Piwarz im Interview: Darum öffnen in Sachsen schon alle Schulen und Kitas

Sachsens Kultusminister Christian Piwarz bei einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag in Dresden.
 

Dresden – Sachsen geht bei den Corona-Lockerungen voran, öffnet als erstes Bundesland am 18. Mai auch Schulen und Kindertagesstätten wieder für alle Altersklassen. Lediglich ältere Förderschüler sollen noch zu Hause bleiben. Wir sprachen mit Kultusminister Christian Piwarz (CDU) über die Gründe für den Strategiewechsel und über die anstehenden Herausforderungen der Bildungseinrichtungen.

Am Montag geht es für fast alle Kinder wieder los. Wie sind ihre Erwartungen?

Dem Konzept liegt ein Strategiewechsel und die neue Annahme zugrunde, Kinder seien nicht so infektiös. Wie kam es dazu?

Wir haben uns die Frage gestellt, wie wir den Interessen der Kinder gerecht werden. In der allgemeinen Diskussion werden sie ja immer eher als Annex zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung gesehen. Wir müssen aber dafür sorgen, möglichst allen Kindern wieder ein Bildungsangebot zu unterbreiten. Angesichts neuer Informationen zum Infektionsgeschehens bei Kindern, die sich auch verdichten, sowie angesichts der Tatsache, dass Schulen und Kitas bisher zu keinem Zeitpunkt Hotspots gewesen sind, schien uns der Perspektivwechsel vertretbar. Wir gehen weg von den Kleingruppen hin zu geschlossenen Gruppen, um möglichst vielen Unterricht und Betreuung zu ermöglichen. Denn machen wir uns nichts vor: Wenn wir weiter am Prinzip der Kleingruppen festgehalten hätten, wäre über Monate hinaus für viele Kinder keine Kitabetreuung und kein Grundschulunterricht möglich gewesen. Im Sinne der Kinder haben wir uns für einen Wechsel entschieden.

Schüler einer Dresdner Grundschule lernen mit Abstandsregeln in Kleingruppen. Ab kommenden Montag wird diese Aufteilung aufgehoben.
Schüler einer Dresdner Grundschule lernen mit Abstandsregeln in Kleingruppen. Ab kommenden Montag wird diese Aufteilung aufgehoben. Quelle: dpa-Zentralbild

„Kinder gelten nicht als Verbreiter des Virus

Es gibt auch andere Meinungen. Manche Forscher sagen, Kinder könnten genauso infektiös wie Erwachsene sein. Ab Montag haben wir nun wieder Schulklassen mit 25 Kindern, die zusammen lernen. Das klingt nach einem großen Experiment.

Nein, das ist kein Experiment. Es ist ein fundierter und durchdachter Vorschlag, der das aufgreift, was wir in den vergangenen Wochen erlebt haben. Insbesondere meine ich Ergebnisse, die von Wissenschaftlern aus Österreich transportiert wurden und das, was bei uns im Land passiert ist: Kinder nehmen am Infektionsgeschehen nur sehr unterdurchschnittlich teil und sie gelten selbst nicht als Verbreiter des Corona-Virus. Das ist auch anders, als es beispielsweise bei der Influenza der Fall ist. Trotzdem bleibt es natürlich eine Risikoabwägung, die wir treffen müssen.

In den Schulen atmen viele Mitarbeiter trotzdem schwer. An Gymnasien und Oberschulen fehlt es schon jetzt mit den geteilten Klassen mitunter an Personal und Räumen. Wie soll das mit mehr Kindern gehen?

