „Migranten nicht zu registrieren“ und ins Schengener Informationssystem SIS einzutragen, sollte die EU „sich nicht endlich um die Aufteilung der Migranten auf die EU-Staaten kümmern“. Rom wird zwar immer wieder vorgeworfen, Einwanderer Richtung Norden „weiterzuwinken“: Es wäre aber das erste Mal, dass Italien sich offiziell weigert, Migranten zu registrieren, wie auch das Dublin-Abkommen vorsieht: Demnach müssen Nicht-EU-Bürger im EU-Land identifiziert werden, das sie als Erstes betreten. Dieser Staat ist auch für sie zuständig. Rom pocht seit Jahren auf eine Regeländerung.

Die EU-Kommission appellierte am Donnerstag an Italien, die Migranten „sofort“ an Land zu lassen. Man sei in Gesprächen mit EU-Staaten, um sie dort unterzubringen. Unterstützung bekamen die Menschenrechtler auch von der oppositionellen Demokratischen Partei (PD). Sie verbrachten die Nacht aus Protest an Bord des Schiffes.

Seit einem Jahr lässt Salvini Häfen seines Landes für Migrantenschiffe sperren. Der Innenminister hofft, so eine Änderung der EU-Migrationspolitik zu erpressen. Und er weist ständig auf seine Erfolge hin: Die Zahl der Migranten, die an Italiens Küsten strandeten, ist heuer um 95 Prozent zurückgegangen. Allerdings ist dies nicht nur auf Salvinis drakonische Maßnahmen zurückzuführen: Grund für die Reduzierung der Zahl ist vor allem ein umstrittenes Abkommen mit libyschen Behörden und Stammesführern – das die Mitte-Links-Regierung abgeschlossen hatte. Zudem stranden weiterhin Migranten in Italien, allerdings kaum auf NGO-Rettungsschiffen: Während sich gestern die Gemüter wegen der 42 Migranten der Sea-Watch erhitzten, traf auf Lampedusa ein kleines Boot mit zehn Tunesiern ein. Allein im Juni kamen auf diese Weise 300 illegale Migranten aus Tunesien auf die Insel. Keiner von ihnen wurde zurückgeschickt.

Außerdem dürften Einwanderer inzwischen neue Routen verwenden: Die Zahl der Migranten, die über die Balkanroute Italien erreichen, hat seit Anfang 2019 deutlich zugenommen. 782 Migranten wurden 2019 in Triest unweit der slowenischen Grenze aufgegriffen, doppelt so viele wie im Vergleichszeitraum 2018.

ZUR PERSON

Carola Rackete (31) ist Kapitänin des NGO-Schiffes, das trotz Verbots aus Rom Italien ansteuert. Die Deutsche aus Kiel arbeitet seit 2016 für Sea-Watch. Sie hat bereits mehrere Schiffe gesteuert und nahm auch an Polar-Expeditionen teil.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 28.06.2019)

Quelle: Die Presse vom 28.06.2019 


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