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Trotz Kalbitz-Rauswurf: Verfassungsschutz stuft AfD in Brandenburg als Verdachtsfall ein

Der Verfassungsschutz in Brandenburg sieht bei der AfD Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen. Deshalb wird die Partei nun offiziell beobachtet.

ALEXANDER FRÖHLICH
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Seine Leute haben in der AfD Brandenburg weiterhin das Sagen: Andreas Kalbitz.FOTO: PATRICK PLEUL/DPA
 

Der Brandenburger Verfassungsschutz hat den Landesverband der AfD als Verdachtsfall eingestuft – obwohl der bisherigen Führungsfigur Andreas Kalbitz die Mitgliedschaft vom Bundesparteivorstand entzogen wurde. Damit ist Brandenburg nach Thüringen das zweite Bundesland, in dem der Verfassungsschutz die AfD offiziell beobachtet.

Am Montagmittag wollen Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) und der im Februar ernannte Abteilungsleiter für Verfassungsschutz, Jörg Müller, vor der Presse die Details erläutern. Demnach hätte die Brandenburger AfD auch als absoluter Beobachtungsfall und damit als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft werden können.

Um die Maßnahme jedoch auch nach dem Kalbitz-Rauswurf für die Gerichte wasserdicht zu machen, bleibt es zunächst beim Verdachtsfall. Nach den gesammelten Informationen bestehen hinreichende Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen der Brandenburger AfD gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Nach Tagesspiegel-Informationen geht der Verfassungsschutz von einer „Verflügelung“ der Brandenburger AfD aus. Brandenburg gilt neben Thüringen und Sachsen als Stammland des Ende April aufgelösten, völkisch-nationalistischen „Flügels“ der AfD, der vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird.

Neben dem Wortführer des „Flügels“, Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, galt Andreas Kalbitz als mächtiger Stratege und Strippenzieher. Er war bis vor kurzem auch Parteivorsitzender in Brandenburg und Fraktionschef im Landtag. Aus Sicht des Brandenburger Verfassungsschutzes gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass Kalbitz in der rechtsextremistischen Szene verwurzelt und rechtsextremistisch eingestellt ist. Außerdem spielt er weiterhin eine entscheidende Rolle in der Landes-AfD.

Die AfD in Brandenburg folgt weiterhin Andreas Kalbitz

Auf Betreiben von AfD-Chef Jörg Meuthen hatte der Bundesvorstand Kalbitz Mitte Mai mit knapper Mehrheit das Parteibuch entzogen. Als Begründung wurden verschwiegene Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Organisationen angeführt. In Brandenburg blieben seine Reihen trotzdem geschlossen.

Für die AfD im Landtag und Chef von „Zukunft Heimat“: Christoph Berndt. FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA

Im Landtag änderte die AfD-Fraktion sogar ihre Geschäftsordnung für Kalbitz, damit er – ohne Parteimitglied zu sein – ihr weiterhin angehören kann. Fraktion und Landespartei werden nun eben von Kalbitz-Vertrauten geführt. Für den Verfassungsschutz sind das klare Hinweise darauf, wie stramm die Landespartei Kalbitz und dessen rechtsextremistischen Einstellungen folgt.

Es gibt Verflechtungen mit der Identitären Bewegung

Hinzu kommen personelle Verflechtungen der Brandenburger AfD mit der als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuften Identitären Bewegung. Der Verfassungsschutz registrierte schon seit geraumer Zeit die Mitarbeit von Aktivisten der Identitären in der Landtagsfraktion. Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren mehrere solcher Fälle durch die Presse enthüllt worden.

Der Verfassungsschutz sprach im Sommer 2019 mit Blick auf die Identitären und ihre Rolle im Landtag in Potsdam von der „Möglichkeit einer mittelbaren und damit verdeckten Beteiligung von extremistischen Personenzusammenschlüssen an Willensbildungsprozessen“ gewählter Volksvertreter. Dies sei „besorgniserregend“.

Chef von „Zukunft Heimat“ sitzt für die AfD im Landtag

Auch der Verein „Zukunft Heimat“, der vor allem in Cottbus mit flüchtlingsfeindlichen Protesten auffiel, dürfte für den Verfassungsschutz bei der Neubewertung der AfD eine Rolle spielen. Vereinschef Christoph Berndt war bei der Landtagswahl 2019 auf Platz zwei der Landesliste der AfD hinter Kalbitz angetreten und im Gegensatz zum Parteichef mit Direktmandat in den Landtag eingezogen.

Am Samstag in Sebnitz: (von links) Jan Zwerg, Generalsekretär der Sachsen-AfD, Ivo Teichmann und Lothar Hoffmann, AfD Sächsische…FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA

Berndts Anti-Asyl-Initiative hat „organisatorische und personelle Überschneidungen“ vor allem mit der rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“, stellte der Verfassungsschutz bereits vor zwei Jahren fest. Der Nachrichtendienst fand auch Anhaltspunkte für eine Zusammenarbeit von „Zukunft Heimat“ mit dem 2012 verbotenen Neonazi-Netzwerk „Aktionsbündnis Südbrandenburg“, auch bekannt als „Spreelichter“.