Den weiterführenden Schulen haben wir deshalb ja besonders viele Freiheiten gewährt. Wir wollen so viel wie möglich Unterricht ermöglichen, setzen aber auch auf einen Wechsel zwischen Präsenz- und Lernzeit. Wir haben bewusst darauf verzichtet, feste Korsette vorzugeben, an denen sich orientiert werden soll. Es ist in der Freiheit der Schulen, je nach räumlichen und personellen Voraussetzungen, welchen Unterricht sie überhaupt gewährleisten. Der Lehrplan ist nicht mehr verpflichtend bis zum Ende des Schuljahres. Wir wollen trotzdem so viel Unterricht wie möglich und eine bessere Koordination der häuslichen Lernzeiten durch einen regelmäßigen Kontakt mit den Lehrern.

Mithilfe der Eltern notwendig

Das Konzept für Grundschulen und Kitas ist starrer. Die Mitarbeiter haben zum Teil Bedenken angesichts voller Räume. Wie wollen sie die Wogen glätten?

In dem wir deutlich machen, dass wir auch umfangreiche Schutzmaßnahmen ergreifen. Wir sagen ja auch klar, dass wir nur symptomfreie Kinder betreuen und beschulen wollen. Deswegen gibt es die tägliche Erklärung der Eltern. Das ist kein medizinisches Attest, aber eine Bestätigung, dass Kinder keine Symptome haben. Das Problem an den Grundschulen ist doch eher, dass man den Unterricht immer in Verbindung mit der Betreuungssituation im Hort sehen muss. Es kann deshalb nur ein Konzept funktionieren, bei dem die Kinder wieder den ganzen Tag in den Schulen sind – vielleicht mit Einschränkungen in der Betreuung an den Randzeiten.

Die Unterschriften der Eltern werden rechtlich kaum bindend sein. Somit geben die Erklärungen keine abschließende Sicherheit, dass die Kinder tatsächlich keine Symptome haben.

Die Regelung mit der Unterschrift hat eine hinweisende Funktion. Eltern müssen sich bewusst sein, dass wir auch ihre Mitwirkung brauchen. Im Sinne von: Ich muss mein Kind anschauen und wenn Symptome vorliegen, dann muss es zu Hause bleiben. In normalen Infektionszeiten ist das ja häufig nicht der Fall. Gerade bei Grippewellen wurde so in der Vergangenheit manche Infektionskette losgetreten. Es ist nun besonders wichtig, dass Kinder mit Krankheitssymptomen nicht in die Einrichtung kommen, damit die anderen Bildung und Betreuung genießen können.

Lehrer können sich mit Attest befreien lassen

Der Altersdurchschnitt der Lehrer in Sachsen ist hoch. Manche Pädagogen haben auch Vorerkrankungen. Müssen alle ab Montag wieder ran?

Wir haben bislang eine eher kulante Regelung verfolgt, weil die Präsenzzeiten in den Schulen ja auch geringer waren. Das wird sich ein Stück weit ändern. Wenn Lehrerinnen und Lehrer über Vorerkrankungen verfügen und es ein medizinisches Risiko gibt, dann wird es mit einem entsprechenden ärztlichen Attest auch möglich sein, sich vom Präsenzunterricht befreien zu lassen. Die Kollegen könnten dann zum Beispiel in der Betreuung der häuslichen Lernzeit eingesetzt werden, wo sie keinen unmittelbaren Kontakt mit den Schülern haben.

Was ist mit älteren Kollegen in der Risikogruppe, die sich keinem Risiko aussetzen wollen?

Man muss diese Sorgen natürlich ernst nehmen. Wir haben die Schulleiter gebeten, insbesondere mit den älteren Kollegen das Gespräch zu suchen. Sollte es verdichtete Hinweise geben, dass es zu große Angst vor dem Ansteckungsrisiko gibt, dann empfehlen wir, den medizinischen Rat einzuholen und sich gegebenenfalls auch ein Attest ausstellen zu lassen. Ich kenne aber auch viele Lehrer, die zuletzt die Abschlussklassen geführt haben, denen es besonders wichtig war, ihre Schüler auch persönlich bis zum Abschluss zu bringen.

Wird es eine Evaluierung der Schul- und Kita-Wiedereröffnung geben?

