Wirtschaft – Analyse: Wer wird am stärksten von den Gasfunden im östlichen Mittelmeer profitieren?

 

Eine israelische Gasplattform, von einem amerikanisch-israelischen Konsortium, im Mittelmeer vor der Hafenstadt Ashdod, Februar 2013.

Eine israelische Gasplattform, von einem amerikanisch-israelischen Konsortium, im Mittelmeer vor der Hafenstadt Ashdod, Februar 2013.

In den letzten Jahren wurden eine Reihe bedeutsamer Gasfelder im Mittelmeer gefunden. Ägypten, energiewirtschaftlich in den letzten Jahren ins Hintertreffen geraten, versucht nun, seine Position und seine Bedeutung in der Region wieder zu stärken.

Mannigfaltige Explorationsprojekte haben in den letzten Jahrzehnten beträchtliche Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer zutagegefördert. Unter ihnen befinden sich unter anderem die beiden Gasfelder Leviathan und Tamar vor der Küste Israels. Seit dem Jahr 2013 nutzt ein Konsortium aus dem US-amerikanischen Konzern „Noble Energy“ und der israelischen „Delek“-Gruppe das Tamar-Feld zur Gasgewinnung. Bis 2019 wollen sie nun auch das wesentlich größere Leviathan-Feld erschließen.

Ein weiteres bedeutsames Gasvorkommen, das erst 2011 entdeckt wurde, ist das Aphrodite-Feld, das sich vor Zypern befindet, nur 34 Kilometer westlich von Leviathan gelegen. Auch hier hat sich das aus Houston, TX stammende Noble Energy die Verwertungsrechte gesichert.

Im Jahr 2015 fand wiederum der italienische Energiekonzern Eni das Gasfeld Zohr vor der ägyptischen Küste. Der aus dem einstigen Petrochemieriesen Agip hervorgegangene Konzern geht davon aus, dass es sich dabei um das größte Vorkommen weltweit handeln könnte. Die Italiener vermuten 850 Milliarden Kubikmeter Erdgas in dem etwa 100 Quadratkilometer großen Feld. Dies würde ausreichen, um den Energiebedarf des Landes auf Jahrzehnte hin zu decken.

Aber auch Ägypten, dessen eigener Energiehunger immer stärker wächst, sieht darin Chancen. Kairo sieht die Gelegenheit gekommen, über Zohr selbst zum Zentrum der regionalen Erdgasentwicklung zu werden. Man möchte nicht nur das eigene Land billiger mit Gas versorgen können, Kairo hofft darüber hinaus, endlich wieder zum Gasexporteur zu werden. Am 31. August unterzeichnete das Land ein vorläufiges Abkommen mit Zypern über den Bau einer Gas-Pipeline durch das Mittelmeer, die vom Erdgasfeld Aphrodite vor der zyprischen Küste unter Wasser bis zur ägyptischen Küste verlaufen soll. Das Projekt gilt als außerordentlich ambitioniert. Es muss noch gewaltige Hürden überwinden, einschließlich der unsicheren Finanzierung. Dennoch ist man in Kairo ebenso wie in Nikosia guter Dinge mit Blick auf den weiteren Verlauf des Projekts.

Im Aphrodite-Feld, das Noble Energy bewirtschaftet, werden zwischen 102 und 170 Milliarden Kubikmeter Gas vermutet. Für Ägypten stellt das aber nur einen kleinen Baustein in einer viel breiter angelegten Energie-Strategie dar.

Noch Mitte der 2000er Jahre zählte Ägypten zu den Nettoexporteuren von Erdgas. Es war gelungen, mehrere Lagerstätten vor der Küste aufzutun. Noch im Jahr 2009 förderte Kairo nicht weniger als 20 Milliarden Kubikmeter (bcm) Gas. In den Folgejahren erlebten Exploration, Investitionen und Export jedoch eine Krise. Bis zum Jahr 2015 schaltete Ägypten seine beiden Erdgasverflüssigungsanlagen und seine Pipelines nach Israel weitestgehend ab und wurde zum Netto-Erdgasimporteur.

