Kölner Silvester-Mob Neue Enthüllungen: Polizei löschte interne Telefondaten


von Gerhard Voogt und Christian Wiermer
11.07.16, 18:26 Uhr
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Polizei im Einsatz in der Kölner Silvesternacht 2015.

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Köln – Kann das wirklich noch alles Zufall sein? Die von NRW-Innenminister Ralf Jäger (55, SPD) angekündigte „lückenlose Aufklärung“ der Ereignisse rund um die Silvesternacht weitet sich zu einer handfesten Affäre aus.

Jetzt kommt ein monatelanges Versäumnis mit schwerwiegenden Folgen raus. Lösch-Skandal bei der Kölner Polizei!

Hat das Innenministerium am Neujahrstag versucht, Einfluss auf die allererste, hochbrisante Meldung über Sex-Mob zu nehmen? Seit Monaten wird diese Frage heiß diskutiert.

Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann (60) hatte Hinweise der Kölner Polizei auf die Vorwürfe vom 10. Januar ignoriert. Der Minister persönlich erfuhr davon spätestens im März nach einem Besuch von Polizeipräsident Jürgen Mathies (56) in Düsseldorf. Intern drängte Jäger auf Aufklärung, wusste von widersprüchlichen Aussagen.

Als der EXPRESS Anfang April allerdings die belastenden Schilderungen veröffentlichte, ließ er den Bericht eilig „entschieden“ zurückweisen. Nein, einen solchen Anruf habe es überhaupt nie gegeben. Als Quelle für diese Behauptung gab Jäger sogar auch die Kölner Polizei selbst an – eine Unwahrheit, wie Dokumente und Aussagen klar belegen. Jäger wird sich dafür noch erklären müssen.

„Das sind doch keine Vergewaltigungen…“

Denn das Problem für den Minister ist:  Die Kölner Kriminalkommissare  Jürgen H.  und  Joachim H. (beide 52) bleiben auch bis heute ihrer Version:  Am 1. Januar gegen 13.30 Uhr habe sich ein Anrufer, der sich als Mitarbeiter der Landesleitstelle vorstellte,  bei ihnen gemeldet und den Rückruf der Meldung an die Landesregierung gefordert.

„Das sind doch keine Vergewaltigungen. Diesen Begriff streicht ihr. Ihr storniert die WE-Meldung und schreibt die am besten ganz neu“, sagte der Anrufer laut H.. Dies sei ein „Wunsch aus dem Ministerium“. In der gleichen Passage mit der Vergewaltigung befand sich auch der – bis dahin in Europa  völlig unbekannte – Hinweis, dass die  (40-bis 50-köpfige) Tätergruppe von den Opfern einheitlich als Nordafrikaner beschrieben wurde.  Was sollte verschwiegen werden?

Aufklärung, wer der mysteriöse Anrufer war, sollten jetzt  die Telefondaten liefern.  Jäger  versprach, persönlich „wo rechtlich möglich, und da, wo technisch möglich, auch –  möglicherweise durch Verbindungsdaten – natürlich an der Aufklärung“ mitzuarbeiten.

Kölns Vize-Polizei-Chef Manuel Kamp (39), den der „Kölner Stadt-Anzeiger“  zum  Amtsantritt im Dezember als „Vertrauten“  Jägers bezeichnete,  hatte im Untersuchungsausschuss im Mai allerdings gesagt,  diese seien seit Ende Februar nicht mehr verfügbar. Man habe nach Aufkommen der Vorwürfe alles probiert, vergeblich.

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Daten gesichert…

Doch auch das ist offenbar falsch – es war sehr wohl möglich! Oder besser:  Es wäre möglich gewesen. Wie aus einem neuen Schreiben des Innenministers  an den Untersuchungsausschuss hervorgeht, hat die Polizei erst am 2. Juni (!) die Daten des entscheidenden Anschlusses der Kriminalwache  gesichert  – fünf Monate nach den Ereignissen und über zwei Monate nachdem Jäger sich vor dem Parlament erstmals zu den Anruf erklären musste.

Die Folge:  Wegen der automatisierten Löschung der Festnetzverbindungen konnten nur noch die Telefonaten ab dem 2. bzw. 3. Januar rekonstruiert werden.

Wäre die Sicherung bereits bis Anfang Mai erfolgt, wäre auch der entscheidende Tag, Neujahr, enthalten.  Das bestätigt die Kölner Polizei, die jedoch mitteilt, dass ein Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses erst im Mai erfolgt sei.

Bis dahin habe die „Rechtsgrundlage“ zur Sicherung gefehlt. Allerdings: Zu anderen Telefonaten rund um die Silvesternacht wurden die Daten zuvor auch ohne solchen Beschluss gesichert.

Im Untersuchungsausschuss des Landtags wurden am Montag u. a. zwei Polizisten vernommen. Ihre Vernehmung warf ein Schlaglicht auf die Pannen bei der Planung und der Durchführung des Einsatzes in der Silvesternacht.

Burkhard J. (58), Streifenbeamter am Dom, hatte in einem internen Bericht über die Silvesternacht 2014/2015  vor Problemen am Hauptbahnhof gewarnt – das Papier blieb aber unbeachtet.

Henrik Sch. (41) war in der Silvesternacht für die Informationssteuerung im Funkverkehr zuständig. Er bestreitet Angaben aus einem Bericht des NRW-Innenministeriums, wonach es um 1.20 Uhr einen speziellen Auftrag gegeben habe, gegen Sex-Täter vorzugehen.

Die Staatsanwaltschaft Aachen geht rund 60 Fällen nach, in denen Polizisten unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen wird.

Quelle: Kölner Express vom 11.07.2016

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