Rätselhafter Andrang in Polen – Kommen mit der Straßenbahn: Neuen Flüchtlingshotspot hat kaum jemand auf dem Schirm

Mittwoch, 07.12.2016, 17:57 · von FOCUS-Online-Autorin Laura Gaida 

Tschetschenien, Kaukasus, Russland

dpa/Nicolas ArmerFlüchtlinge warten an einem Bahnhof. (Symbolbild)

Einschüchterung von Journalisten, Folter von Regimekritikern und offene Gewalt gegen Demonstranten – mit eiserner Hand regiert Ramsan Kadyrow seit 2007 die moskautreue Kaukasusrepublik Tschetschenien.

Es sind diese offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen, die immer mehr Tschetschenen zur Flucht bewegen. Über Weißrussland versuchen sie in die EU zu gelangen. Ihr Weg führt sie meist mit dem Zug vom Bahnhof im weißrussischen Brest in die polnische Grenzstadt Terespol.

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Zwischen 400 und 600 Menschen wagen täglich den Grenzübertritts

Laut der in Belarus sitzenden Menschenrechtsorganisation „Human Constanta“wagen täglich zwischen 400 und 600 Menschen den Grenzübertritt. Bei der Mehrheit handle es sich um tschetschenische Flüchtlinge. Doch nur zwei bis drei Familien sollen es pro Tag tatsächlich in die EU schaffen, da die polnische Grenzsicherung mehrere hundert Menschen jeden Tag abweist.

Die Abgewiesenen werden zurück nach Brest geschickt, ohne dass ihre Asylanträge zuvor ordentlich geprüft wurden – obwohl internationales wie auch europäisches Recht das verlangt. Laut dem arabischen Nachrichtensender„Aljazeera“ begründen einige polnischen Grenzkontrolleure ihre Entscheidung damit, dass die mehrheitlich muslimischen Tschetschenen „Terroristen“ seien.

Experte: „Terrorismus und islamistischer Untergrund spielen im Nordkaukasus eine Rolle“

Uwe Halbach von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ hält das für ein vorgeschobenes Argument. Zu FOCUS Online sagt er: „Terrorismus und islamistischer Untergrund spielen im Nordkaukasus eine Rolle. Doch das angebliche Argument polnischer Grenzkontrolleure, es würden aus Tschetschenien vor allem Terroristen kommen, ist durchaus fragwürdig. Abwanderung aus radikal-islamischen Gruppierungen zielte in letzter Zeit eher nach Syrien und Irak in dortige islamistische Milizen ab.“

Wie die polnische „Association for Legal Intervention“ berichtet, wurde im vergangenen Jahr 8250 Menschen, die in Terespol Antrag auf Asyl stellten, auch tatsächlich Zuflucht in Polen gewährt. Rund 30.000 hingegen wurden im Jahr 2015 abgelehnt. Ob es sich bei den aufgenommenen Flüchtlingen mehrheitlich um tschetschenische Flüchtlinge handelt, ist allerdings nicht dokumentiert.

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Aber warum wollen so viele Tschetschenen in die EU? Bei ihnen handelt es sich vorwiegend um Regimekritiker, Anhänger der Separatistenbewegung – den selbsternannten Ichkeria – sowie Wahhabiten. Letztere gelten in der russischen Föderation als radikale Gruppe innerhalb der Sunniten.

„Viele Menschen leben am Existenzminimum“

Halbach nennt zudem noch einen anderen Fluchtgrund: „Es nicht auszumachen, wie viele tschetschenische Flüchtlinge tatsächlich in ihrer Heimat verfolgt oder unterdrückt werden. Allerdings ist Präsident Kadyrows Gewaltherrschaft Fakt. Die Mehrheit flüchtet vermutlich aufgrund der Menschenrechtsverletzungen aus Tschetschenien, doch es ist nicht auszuschließen, dass einige auch aus wirtschaftlichen Gründen ihren Weg in die EU suchen“, so der Kaukasus-Experte.

Tschetschenien-Experte Christian Osthold teilt diese Einschätzung. Zu FOCUS Online sagt er: „Viele Menschen leben am Existenzminimum. Sie leiden zwar nicht Hunger, können aber sonst kaum am Leben teilnehmen. Vor diesem Hintergrund ist es also durchaus nachvollziehbar, dass Menschen aus ökonomischen Motiven nach Europa aufbrechen. Vor allem auch deshalb, weil Flüchtlinge hier gut leben können und bereits zahlreiche Landsleute hier sind.“

Ein Zugticket von Brest nach Terespol soll neun Euro kosten

Für viele Tschetschenen sind die günstigen Zugtickets ein verlockendes Angebot, vor der Unterdrückung in ihrem Heimatland zu fliehen. So soll ein Ticket von Brest nach Terespol neun Euro kosten. Vor allem vor dem hereinbrechenden Winter, der die Reise in die EU erschwert, nimmt der Andrang an Flüchtlingen zu.

Viele der abgelehnten Flüchtlinge aus Tschetschenien versuchen immer wieder nach Polen zu gelangen, da ihre Lage offenbar aussichtslos ist. Präsident Kadyrow kündigte vor kurzem an, Rückkehrern zukünftig das Leben in Tschetschenien zu erschweren. So schrieb er auf Instagram: „Ihr Weg zurück wird lang und hart.“

Quelle: Focus-online vom 07.12.2016

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Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

Alle sofort abschieben – die brauchen wir nicht auch noch. Alles will nur nach Deutschland um hier von den blöden Deutschen rundum versorgt zu werden.
Es reicht so langsam.