Geopolitik Nervosität in Washington: Was machen die Russen in Syrien?

Die jüngsten Aktivitäten Russlands in Syrien sorgen bei der US-Regierung für Unruhe: Das Weiße Haus untersucht, ob die Russen in Syrien bereits in die Kämpfe eingegriffen haben. Washington droht den Russen vorsorglich. Der tschechische Verteidigungsminister glaubt, dass die Russen mit Angriffen begonnen hätten. Die Lage ist unübersichtlich – und könnte gefährlich werden.

Die Amerikaner rätseln, welchen Plan Russlands Präsident Wladimir Putin, hier mit Chinas Xi Jinping, in Syrien verfolgt. (Foto: dpa)

Die Erkenntnisse des israelischen Geheimdienstes Mossad über eine mögliche Intervention Russlands in Syrien sorgen für Nervosität in Washington. AFP-Reporter Andrew Beatty meldet, dass das „Weiße Haus genau Berichte beobachtet, wonach Russland begonnen hat, militärische Operationen in Syrien durchzuführen“. Sollten sich diese Berichte bewahrheiten, wäre dies „sowohl destabilisierend als auch konterproduktiv“, sagte der Sprecher.

Die Online-Ausgabe von Yedioth Ahronot, Ynet, hatte berichtet, dass Russland plane, mit Kampffliegern Einsätze gegen den IS zu fliegen.

Ein Sprecher von Russlands Präsident Wladimir Putin hatte darauf gesagt, dass aktuell keine russischen Flugzeuge im Einsatz seien. Ein klares Dementi über die russischen Pläne gab es allerdings nicht: Die staatliche russische Website RT zitiert den Kreml-Sprecher Dimitri Peskow zwar mit der Aufforderung, man solle dem Bericht von Ynet „nicht glauben“. Doch im selben Artikel bringt RT ein Foto, das angeblich russische Flieger und eine Drohne über Syrien zeigen. Statt eines klaren Dementis schreibt RT lediglich, dass „unbestätigte Fotos auf Twitter aufgetaucht“ seien. Normalerweise würden RT einen Militär zitieren, der die Echtheit dieser Bilder in Frage stellt.

Die Herkunft dieser Bilder ist unbekannt. Allerdings schreibt die Washington Post, die Fotos stammten vom syrischen Al Qaeda-Ableger Jabhat Al-Nusra und zeigen die Fluggeräte über der syrischen Provinz Idlib. Die Post sieht die Möglichkeit einer neuer Entwicklung: Während russische Drohnen nichts Ungewöhnliches seien, wäre der Einsatz von Kampfflugzeugen eine neue Variante. Während eine Pentagon-Sprecherin sagte, dass sie keine Informationen zu den russischen Maschinen habe, sagte ein Geheimdienst-Mann dem Daily Beast, die Geheimdienste „haben nichts gesehen, dass darauf hinweisen würde, dass die Russen sich an den Kämpfen nicht beteiligen“.

Der tschechische Verteidigungsminister Martin Stropnický sagte laut Prague Post nach einer Sitzung des tschechischen Verteidigungsrates: „Wir wollen das überprüfen. Das ist eine ziemlich wichtige Nachricht. Ich habe mit einigen Vertretern unserer Spezialeinheiten heute Morgen gesprochen. Sie überprüfen das.“ Es sei „ziemlich wahrscheinlich“, dass die Russen aktiv geworden sind. Interessant ist die Einschätzung von Stropnický: Er sagte, dass der Einsatz der Russen ein signifikanter Schritt sein könnte, der zu einer effektiveren Lösung der Situation in der Region führen könnte. Die Prague Post schreibt außerdem, dass Israel die Präsenz der Russen in Syrien „nicht als Bedrohung“ empfinde.

Diese positive Einschätzung könnte ein Hinweis dafür sein, dass die Russen in Syrien nach Absprache mit den USA tätig werden.

Für diese Interpretation spricht auch die etwas kryptische Meldung der deutschsprachigen Kreml-Website Sputnik. Hier heißt es:

„Wie Interfax mittteilt, hatte der US-Außenamtssprecher Mark Toner diese Informationen zuvor mit den Worten kommentiert, dass Washington die Teilnahme Russlands am Kampf gegen den IS begrüßen würde. Laut Toner hat man im Außenministerium Informationen einiger Medien darüber gelesen, dass Russland angeblich Kampffliegerkräfte in Syrien entfalten will. Wie er unterstrich, klärt die amerikanische Seite vorerst diese Informationen, kann sie jedoch nicht bestätigen.“

Die Amerikaner halten sich allerdings bedeckt: Pentagon-Sprecher Peter Cook sagte der AFP: „Die Russen müssen genau erklären, was sie machen.“

Die Lage ist unübersichtlich – und könnte gefährlich werden: Wie der bisherige Krieg in Syrien gezeigt hat, vertreten die verschiedenen internationalen und regionalen Konfliktparteien unterschiedliche Interessen. Die Türkei kämpft gegen die PKK, obwohl sie offiziell nur gegen den IS vorgehen will. Die Russen lehnen einen Sturz von Syriens Präsident Baschar al Assad vorerst noch ab und streben gleichzeitig eine geschlossene Einbindung der syrischen Opposition ein.

Die bisherige militärische Führung der USA war unkoordiniert und hatte den IS noch nicht nachhaltig geschwächt. Die International Business Times erklärt das verstärkte Engagement der Russen mit einem Terroraschlag des IS in Dagestan. Die Russen kritisieren das Scheitern der USA und wollen offenbar das Heft nun stärker selbst in die Hand nehmen.

Für die Zivilbevölkerung wird die mögliche neue Verschärfung der Lage keine Erleichterung bringen. Tausende Syrer befinden sich auf der Flucht und haben die EU in eine äußerst schwierige Lage gebracht.

Quelle: Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 04.09.2015

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