Deutschland – „Bombenbetrieb“ in Bayern: Forschungsreaktor produziert offenbar illegal hoch angereichertes Uran

 

"Bombenbetrieb" in Bayern: Forschungsreaktor produziert offenbar illegal hoch angereichertes Uran

Wird hier waffenwähiges Uran produziert? Das Reaktorgelände der Technischen Universität Garching

Wegen Uran-Anreicherung rasseln die Westmächte gegen den Iran mit den Säbeln. Deutschland hingegen betreibt mit hoch angereichertem und damit bombenfähigem Material einen Forschungsreaktor in der Nähe von München – laut eines Gutachtens ist das illegal.

von Susan Bonath

Seit fast einem Jahr protestieren Umweltschützer gegen anvisierte neue Castortransporte hochradioaktiven Atommülls in das Zwischenlager Ahaus im Münsterland. Kommen sollen sie aus München-Garching. Dort betreibt die Technische Universität (TU) München einen Forschungsreaktor mit zu 92,3 Prozent angereichertem Uran. Einem in der vergangenen Woche veröffentlichten Rechtsgutachten zufolge verstößt Bayerns Regierung damit nicht nur gegen die Betriebsgenehmigung, sondern auch gegen Gesetze.

In Auftrag gegeben hatte das Gutachten der Rechtsanwältin Cornelia Ziehm ein Bündnis aus Juristen, Wissenschaftlern, Umweltschützern und Politikern. Danach war bereits die Inbetriebnahme des Reaktors FRM II zu Forschungszwecken im Jahr 2004 umstritten. Die zuständigen Behörden genehmigten dies zwar, allerdings mit der ausdrücklichen Auflage, die Anlage bis Ende 2010 auf niedriger angereichertes Uran umzurüsten. „Es handelt sich dabei um eine wesentliche Inhaltsbestimmung, die aber nicht eingehalten wird“, konstatiert die Juristin in dem Papier.

Illegal und hoch gefährlich“

Danach hätte die TU rechtzeitig vor dem Ende der Frist ein atomrechtliches Verfahren zur weiteren Genehmigung beantragen müssen. Stattdessen habe sie lediglich mit der Landesregierung vereinbart, die Frist bis Ende 2018 zu verlängern und dies dann noch einmal erneuert. „Das ist aber juristisch unbedeutend, weil es keinen Einfluss auf Rechtmäßigkeit hat“, so die Anwältin. Die bayrische Landesregierung müsse deshalb „jeden weiteren Betrieb des FRM II mit dem gefährlichen Brennstoff auf Grundlage des Atomgesetzes untersagen“, mahnte sie.

Auch das Bündnis, dem unter anderem das Umweltinstitut München, der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Bayern, der Verein „Bürger gegen den Atomreaktor Garching“ und Politiker angehören, hält das Vorgehen für „illegal und hoch gefährlich.“ „Deshalb lagern direkt vor den Toren Münchens inzwischen mehr als 300 Kilogramm waffentaugliches Uran in Form von frischen und abgebrannten Brennelementen“, schreiben sie in einer Petition an Bayerns Regierende unter dem Titel „Kein Spiel mit der Bombe, Herr Söder!“ Ihre Angst: „Sollte das Material in die falschen Hände geraten, könnte es für den Bau von mehr als 50 Atombomben missbraucht werden.“ Deshalb sei der Reaktor umgehend stillzulegen. Der bayerische BUND-Vorsitzende Richard Mergner kündigte eine mögliche Verbandsklage an.

Atommülllager in Garching voll

Der umweltpolitische Sprecher der Linke-Fraktion im Bundestag, Hubertus Zdebel, fordert in einer Mitteilung ebenfalls Konsequenzen. „Wenn Bayerns Regierung nicht handelt, muss das Bundesumweltministerium eingreifen und das rechtswidrige Vorgehen per Weisung beenden“, so Zdebel.

Der Einsatz von hoch angereichertem Uran sei schon lange weltweit umstritten, mahnte er. Selbst die USA hätten sich geweigert, das Material zu liefern. „Aber Bayern und Deutschland ignorierten die Warnungen“, kritisierte der Politiker.

