Asylbewerberzahlen – So stark wirkt der Flüchtlingsmagnet Deutschland

auxmoney.com - bevor ich zur Bank gehe!
09:04

In diesem Jahr wurden in Deutschland bereits rund 950.000 Asylsuchende registriert. Die Zahlen veranschaulichen, wie stark die Bundesrepublik heute Flüchtlinge anzieht. Fünf Vergleiche.

Von Marcel Leubecher

Flüchtlinge gehen am 21.11.2015 an der deutsch-österreichischen Grenze nahe Wegscheid (Bayern) während eines Schneeschauers nach Deutschland. Der Wintereinbruch in Bayern trifft auch die Flüchtlinge in der Grenzregion. Foto: Armin Weigel/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Foto: dpa Flüchtlinge gehen am 21.11.2015 an der deutsch-österreichischen Grenze nahe Wegscheid (Bayern) während eines Schneeschauers nach Deutschland

*******************************************

Werbung

PB150472-1

Damenmütze handgestricktes Unikat

******************************************

Trotz eng getakteter Flüchtlingsgipfel auf Landes-, Bundes-, EU- und UN-Ebene ist Deutschland weiterhin das Hauptziel globaler Migrationsströme in die Industriestaaten. Insgesamt wurden im laufenden Jahr mehr als 950.000 Asylsuchende registriert.

Im November reisten mehr von ihnen nach Deutschland ein als jemals zuvor in einem Monat: Wie die Bundespolizei der „Welt“ mitteilte, wurden bis einschließlich 24. November 192.827 Migranten registriert. Der bisherige Monatsrekord wurde im Oktober mit 181.000 Flüchtlingen erreicht.

Zusammen mit den rund 758.000 von Januar bis Oktober im IT-System der Länder (Easy) registrierten Asylsuchenden steigt die Zahl insgesamt auf 950.827; hinzu kommen noch unregistrierte Migranten, über deren Anzahl man nur spekulieren kann. Andererseits können die Easy-Zahlen und die Angaben der Bundespolizei Mehrfachregistrierungen enthalten.


Dennoch bilden sie die Realität der Flüchtlingseinwanderung wesentlich präziser ab als die Zahl der Asylanträge, die Hunderttausende Personen, die noch keinen Antrag stellen konnten, ausklammert. So wurden bis Ende Oktober beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erst 362.000 Asylanträge gestellt. Die offizielle Prognose der Bundesregierung vom August, nach der im laufenden Jahr 800.000 Flüchtlinge kommen sollen, ist ohnehin nur noch Makulatur.

Welche Zäsur dieses Jahr mit seiner – sehr zurückhaltend geschätzten – einen Million Asylsuchenden für das Land bedeutet, veranschaulichen einige Vergleiche.

********************************************************
Aktuelle Seminare mit Peter Frühwald

********************************************************

1. Historisch

2015 kommen mehr Asylsuchende nach Deutschland als in den Jahren von 1953 bis 1989 zusammen.

Von der Einführung des gesetzlich geregelten Asylverfahrens im Jahr 1953 bis zum Fall der Berliner Mauer kamen insgesamt 0,9 Millionen Schutzsuchende. In der Zeit von 1990 bis 2014 waren es rund 3,2 Millionen. Bereits seit 2007 steigt die Zahl der Asylanträge Jahr für Jahr an, doch niemand außer einigen Pessimisten rechnete auch nur ansatzweise mit dem derzeitigen Massenzustrom.

Bemerkenswert ist der extreme Anstieg, seitdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Nacht zum 5. September dieses Jahres gemeinsam mit ihrem österreichischen Amtskollegen Werner Faymann beschloss, die Grenzen zu öffnen: Wurden von Januar bis August rund 413.000 Asylsuchende registriert, waren es seit September schon mehr als 530.000.

In jener Nacht hatten sich in Ungarn Hunderte Migranten auf den Weg nach Österreich gemacht – zu Fuß, auf der Autobahn. Faymann rief in Berlin an und einigte sich mit Merkel, den Flüchtlingen Zuflucht zu gewähren. Diese Entscheidung gilt vielen als humanitärer Akt, Kritiker hingegen sehen darin einen folgenschweren Fehler, der noch mehr Migranten und Flüchtlinge ermutigte, nach Deutschland zu kommen.


2. Gesellschaftlich

2015 gewinnt die Gesellschaft mehr neue Mitglieder durch Einreise von Asylbewerbern als durch die Reproduktion der bisherigen Bewohner des Landes.

Die Zahl der geschätzt eine Million Asylsuchenden im laufenden Jahr übersteigt die Zahl der Geburten bei Weitem. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 715.000 Kinder geboren, unter ihnen laut Statistischem Bundesamt etwa ein Drittel mit Migrationshintergrund; die diesjährige Zahl sollte sich nicht deutlich davon unterscheiden.

Optimisten sehen in den Asylsuchenden wie in den übrigen Migranten, die aus beruflichen Gründen oder im Rahmen des Familiennachzugs kommen, eine wirtschaftliche und soziale Bereicherung. Pessimisten fürchten kulturelle Konflikte und ökonomische Verteilungskämpfe durch einen zu hohen Anteil von Hinzukommenden im Verhältnis zur Aufnahmegesellschaft.

3. International

2015 kommen mehr Asylsuchende nach Deutschland als im vergangenen Jahr in die 44 wichtigsten Industriestaaten gemeinsam.

Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) wurden im vergangenen Jahr 866.020 Asylanträge in den 44 wichtigsten Industriestaaten gestellt. Diese sind aus Sicht der Organisation die Länder Europas (714.260 Anträge), die Türkei (87.820), die USA (121.160), Kanada (13.450), Australien (8960), Neuseeland (290), Australien (8960), Japan (5000) und Südkorea (2900).

