Parlament gibt Kontrolle aus der Hand: Die Regierung ermächtigt sich selbst – zulässig ist das nicht

Wir müssen die Verfassung schützen. Auch in diesen Zeiten. Es geht um die schwersten Grundrechtseingriffe in der Geschichte der Bundesrepublik. Ein Kommentar.

STEPHAN-ANDREAS CASDORFF
Abstand halten im Bundestag.
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Abstand halten im Bundestag.FOTO: IMAGO IMAGES/CHRISTIAN THIEL
 

Die Ermächtigung der Regierung zum Erlass von Rechtsverordnungen ist ein Problem, ein ernsthaftes. Denn auch in diesen Zeiten müssen wir die Verfassung schützen. Wo sind eigentlich die Abgeordneten? Wer hält die Flagge des Rechtsstaats hoch? Wer kämpft für die Einhaltung der Grundrechte? Wo ist eigentlich die Justizministerin?

Nach den schlimmen Erfahrungen mit diesem Rechtsinstitut der Verordnungen in der Weimarer Republik dürfen sie nur nach Maßgabe des Artikel 80 in Grundgesetz erlassen werden. Danach müssen „Inhalt, Zweck und Ausmaß“ der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Das ist nicht hinreichend der Fall.

Das Parlament ist der eigentliche Gesetzgeber

So kann jetzt der Schreibwarenladen geschlossen werden, das Spielzeuggeschäft, der Friseur – nur aufgrund von Rechtsverordnungen, ohne dass das Parlament mitbestimmt. Dazu gehört auch, dass – wie in Berlin – jede und jeder die Gründe bei Polizei und Ordnungsbehörden „glaubhaft“ machen muss, die das Verlassen der Wohnung nach den Bestimmungen der Verordnung erlauben.

Es darf aber nicht sein, dass die Abgeordneten das Handeln so stark aus der Hand geben. Das Parlament ist doch der eigentliche Gesetzgeber. Der wird hier nur entweder nicht gefragt oder mit nebensächlichen „Folgenbeseitigungen“ beschäftigt. Die wichtigen Entscheidungen treffen der Landesregierungen zuweilen buchstäblich über Nacht.

Einzelnorm ist kein „Ermächtigungsgesetz“

Und das alles erfolgt auf Grundlage einer Verordnungsermächtigung in Paragraph 32 des Infektionsschutzgesetzes, nach dem nun jeder noch so schwere Eingriff in Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und Eigentum (Art. 14 GG) zulässig sein soll. Obwohl diese Grundrechte in Paragraph 32 IfSG gar nicht erwähnt werden.

Diese Einzelnorm war und ist gewiss nicht als „Ermächtigungsgesetz“ gedacht, das jede parlamentarische Kontrolle aushebeln kann. Der Bundestag ist also aufgefordert, dieses Defizit unverzüglich zu beseitigen und im Infektionsschutzgesetz die notwendige Grundlage zu schaffen, aber nicht allgemein, sondern wie von Artikel 80 GG gefordert. Immerhin geht es um die schwersten Grundrechtseingriffe in der Geschichte der Bundesrepublik.

Quelle: Der Tagesspiegel vom 01.04.2020


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Kleiner Grauer
Kleiner Grauer
3 Jahre zuvor

Über solchen Unfug rege ich mich nicht mehr auf. Die 40 Tage bis Jalta schaffen wir auch noch! Im wilden Westen war das einfach geregelt: wenn Dich einer fragt: woher kommst Du, wohin willst Du? Schieße erst und dann sage: ich will nach Hause. Frei nach John Wayne.