Staseve Aktuell – Arbeitsgemeinschaft Staatlicher Selbstverwaltungen

125. Geburtstag von Carlo Schmid – Ein Intellektueller ohne sozialdemokratischen Stallgeruch

Der Jurist, Literat und SPD-Politiker Carlo Schmid, geboren am 3. Dezember 1896, war einer der Väter des Grundgesetzes. Nicht wenige in seiner Partei fremdelten allerdings mit ihm. Der erste deutsche Bundespräsident Theodor Heuss bezeichnete seinen Freund einmal als „Tafelaufsatz im Proletarierhaushalt“.

Von Wolfgang Stenke | 03.12.2021

Carlo Schmid und Egon Bahr auf dem Parteitag de SPD im Juni 1976 in der Westfalenhalle in Dortmund (imago images/Klaus Rose)

Bericht aus Bonn, kurz vor Gründung der Bundesrepublik: Der Journalist Peter von Zahn porträtiert einen Politiker der ersten Stunde: „Der Mann, den Ihnen vorzustellen ich die Ehre habe, dieser Mann ist eine ungewöhnliche Erscheinung. Wenn Sie diesen beleibten Mann verstohlen von der Seite mustern, dann merken Sie plötzlich, dass er den Kopf eines römischen Senators hat.“

Imposante Gestalt

Die imposante Gestalt war der Sozialdemokrat Carlo Schmid. 1948, als Peter von Zahn ihn dem Radiopublikum vorstellte, war er Justizminister in Württemberg-Hohenzollern. Ein Jura-Professor, Spezialität: Staats- und Völkerrecht,  dazu Parlamentarier, einer der Väter des Grundgesetzes. Nebenbei schrieb er Gedichte und pflegte seine literarischen Interessen.

Geboren wurde Carlo Schmid  am 3. Dezember 1896  im südfranzösischen Perpignan. Der Sohn eines liberalen Lehrerehepaares lernte die deutsche Sprache vom Vater, Französisch von der Mutter. Charlot nannte sie den Jungen, der mit Grimms Märchen und den Fabeln Lafontaines aufwuchs. Das kulturelle Erbteil der deutschen Seite, von Goethe bis Nietzsche, empfing der Heranwachsende nach dem Umzug ins Schwäbische – immer im Spannungsfeld zwischen liberalem Elternhaus, nationalistischer Gymnasiallehrerschaft und einer Gruppe des jugendbewegten Wandervogels.

Befreundet mit Schöngeistern

Sein Studium und die Juristenlaufbahn bis zur Habilitation absolvierte Schmid in den 1920er- und 1930er-Jahren, zugleich war er befreundet mit den Schöngeistern um den Dichter Stefan George. Im Zweiten Weltkrieg diente der Jurist bis 1944 in der Besatzungsverwaltung der Wehrmacht im nordfranzösischen Lille.

Schmid versuchte nach Kräften, die Härten des Besatzungsregimes zu mildern. In Lille hatte er auch Kontakt mit dem Widerstandskreis um Helmuth James Graf von Moltke. In der Rückschau bedauerte Schmid sein geringes politisches Engagement vor Hitlers Machtübernahme: „Wenn Du nicht noch einmal schuldig werden willst, dann musst Du es nachher anders machen, dann musst Du Dich um Politik kümmern.“

Debatten um Grundgesetz geprägt

Im Januar 1946 wurde Carlo Schmid Mitglied der SPD. Als Sozialdemokrat und deutscher Patriot prägte er die Debatten um das Grundgesetz.

Schmid 1948 vor dem Parlamentarischen Rat: Das Gefüge der deutschen Republik, die Demokratie also, ist vor jeder Besetzung schon zerstört worden durch die nationalsozialistische Zwingherrschaft, deren erstes Opfer vor vielen anderen Opfern, die noch kamen, die Freiheit der Deutschen war.“

Die Bundesrepublik sah er als „Staatsfragment“, dessen Grundgesetz nur bis zur freiheitlichen Wiedervereinigung aller Deutschen Geltung haben sollte. Schmid sorgte dafür, dass der Grundrechtskatalog an den Beginn der Verfassung gestellt wurde, die Einführung des konstruktiven Misstrauensvotums geht auf ihn zurück. In der SPD gehörte der Intellektuelle zu den Reformern, die der Sozialdemokratie nach dem Godesberger Programm den Weg zur Volkspartei ebneten. Ein braver Parteisoldat war er nie.

Die Genossen fremdelten mit ihm

„Tafelaufsatz im Proletarierhaushalt“ – nannte ihn ironisch sein Freund Theodor Heuss, der erste Präsident der Bundesrepublik. Gerade wegen seiner Brillanz fremdelten nicht wenige Genossen mit Carlo Schmid. Ein Literat, der französische Autoren wie Verlaine und Malraux übersetzte und aus der eigenen Baudelaire-Übertragung rezitieren konnte, hatte nicht eben den Stallgeruch des typischen SPD-Politikers:

O Schwester, o Kind,
Bedenk, wie es lind
Wär, dorthin zusammen zu gehen –
Zu der Liebe Gebot,
Zu Liebe und Tod
In Länder, die ähnlich dir sehen!“

Er wäre gerne Bundespräsident geworden

Gerne wäre er Bundespräsident geworden, auch Außen- oder Wissenschaftsminister. Stattdessen präsidierte Carlo Schmid viele Jahre als Vize im Bundestag und wurde 1966 in der ersten Großen Koalition Bundesratsminister. Auf seinen Beitrag zur Gründung der Bundesrepublik Deuschland war Schmid bis ins hohe Alter stolz:

„Es ist ein vortrefflicher Staat, weil in keinem Staat der Welt (…) das Recht des Einzelnen auf eigene Sphäre so geschützt ist durch das Recht, durch die Gerichtsbarkeit, als in diesem Staat.“

Bis zu seinem Tode im Jahre 1979 engagierte sich Carlo Schmid als Koordinator der deutsch-französischen Zusammenarbeit für die Verständigung der beiden Nationen.

Quelle: Deutschlandfunk und Nachrichtenagentur ADN vom 03.12.2021

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