Der „Arabische Frühling“ mit dem Umsturz im Jahr 2011 hat das Land immer stärker in eine Situation massiver Energieknappheit gestürzt. Immerhin gewinnt Ägypten rund 75 Prozent seines Stroms aus Gas.

Der Energiehunger des Landes ist aber auch eines seiner größten Probleme. Engpässe führen immer wieder zu Stromausfällen. Das führt mitunter auch zu politischen Unruhen. Der staatliche Gasversorger Egas drosselte zeitweise auch seine Lieferungen an die Industrie, was an einigen Orten zu Produktionsausfällen führte.

Auch die Kosten für den Energieimport haben sich im Laufe der Krisenjahre seit 2009 verdreifacht. Präsident Abdel Fattah al-Sisi reagierte auf die Entwicklung im Jahr 2014 mit einer Preisreform durch. Von diesem Moment an wurde das Entgelt für die industrielle Nutzung mit nur noch sieben Dollar pro mmBTU gedeckelt. Die Reformen al-Sisis stießen innenpolitisch auf viel Widerstand.

Trotz Reformen und steigender Investitionen ist es unwahrscheinlich, dass Ägypten auf absehbare Zeit seine frühere Kapazität als Erdgasexporteur wiedererlangen wird. Der jährliche Eigenverbrauch des Landes beträgt momentan rund 50 Milliarden Kubikmeter. Analysten gehen davon aus, dass dieser Verbrauch im Laufe der kommenden zehn Jahre sogar noch um weitere 20 bcm steigen wird. Gleichzeitig wird Ägypten aber auch seine Energiepreise anheben müssen, was wiederum höhere Stromkosten für Haushalte bedeuten wird. Erst im August dieses Jahres stiegen die Nutzungsentgelte um 40 Prozent.

Bevor Ägypten Gas exportieren kann, muss das Land erst den eigenen, ständig wachsenden Markt versorgen. Damit bleibt nicht mehr viel für den Export übrig. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass Ägypten trotz der umfangreichen Gasvorkommen in den jüngst entdeckten Feldern auch weiterhin ein Importeur für Gas bleiben wird.

Noch sind die meisten Gasfelder im Mittelmeer nicht erschlossen. Gründe dafür sind neben der noch ungeklärten Finanzierung und der geografischen Lage vor allem instabile Vereinbarungen unter den beteiligten Parteien, die sich stetig ändern. So wollte Israel ursprünglich Gas durch eine bestehende Pipeline nach Ägypten exportieren. Die Entdeckung des ägyptischen Zhor Feldes machte das Vorhaben jedoch obsolet.

Die Entdeckung des massiven Gasfeldes in Ägypten erinnert uns schmerzlich daran, dass sich die Welt vor unseren Augen verändert, während Israel schlafwandelt, mit der letztgültigen Zustimmung zum Gas-Fahrplan herumtrödelt und weitere Erkundungen verzögert“, äußerte sich 2015 verärgert Juval Steinitz, der israelische Minister für Energie- und Wasserversorgung.

Israel überlegte auch schon, Gas aus den Feldern Leviathan und Aphrodite nach Zypern zu pumpen. Der drastische Einbruch des Gaspreises durchkreuzte diese Pläne. Hinzu kommt die steigende Nachfrage nach Flüssiggas als Alternative.

Seit letztem Jahr verhandelt Israel auch mit der Türkei über eine Pipeline. Für eine solche gäbe es zwei denkbare Routen: Die eine führt über Zypern. Um diese nutzen zu können, müsste zuvor der Zypernkonflikt zwischen der Türkei und Zypern gelöst werden. Eine weitere Route würde erst durch libanesische und dann durch syrische Gewässer führen. Aufgrund der dort herrschenden politischen Situation erscheint diese Lösung weder als aussichtsreich noch als profitabel. Sollte es Ankara gelingen, Gaslieferungen und Pipelines über die Türkei laufen zu lassen, könnte das Land selbst anstelle Ägyptens zum Zentrum der regionalen Erdgasentwicklung werden.

Quelle: Russia Today (RT) vom 16.09.2016

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