Lügenpresse und Meinungsmacher: Was für eine Koalition!

Die Meinungsforscher sind wieder unterwegs. Und dieses Mal ist die Grenze zwischen Meinungsforscher und Meinungsmacher so verschwommen, dass man sie vollkommen aus dem Blick verloren hat.

Doch der Reihe nach: “44 Prozent der Deutschen teilen den ‘Lügenpresse’-Vorwurf von Pegida“, so titel der Stern seit 13.30 Uhr.

44% der Deutschen wurden natürlich nicht befragt, sondern nur 1.002 Personen, von denen Forsa behauptet, sie seien repräsentativ für Deutschland. 441 teilen entsprechen und angeblich den Lügenpresse-Vorwurf von Pegida. Ob der Lügenpresse Vorwurf von Pegida stammt, das wollen wir einmal dahingestellt lassen.

Forsa, das Institut, das u.a. mit diesem Ergebnis glänzt, beschreibt sich selbst als ein Institut das

“sich aller Methoden der empirischen Sozialforschung – sowohl im Bereich der Politik-, Meinungs- und Wahlforschung als auch bei der Markt-, Sozial- und Medienforschung sowie bei Studien über die Zufriedenheit mit Produkten, Unternehmen und Marken und bei Kommunikations- und Medienanalysen” bedient.

Bedienen ist hier wohl das operative Wort.

Angeblich arbeiten bei Forsa

“wissenschaftliche Mitarbeiter mit akademischer Ausbildung in sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fächern (Soziologen, Psychologen, Ökonomen und Statistiker). forsa beschäftigt zur Zeit ca. 80 Mitarbeiter (darunter ca. 40 Wissenschaftler).”

Wenn sich Forsa “aller Methoden der empirischen Sozialforschung” bedient und dort 40 Wissenschaftler arbeiten, dann sollte zumindest einer davon schon einmal etwas von suggestiven Fragen gehört haben.

Holm_“Bei einer suggestiven Frage wird den Befragten die Antwort ‘in den Mund gelegt’, d.h. die Frageformulierung beeinflusst die Anwtort in einer bestimmten Richtung.”

Suggestive Fragen werden bei Kurt Holm, einem derjenigen, die sich akribisch um die empirische Sozialforschung bemüht haben, unter manipulativen Befragungstechniken geführt.

Warum?

Weil man bereits vor der Befragung weiß, was dabei herauskommt.

  1. “Die Flüchtlinge sollen sich untereinander bekämpfen und totschlagen. Dann haben wir hier Ruhe vor dem Pack.”
  2. “Die von Merkel gerufenen Flüchtlinge wollen unsere Geschäfte plündern, unsere Frauen und Töchter vergewaltigen und unsere Wohnungen demolieren, ohne dass sie bestraft werden.”
  3. “Thomas de Maiziere soll der Teufel holen.”
  4. “Der einzige Weg unser Land noch zu retten, ist die Schließung der Grenzen und die Einführung eines Schießbefehls”.
  5. “Dieses Rattenpack bringt nur Unruhe, Gewalt, Ignoranz und Krankheiten in unser Land. Deutsche müssen deshalb um ihr Land kämpfen”.


Forsa SternDas sind Aussagen, die die Telefonisten von Forsa den Befragten, derer sie telefonisch habhaft werden konnten, vorlesen mussten.

Wundert es jemanden, dass auf jede der fünf Aussagen regelmäßig 90% und mehr sagen, sie stimmen nicht zu? Es ist vorherzusehen, dass die Ablehnung dieser Aussagen überwältigend ausfällt, da die Aussagen, die einmal als “Original-Pegida Aussagen” bezeichnet werden und einmal als “aus dem Pegida-Umfeld” stammend, was auch immer das Pegida-Umfeld sein soll, so formuliert sind, dass ein normaler Mensch ihnen nicht zustimmen wird.

Die überwältigende Ablehnung dieser Aussagen ist also vorherzusehen, die Formulierung der Aussagen sorgt für das Ergebnis. Insofern Forsa hier angeblich Aussagen verwendet, die aus dem “Umfeld” von Pegida stammen, muss sich das Institut fragen lassen, was mit der Auswahl von Extremaussagen bezweckt wurde. Es gibt aus dem “Pegida-Umfeld” sicher auch gemäßigtere Ansichten. Die entsprechenden Aussagen sucht man in der Liste von Forsa jedoch vergeblich.

Die ausschließliche Auswahl von Extremaussagen stellt eine weitere Methode der Manipulation dar, denn wenn man die Zustimmung bzw. Ablehnung zu Aussagen erfragen will, um z.B. die Legitimation einer Organisation zu bestimmen und nur Extremaussagen bereitstellt, die wiederum geeignet sind, breite Ablehung hervorzurufen, dann hat man damit nicht nur die Antworten manipuliert, sondern gleichzeitig eine manipulierte Grundlage geschaffen, um verkünden zu können: Seht Ihr, diese Organisation, im vorliegenden Fall Pegida, ist gar nicht legitimiert, die Deutschen lehnen Pegida bzw. ihre Aussagen ab bzw. nur ein Zehntel der Bundesbürger stimmt ihnen zu.

