Staseve Aktuell – Arbeitsgemeinschaft Staatlicher Selbstverwaltungen

Wie Reichsbürger Behörden lahm legen


von Sandra Aïd & Kaveh Kooroshy

„Wer kennt das Handbuch der Behörden zum Umgang mit Reichsbürgern?“, fragt Erhard Lorenz spöttisch. Die rund 30 Anwesenden grinsen und einige melden sich. Im niedersächsischen Goslar ist das selbsternannte „Präsidium des Deutschen Reiches“ zusammengekommen. Lorenz, seines Zeichens „Präsidialsenat des Deutschen Reiches“ rümpft über das Buch abfällig die Nase.

„Reichsbürger“ lehnen die Bundesrepublik Deutschland ab. Die teilweise rechtsextreme Bewegung nervt Ämter und Behörden mit wirren Anträgen, Klagen und Beschwerden.

Es geht um ein Handbuch, das vom brandenburgischen Verfassungsschutz mitgeschrieben wurde und Behördenmitarbeitern eine Handlungsanweisung für Männer und Frauen wie die in Goslar liefern soll. Denn die sogenannten Reichsbürger nerven Ämter und Behörden mit wirren Anträgen, Klagen und Beschwerden. Das Problem: Die Ämter müssen jeden Brief der „Reichsbürger“ prüfen und so entsteht ein hoher, sinnloser Verwaltungsaufwand.

Unsinnige Anzeigen beschäftigen die Behörden

Wird von sogenannten „Reichsbürgern“ zur Terror-Helferin erklärt: Bürgermeisterin Margret Seemann (SPD).

 Direktbestellen klick aufs Bild

In Wittenburg in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise gibt es die Reichsbürger-Gruppe um Rüdiger Hoffmann. Er hat die Bürgermeisterin der Stadt angezeigt: Es bestehe der Verdacht der Beihilfe zur illegalen Einwanderung, Menschenhandel und Deckung und Schutz von Terroristen. Nun muss die Schweriner Staatsanwaltschaft, bei der die Anzeige einging, prüfen, ob die SPD-Bürgermeisterin Margret Seemann tatsächlich Terroristen schützt.

Gegenüber „Panorama 3“ erklärte der zuständige Staatsanwalt Stefan Urbanek, dass Ermittlungen nicht geführt worden seien – es mangelte am Anfangsverdacht. Das Verfahren sei eingestellt worden. Die Bürgermeisterin kann über den Vorgang nur den Kopf schütteln: „Es ist ohnehin so, dass alle Behörden in den letzten Jahren massiven Personalabbau hatten und da werden Mitarbeiter mit Dingen beschäftigt, die völlig unproduktiv sind. Wir werden da mit völlig unsinnigen, destruktiven Sachen aufgehalten.“

Im Rathaus von Wittenburg sind Mitarbeiter mehrfach von sogenannten Reichsbürgern beschimpft und beleidigt worden. Nun hat die Stadtverwaltung neue Sicherheitsrichtlinien erlassen.

Wer sind die „Reichsbürger“?

Was sind „Reichsbürger“ eigentlich? „Mit diesem Begriff werden Personengruppen und Einzelpersonen zusammengefasst, welche die Existenz der Bundesrepublik als souveränen Staat leugnen (…) Ebenso häufig glauben sie an die Existenz von Fantasie-Reichsregierungen, welche im Gegensatz zur Regierung der ‚BRD GmbH‘ legitim seien“, sagt der Brandenburger Verfassungsschützer Michael Hüllen. Er sieht bei vielen Reichsbürgern auch Parallelen zum Rechtsextremismus. Sie leben in der Vorstellung, dass das Deutsche Reich weiterexistiert. Und glauben auch, dass Deutschland immer noch ein besetztes Land ist.

Die Behauptungen der sogenannten „Reichsbürger“ im Faktencheck. extern

„Reichsbürger“: Ein Handbuch

Das Brandenburgische Institut für Gemeinwesenberatung „Demos“ klärt in einem Handbuch über die Gruppen der sogenannten „Reichsbürger“ auf.

In Goslar zeigt der „Staatssekretär im Reichspresseamt“, Roland Ziegler, seinen selbst gedruckten Ausweis. Die Ausweise müssen bei der so genannten „Deutschen Reichsdruckerei“ beantragt werden. Der „Reichs-Personenausweis“, der „Reichs- und Staatsangehörigkeitsausweis“ oder die „Reichs-Fahrerlaubnis“ kosten dabei zwischen zwanzig und dreißig Euro.

Sicherheitsschulungen für Mitarbeiter

Im Wittenburger Rathaus wird nicht nur die Bürgermeisterin von den Reichsbürgern belästigt. Auch ihre Mitarbeiter in der Stadtverwaltung sind immer wieder dem aggressivem Verhalten der Reichsbürger ausgesetzt. Deshalb haben sie nun Sicherheitsschulungen bekommen. Keine Scheren, keine Locher mehr offen auf dem Schreibtisch. Und: das Rathaus in Wittenburg kann man auch nicht mehr einfach so betreten. Man steht vor einer geschlossenen Tür, muss klingeln und wird dann abgeholt.

Quelle: NDR vom 10.05.2016

Die mobile Version verlassen