Wir werden die Situation sehr genau beobachten. Es ist ja für uns alle, die wir im schulischen Kontext zu tun haben, eine komplett neue Situation, in der wir uns erst zurecht finden müssen. Unser erstes Interesse wird dabei sein, wie es am Montag anläuft. Uns interessiert, welche Modelle es gibt, um den Unterricht sicherzustellen. Natürlich stehen wir auch mit den Gesundheitsämtern in engem Kontakt, um zu schauen, wo gegebenenfalls doch Infektionen auftreten. Bis zum jetzigen Zeitpunkt waren Schulen und Kitas aber zumindest keine Infektionsherde. Wir hoffen, dass dies mit unserem Konzept so bleibt.

Von Matthias Puppe

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 13.05.2020 


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Kleiner Grauer
Kleiner Grauer
3 Jahre zuvor

Ein Bildungsminister ohne Bildung, will Schulen für Bildung öffenen in denen Er schon nichts gelernt hat. Minister gibt es nur in einem Staat. Ist Sachsen ein Staat? Wenn ja, zeigt mir seine Länderkennung bei der UNO, dort muß jeder Staat eingetragen sein! Und die Gründungsurkunde-quiiiek!

birgit
birgit
3 Jahre zuvor
Reply to  Kleiner Grauer

Sachsen ist ein Bundesstaat der Völkerrechtsubjektes Deutsches Reich.
Das DR ist bei der UN gelistet und besitzt dort einen Stuhl, auf dem auch Mordsel nicht Platz nehmen durfte, weil sie nicht die Vertreterin dieses Staates ist.
Wie sagte Putin so trffend, schon vor einigen Jahren ! Gehen SIE nach Hause und sagen dem Volk die Wahrheit !

Eric
Eric
3 Jahre zuvor
Reply to  birgit

Wann ist denn das DR der UN beigetreten ? oder nur gelistet ohne Mitgliedschaft ?

Eric
Eric
3 Jahre zuvor
Reply to  staseve

Sehr Interessant – Dankeschön

Kleiner Grauer
Kleiner Grauer
3 Jahre zuvor
Reply to  birgit

Er hat auch in Heiligendamm zu Mordsel gesagt: Zeigen Sie mir Ihre Verfassung.

Kleiner Grauer
Kleiner Grauer
3 Jahre zuvor

Sehr geehrter Herr RXXXX,

eine Gründungsurkunde des Freistaates Sachsen im Sinne, dass dezidiert der „Freistaat Sachsen“ mit Unterschreiben einer Urkunde gegründet wurde, gibt es nicht.
Am 3. Oktober 1990 wurde auf der Albrechtsburg Meißen anlässlich der Inkraftsetzung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland im Gebiet der ehemaligen DDR – legitimiert durch das DDR-Ländereinführungsgesetz, das auf Volkskammerbeschluss zum vorgezogenen Termin am 3. Oktober 1990 in Kraft trat – in einem Festakt die Errichtung des Bundeslandes Sachsen gefeiert. Es wurde dabei keine Urkunde unterschrieben, die das beurkundet.
Im nach der ersten Landtagswahl gewählten sächsischen Landtag wurde am 27.09.1990 ein Antrag gestellt und später angenommen, das Bundesland Sachsen künftig „Freistaat Sachsen“ zu nennen. Diese Bezeichnung hat keinerlei staatsrechtliche Bedeutung, daher gibt es auch darüber keine besonders ausgefertigte Urkunde, sondern wie üblich das Landtagsprotokoll über die Annahme dieses Antrages.
Informationen über die Geschichte der Wiedererrichtung des deutschen Bundeslandes Sachsen und z.B. über die Bezeichnung „Freistaat“ finden Sie unter http://www.freistaat.sachsen.de/index.html. Wenn Sie so wollen, ist die später unterschriebene Verfassung des Freistaates Sachsen seine Gründungsurkunde.

Für weitere Nachfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichem Gruß

Dr. Walter Siegemund
Leiter Bürgerbüro