Aktuell sei der Reaktor nur wegen Problemen bei der Belieferung ausnahmsweise nicht in Betrieb. Außerdem sei das Lagerbecken für die verbrauchten hochradioaktiven Brennelemente demnächst voll, weshalb der Atommüll künftig nach Ahaus verbracht werde, erläuterte der Politiker. Die noch in diesem Jahr geplanten Castortransporte ins Münsterland waren im vergangenen Jahr bereits Thema. Eine Sprecherin der TU betonte damals, die Verfrachtung der abgebrannten Brennstäbe sei bereits mit der Betriebsgenehmigung im Jahr 2003 beschlossen worden. Geschehen müsse dies in gepanzerten Fahrzeugen auf der Straße, da Garching keinen Schienenanschluss habe.

Eine Sprecherin der Bayerischen Staatskanzlei fühlte sich nicht zuständig. Auch Bayerns Umweltministerium wies die im Rechtsgutachten erhobenen Vorwürfe weit von sich. Der Forschungsreaktor sei eine Hochsicherheitsanlage und hinreichend genehmigt. Auch Umweltauflagen würden erfüllt, erklärte ein Sprecher. Er betonte zudem die „hohe Bedeutung“ der Anlage für „hochkarätige technische und medizinische Forschung.“ Nur leider sei ein Umrüsten auf einen Brennstoff mit geringerer Anreicherung „derzeit technisch unmöglich“, so der Sprecher weiter. Treffe allerdings letzteres zu, meint Rechtsanwältin Ziehm dazu in dem Gutachten, „muss die Genehmigung ganz und gar für nichtig erklärt werden.“

Was es mit dem Anreichern von Uran auf sich hat

Natürliches Uran enthält nicht einmal ein Prozent spaltbares Uran 235. Der restliche Anteil besteht vor allem aus dem nicht nutzbaren Isotop Uran 238. Damit lässt sich schwerer eine Kettenreaktion erzeugen. Dennoch gibt es Reaktoren, die mit Natururan auskommen. Die meisten benötigen laut World Nuclear Association leicht auf drei bis fünf Prozent angereichertes Uran, für einige wenige wird 20-prozentiges Material genutzt. Für Atombomben indes muss der Anteil von Uran 235 auf minimal 90 Prozent erhöht werden.

Dass in Garching hoch angereichertes Uran genutzt wird, hat allerdings wenig mit Energiegewinnung zu tun. Sinn der Anlage sei, so heißt es, die Gewinnung von Neutronenstrahlung für die Forschung.

Seit 2011 sollte der Forschungsreaktor bereits mit nur zu 50 Prozent angereichertem Uran auskommen. Geschehen sei nichts, weil es für diese Zwecke keine qualifizierte Alternative gebe, erklärte die TU gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Dass es seit Mitte März Probleme mit der Anlieferung von Brennstäben aus Frankreich gibt, liegt offiziell daran, dass die französischen Behörden keine Genehmigung für den deutschen Spezialtransporter ausstellen wollten, der das Material abgeholt hat. Brennelemente für den deutschen Forschungsreaktor lieferte unter anderem auch der russische Brennstoffproduzent TVEL.

Säbelrasseln gegen den Iran

Der Iran hatte vor rund einer Woche erklärt, sich künftig nicht mehr an das Wiener Atomabkommen zu halten. Danach darf der Staat Uran nur bis maximal 3,67 Prozent anreichern. Je nach Bedarf werde man die Werte nun bis auf 20 Prozent erhöhen, sagte der Sprecher der iranischen Atomenergie-Organisation, Behrus Kamalwandi, den Nachrichtenagenturen am 7. Juli 2019. Zugleich betonte er, der Iran strebe nicht nach einer Nuklearwaffe.

Dies aber werfen die USA und die EU dem Land seit langem allein auf der Basis von Spekulationen vor. Auch US-Präsident Donald Trump drohte dem Iran bereits mehrfach mit einer Eskalation. Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge stehen am Golf längst bereit. Die USA selbst waren schon im vergangenen Jahr aus dem Atomdeal von 2015 ausgestiegen.

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