Die Raben am Kyffhäuser

„Im Kyffhäuser sitzt der Rotbart am runden Steintische, um den – ein Ausdruck der unendlich langen Zeit – sein langer Bart schon zweimal herum gewachsen ist. Er nickt, den Kopf in der Hand, und blinzelt schläfrig mit den Augen. Alle seine vielen Tausend Ritter und Helden schlafen in ihren Waffen um ihn her: In seiner Rüstkammer liegen die Waffen gehäuft: Ungeduldig stampfen im Traum die Rosse in den unterirdischen Ställen. Der Kaiser sucht die Zahl seiner Kämpfer zu mehren, indem er tapfere Männer durch den Zwerg zu sich hinablockt in den Berg und gegen Gold seine Dienste wirbt. Von Zeit zu Zeit fragt er den dienenden Zwerg oder einen Schäfer, der sich hineingewagt hatte in die Höhle, ob die Raben noch immer um den Berg fliegen.

Auf die Bejaung ruft er wohl: So muss ich noch schlafen hundert Jahr!
Endlich aber – sein Bart ist nun zum dritten Mal herumgewachsen – fliegen die Raben herein, setzen sich auf seine Schulter und raunen ihm in sein Ohr. Da springt er auf und stößt in das schmetternde Horn: Auf fahren seine Helden aus dem Zauberschlaf, sie greifen, noch halb verschlafen, nach Helm und Schwert, sie eilen nach oben, der Kaiser hängt seinen Heerschild an den dürren Baum am Untersberg (am Birnbaum auf dem Walserfeld: Dieser Baum ergrünt aufs Neue – die halb verdorrte Weltesche erneuert sich), Gericht zu halten und alle guten Deutschen unter seinem Heerschild zum Kampfe zu scharen.“

Das Walserfeld ist unverkennbar das Idafeld aus der germanischen Mythologie. Auf dem die Gesetzeshalle Asgards steht. Dort treffen die überlebenden Asen am Ende des Weltuntergangs zusammen, um über den Wideraufbau der Welt zu beraten.
Hier soll im späteren Volksglauben, die letzte Schlacht stattfinden, das jüngste Gericht, das Gute gegen das Böse.

Man spürt selbst im späten Mittelalter, gar bis in die heutige Zeit, dass das germanische Weltbild in den Geschichten und Sagen des Volkes weiter zu leben scheint. Helfende Frauen, sprich alte Göttinnen oder Geister, wie „Frau Holde“ in dem hohlen Stein, Frau Vrene, Frau Venus; sehr viel häufiger aber Helden, also ursprüngliche Götter, welche, durch bösen Zauber gebunden an Berge oder Felshöhlen, auferstehend am Ende der Tage, oder wenn das Volk zu sterben beginnt, schimmern weiter hindurch.

Siegfried, Dietrich von Bern, Karl der Große, Widukind, Otto der Große, Friedrich der Rotbart, Friedrich der Zweite, die „drei Telle“ (>schweiz< gemeint Wotan, Donar, Frô) harren im Zauberschlaf, um am Ende der Zeit für das Volk zu kämpfen.

Wie einst bei Wotan, mit seinen Raben Hugin und Munin (Erinnerung und Gedanke), sind auch die Raben am Kyffhäuser sehende Zauberwesen, die als Boten der Göttlichkeit dienen.
Auch wenn der Jetztmensch blind und blasphemisch das Heil der Welt verleugnet und übersieht, so kann ein Jeder für sich selbst entscheiden, ob er den Ahnenglauben in sich entfacht und das magische Weltbild zu entwickeln beginnt.

Hier die Barbarossa-Sage als Gedicht:

Der alte Barbarossa,
Der Kaiser Friederich,
Im unterirdschen Schlosse
Hält er verzaubert sich.

Er ist niemals gestorben,
Er lebt darin noch jetzt;
Er hat im Schloß verborgen
Zum Schlaf sich hingesetzt.

Er hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit,
Und wird einst wiederkommen,
Mit ihr, zu seiner Zeit.

Der Stuhl ist elfenbeinern,
Darauf der Kaiser sitzt;
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stützt.

Sein Bart ist nicht von Flachse,
Er ist von Feuersglut,
Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Haupt ausruht.

Er nickt als wie im Traume
Sein Aug halb offen zwinkt;
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.

Er spricht im Schlaf zum Knaben:
Geh hin vors Schloß, o Zwerg,
Und sieh, ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg.

Und wenn die alten Raben
Noch fliegen immerdar,
So muß ich auch noch schlafen
Verzaubert hundert Jahr.

Quelle: Die Deutsche Seele auf Telegram

Quelle: Nachrichtenagentur ADN (SMAD-Lizenz-Nr. 101 v. 10.10.46) vom 17.02.2021

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