Im bisherigen Rekordjahr 1992 verzeichneten alle 44 Industriestaaten – wohlbemerkt: inklusive Deutschland – gemeinsam fast 900.000 Asylanträge. Zur Erinnerung: Allein in Deutschland wurden in diesem Jahr seit Januar 938.000 Asylsuchende registriert. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier beschrieb die Diskrepanz bezogen auf sein Bundesland vor der CDU-Basis mit den Worten: „Wir nehmen derzeit in Hessen in zwei Monaten mehr Flüchtlinge auf als Großbritannien und Frankreich im ganzen Jahr.“

 

Besatzungsrecht-Amazon

Bei all diesen Zahlen gilt es aber zu beachten, dass viele stark durch Fluchtbewegungen belastete Staaten in dieser Liste nicht auftauchen: Im Libanon und in Pakistan etwa leben jeweils mehr als eine Million Flüchtlinge.

Dort und in vielen anderen Staaten, die nicht fähig oder willens sind, Asylanträge zu bearbeiten oder über gar kein Asylsystem verfügen, übernimmt das UNHCR die Prüfung der Asylanträge, wenn das betreffende Land ihm dafür ein Mandat erteilt. So leben etwa in der Türkei neben den Asylantragstellern mehr als 1,5 Millionen Flüchtlinge, die kein Asyl beantragten. Während 15 Prozent von ihnen nach UNHCR-Angaben in den insgesamt 25 Lagern leben, sind die übrigen 85 Prozent auf sich allein gestellt und kümmern sich selbst um Wohnung und Lebensunterhalt.


4. Asyl und Migration

2015 kommen mehr Ausländer unter Berufung auf das Asylrecht nach Deutschland als aus allen anderen Einwanderungsgründen gemeinsam.

Die sehr zurückhaltend geschätzte eine Million Asylsuchende in diesem Jahr prägt das gesamte Migrationsgeschehen. Zum Vergleich: Nach Angaben des Ausländerzentralregisters (AZR) wanderten im vergangenen Jahr rund 1.149.000 ausländische Staatsangehörige zu. In dieser Zahl sind etwa auch ausländische Erntehelfer und Leiharbeiter enthalten, die oft nach kurzer Zeit wieder zurückgehen – so listet das AZR auch 472.000 Abwandernde für diesen Zeitraum auf.

Unter den Zugewanderten befanden sich rund 630.200 EU-Bürger (ohne Deutsche) und rund 518.800 Staatsangehörige aus Ländern außerhalb der EU, den sogenannten Drittstaaten. Zogen laut AZR im vergangenen Jahr unter diesen 518.800 Nicht-EU-Ausländern immerhin 7,2 Prozent zum Zweck der Erwerbstätigkeit, 11,1 Prozent zum Zweck der Ausbildung (Studium, Sprachkurs, Schulbesuch, sonstige Ausbildung), und 12,3 Prozent aus familiären Gründen nach Deutschland, wird sich durch die eine Million Asylsuchenden der Anteil der in erster Linie Hilfsbedürftigen an allen Migranten weiter erhöhen.

So schätzt etwa Frank-Jürgen Weise, Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, dass von derzeit etwa 500.000 bleibeberechtigten Asylsuchenden etwa 70 Prozent erwerbsfähig seien, von diesen 350.000 Personen wiederum jedoch nur zehn bis 15 Prozent relativ schnell auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt werden könnten.


5. Flucht weltweit

Die weltweiten Flüchtlingszahlen steigen, in Deutschland hat sich die Zahl der Asylsuchenden seit 2010 verzwanzigfacht.

59,5 Millionen Flüchtlinge zählt das UNHCR für das Jahr 2014, das sind 26 Prozent mehr als im Jahr 2010 (43,7 Mio.). Fast 20 Millionen Menschen sind laut UN ins Ausland geflüchtet, 1,8 Millionen haben einen Asylantrag gestellt, die meisten Menschen – 38 Millionen – suchen in friedlicheren Regionen ihres Heimatlands Schutz.

Mit diesem relativ moderaten Anstieg von 26 Prozent lassen sich die extremen Zahlen in Deutschland aber nicht erklären: Mit einer Million kommen 20 Mal mehr Asylsuchende als noch im Jahr 2010; damals wurden 48.589 Asylanträge gestellt.


Während die Forderungen nach Obergrenzen und Abschiebungen lauter werden, hofft die Bundesregierung vor allem auf eine gleichmäßigere Verteilung der Asylsuchenden in der EU und eine schärfere Grenzsicherung der Türkei. Merkel appellierte am Mittwoch erneut an die EU-Mitgliedsstaaten, einer solidarischen Verteilung der Flüchtlinge zuzustimmen. Eine „simple Abschottung wird das Problem nicht lösen“, sagte die CDU-Vorsitzende. Schwierig wird es, die Türkei, Großbritannien, Polen und Frankreich zur Aufnahme von wesentlich mehr Flüchtlingen zu bewegen.

Quelle: Welt-online vom 26.11.2015

Dieser Beitrag wurde unter Aktuell, Geschichte, Kultur, Nachrichten, Politik, Soziales, StaSeVe Aktuell, Völkerrecht, Wirtschaft, Wissenschaft abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
1 Kommentar
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Ulrike
Ulrike
8 Jahre zuvor

Andere Länder sind schlauer als der doofe deutsche Michel. Die nehmen schon gar keine auf. So kriegen sie auch nicht deren „Kultur“ ins Land.