Mission accomplished.

Ganz davon abgesehen, kann man auch bei Forsa mit Sicherheit nicht wissen, welchem Stimuli, von den vielen, die in den Aussagen vorhanden sind, Befragte nun zustimmen bzw. welche sie ablehnen. Sind sie der Ansicht, Flüchtlinge seien Rattenpack, das nur Unruhe bringe oder nicht oder bringen Flüchtlinge, die als Rattenpack bezeichnet werden, Gewalt oder bringen sie Krankheiten oder Ignoranz? Als empirischer Sozialforscher kann man sich für eine derartige Umfrage, wie die von Forsa nur als nicht zuständig erklären und feststellen: Das hat nichts mit seriöser Meinungsforschung und schon gar nichts mit empirischer Sozialforschung zu tun. Das ist plumpe Meinungsmache.

Auch die 44% Lügenpresse-Zustimmer sind Meinungsmache, denn auch die Aussage zur Lügenpresse ist suggestiv und manipulativ und beinhaltet mehrere Stimuli, ganz davon abgesehen, dass man der Aussage voll und ganz oder eher zustimmen kann, aber nur “nicht zustimmen”, nicht etwa “eher nicht zustimmen” kann. Ein weiterer Fauxpas, der einem empirischen Sozialforscher nicht passiert.

Doch zur Aussage:

“Die von oben gesteuerten Medien verbreiten nur geschönte und unzutreffende Meldungen”.

Damit ist ausgeschlossen, dass:

  • Medien, die nur geschönte Meldungen verbreiten, nicht von oben gesteuert sind.
  • Medien geschönte und zutreffende Meldungen verbreiten.
  • Medien ungeschönte und unzutreffende Meldungen verbreiten.
  • Medien von oben gesteuert sind und ungeschönte und unzutreffende Meldungen verbreiten.
  • usw.


framingKurz: Die Antwortvorgabe ist wertlos, denn sie enthält insgesamt drei Stimuli, so dass man keine Ahnung hat, worauf der Befragt reagiert hat. Ist er nun der Ansicht, die Medien seien von oben gesteuert? Ist er der Ansicht, die Medien verbreiten geschönte Meldungen? Ist er der Ansicht, die Medien verbreiten unzutreffende Meldungen? Oder ist er der Meinung, alle drei Stimuli treffen zu?

Und was hat diese Aussage mit dem Begriff “Lügenpresse” zu tun? Der Begriff kommt darin überhaupt nicht vor. Entsprechend können auch nicht 44% der Befragten den Lügenpresse-Vorwurf von Pegida teilen.

Diese Interpretation der Ergebnisse, die dazu gedacht ist, die Ergebnisse zu entschärfen und zu diskreditieren, weil ja viel Mühe darauf verwendet wurde zu zeigen, was für extreme Spinner bei Pegida unterwegs sind, die über so gut wie keinen Rückhalt “in der Bevölkerung” verfügen, ist also nicht möglich.

Nimmt man den Begriff Lügenpresse, der in der Befragung nach den veröffentlichten Unterlagen gar nicht vorkommt, aus dem Rennen und stellt in Rechnung, dass man nicht weiß, worauf die 44% der Befragten reagiert haben, dann steht unterm Strich, dass 441 Befragte von 1002 Befragten der Ansicht sind, bei Medien werde geschönt oder von Medien werden unzutreffende Meldungen verbreitet oder Medien sind von “oben gesteuert”, wer auch immer “oben” sein mag. Das hat mit Lügenpresse nichts zu tun, sondern damit, dass die 441 Befragten, die doch für die Bevölkerung Deutschlands repräsentativ sein sollen, ein massives Unwohlsein mit der Berichterstattung in Medien verbinden.

Und wenn man die Berichterstattung im Stern über die Umfrage von Forsa betrachtet, dann muss man feststellen, dass die entsprechenden Ansichten wohl gerechtfertigt sind, nicht, weil eine Steuerung der Medien von oben naheliegen würde, sondern weil in Medien wie in allen Bereichen, in denen die Mittelschicht sich Pöstchen zuschiebt, eine Entprofessionalisierung mit einem Verlust grundlegender Fähigkeiten einhergeht, die man benötigt, um z.B. Journalismus zu betreiben. Anders formuliert: Die meisten deutschen Journalisten muss man nicht von oben steuern, damit sie Falschmeldungen verbreiten oder Nachrichten in einem ideologischen Licht verzerren: Die können es von sich aus nicht besser.
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Quelle: sciencefiles.org vom 28.10.2015

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