Gerüchte lassen unzählige Flüchtlinge nach Deutschland aufbrechen

Es sind hartnäckige Gerüchte davon, dass sie in Westeuropa willkommen sind und Deutschland weitere hunderttausende Menschen aufnehmen will, die unzählige Flüchtlinge auf den beschwerlichen Weg nach Norden aufbrechen lässt. In den Lagern in der Türkei und im Libanon haben sie keine Zukunftsperspektiven. Da zählt jeder Strohhalm in Griffweite.

Von Marco Maier

Der türkische Service des arabischen Nachrichtensenders Al-Jazeera berichtet davon, dass man sich unter den Flüchtlingen Geschichten erzählt, in denen Deutschland zusicherte, weitere 400.000 Menschen aufzunehmen. Deutschland, jenes Land welches als Inbegriff für Erfolg und Wohlstand auf der Welt gilt und den völlig desillusionierten Syrern und Irakern in den türkischen Flüchtlingslagern den Glauben an einen Neuanfang stärkt.

Denn dort, in den vielen Zeltstädten, bei Verwandten oder auf den türkischen Straßen, gibt es keine Perspektive. Während die Türkei sich seit Jahren so verhält, als sei der Sturz von Syriens Präsident Assad nur eine Frage von Wochen, vegetieren die Flüchtlinge in der Türkei tagtäglich vor sich hin. Einen regulären Asylstatus gibt es für sie nicht. Arbeiten dürfen sie (zumindest legal) auch nicht. Eine Integration ist unerwünscht. Schulbildung für die hunderttausenden syrischen Kinder? Fehlanzeige.

Kein Wunder, dass das Gerücht vom „gelobten Land“ im Norden, welches die Flüchtlinge mit offenen Armen empfängt und ihnen neue Chancen bietet, immer wieder weitergetragen wird. Die Hoffnung auf ein besseres Leben ist das, was diese Menschen überhaupt noch in den nächsten Tag rettet. Vor allem jedoch ist dieses Gerücht die Hauptmotivation für unzählige Syrer und Iraker, den langen Weg von der Türkei (und dem Libanon) über den Balkan bis nach Deutschland anzutreten.

Dass dieses „gelobte Land“ so in der Form gar nicht existiert, wissen diese Menschen gar nicht. Sie haben keine Ahnung davon, dass es in Deutschland genügend Menschen gibt, die selbst keinen Job finden – und wenn, dann oftmals an der Armutsgrenze leben. Sie wissen nichts davon, dass noch nicht einmal die Integration der vielen Rumänen und Bulgaren in den deutschen Arbeitsmarkt gelingt. Doch auch die Politiker und die Unternehmer in Deutschland belügen sich, wenn sie von einem neuen „Beschäftigungswunder“ und einer „goldenen Zukunft“ sprechen.

Arbeit gibt es, wenn überhaupt, für die meisten der Flüchtlinge ohnehin nur im Billiglohnsektor. Die Kinder müssen nicht nur erst die deutsche Sprache lernen, sondern zudem oftmals auch noch teils mehrere Schulklassen nachholen. Fachkräfte? Diese wird es wohl oder übel erst mir großer Verzögerung geben. Doch das wird die vielen Flüchtlinge in der Türkei und im Libanon nicht davon abhalten, ihr Glück dennoch in Deutschland zu suchen. Besser als in den Zelten zu versauern scheint das Wagnis allemal zu sein.

Quelle: Contramagazin vom 17.09.2015

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