Bei den Demonstrationen von „Zukunft Heimat“ stellte er NPD-Mitglieder, Neonazis aus der Kameradschaftsszene, Personen aus der rechtsextremen Hooligan-, Kampfsport- und Musikszene fest – aber keine erkennbare Distanzierung des Vereins von Extremisten.

„Zukunft Heimat“ setzte Corona-Maßnahmen mit Ermächtigungsgesetz gleich

Erst Mitte Mai hatte der Verfassungsschutz eine neue Einschätzung veröffentlicht, darin ging es um die Proteste von „Zukunft Heimat“ gegen die Eindämmungsmaßnahmen in der Corona-Pandemie. Der Verfassungsschutz notierte nach der ersten „Covid-1984“-Demonstration „mit maßgeblicher AfD-Beteiligung“ in Cottbus: „Die Grenze zum Extremismus wird aber überschritten, wenn Äußerungen auf die Verächtlichmachung unserer Demokratie abzielen.“

Auf der Demonstration wurden die Anti-Corona-Maßnahmen mit Hitlers Ermächtigungsgesetz gleichgesetzt. Derlei Äußerungen zielten „tatsächlich darauf ab, unsere Demokratie verächtlich zu machen. Es ist die Rhetorik von Extremisten“, stellte der Verfassungsschutz danach fest. Ebenso „verbale Totalität und Aggressivität“ sowie „die verrohte Rhetorik der Verächtlichmachung“.

Der Landtagsabgeordnete und Vereinschef Berndt habe sich nicht davon distanziert. Auch war der gelbe Judenstern mit der Aufschrift „nicht geimpft“ bei der Demonstration gezeigt worden. Der Brandenburger Verfassungsschutz spricht daher seit kurzem beim Verein „Zukunft Heimat“ von einem „entgrenzten Rechtsextremismus“, der sich „im Vorhof des herkömmlichen Rechtsextremismus eine weit ausgreifende, durchlässige neu-rechte Grauzone gebildet hat“.

Kalbitz sprach von „rechtextremen Bezügen“ in seiner Biografie

Zurück zu Andreas Kalbitz, dem bisherigen AfD-Landeschef: Er klagt derzeit gegen seinen Parteiausschluss. Er bestreitet zum einen, bei seinem AfD-Eintritt Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Organisationen verschwiegen zu haben. Zum anderen bestreitet er die Feststellung des Bundesverfassungsschutzes, dass er Mitglied bei dem militanten Nazi-Verein „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) gewesen sei, der 2009 vom Bundesinnenministerium verboten wurde. Dem Verfassungsschutz liegt dagegen eine Mitgliederliste vor, auf der „Familie Andreas Kalbitz“ samt Mitgliedsnummer 01330 geführt wird. Kalbitz dagegen schließt nicht aus, auf einer Interessentenliste der HDJ gestanden zu haben.

Er sprach bislang lediglich von „rechtextremen Bezügen“ in seiner Vergangenheit. Dazu gehören Besuche bei der HDJ, die Kinder und Jugendliche mit Hitler-Verehrung und militärischem Drill zur braunen Nachwuchselite machen wollte. Es gab auch Verquickungen mit der rechtsextremistischen Jungen Landsmannschaft Ostpreußen und dem Witikobund in Kalbitz‘ Zeit als Berufssoldat und Falschschirmjäger bei der Bundeswehr.

Kalbitz nahm an Neonazi-Veranstaltungen teil

Hinzu kommen Teilnahmen bei Neonazi-Veranstaltungen in Belgien und zuletzt 2007 in Athen, wohin er mit dem damaligen NPD-Chef Udo Voigt und weiteren Führungskadern der Partei gefahren war. Die Gruppe aus „14 deutschen Neonazis“, wie das Bundeskriminalamt damals feststellte, hatte eine Hakenkreuzflagge am Hotel gehisst. Daneben war Kalbitz mehrere Jahre Vorstandsmitglied und von 2014 bis 2015 Vorsitzender eines rechtsextremen Kulturvereins, der von einem SS-Mann gegründet worden war.

Kalbitz wurde wie Thüringens AfD-Chef Höcke seit Herbst vom Bundesverfassungsschutz außerhalb seiner parlamentarischen Arbeit beobachtet. Grundlage dafür war die Anfang 2019 vorgenommene Einstufung des „Flügels“ als Verdachtsfall. Im März 2020 folgte die Heraufstufung zum vollständigen Beobachtungsfall, was den Einsatz von V-Leuten möglich macht. Dies und der Druck aus dem AfD-Bundesvorstand führten zur vorgeblichen „Flügel“-Auflösung.

Quelle: Der Tagesspiegel vom 15.06.2020 


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