Gesellschaft – „Die Leute sind feige“

Alles klar in Rottenburg, keiner sieht mehr ein Problem. Foto: Joachim E. Röttgers

Alles klar in Rottenburg, keiner sieht mehr ein Problem. Foto: Joachim E. Röttgers

Von Anna Hunger
Datum: 30.12.2015

Im September hat eine Flüchtlingsunterkunft in Rottenburg gebrannt. Kontext hat darüber berichtet. Und über das Engagement der örtlichen SPD. Die hat sich zum ersten Mal gegen die Zündler des rechten Kopp-Verlags zur Wehr gesetzt.

Was die Wohncontainer der Flüchtlinge auf dem Gelände von DHL in Brand gesetzt hat, ist bis heute unklar. Auf einen Brandanschlag jedenfalls gebe es keine Hinweise, teilt die Staatsanwaltschaft Tübingen mit. Kontext hat über das Feuer berichtet. Zur gleichen Zeit nämlich hatte der ortsansässige, rechte Kopp-Verlag seine Hetzparolen gegen Flüchtlinge im Netz derart überstrapaziert, dass es der örtlichen SPD reichte. Die Politiker schrieben einen offenen Brief an den Verlag, die andere Fraktionen des Gemeinderats und der Oberbürgermeister schlossen sich an.

Das ist vier Monate her. Seitdem sei wenig passiert, sagt der SPD-Stadtrat Hermann Josef Steur, der den Brief initiiert hatte. „Es gab bisher keinen Anlass, sich noch einmal zu äußern“, sagt er. „Aber wenn es zu einem ähnlichen Vorfall kommt, sind wir wieder da.“


Einer, der immer da ist, wenn es um Kopp geht, ist Albert Bodenmiller. Der ehemalige Rottenburger Stadtrat von „Bürgerfreundliche Heimat“/Die Linke war der erste, der Bedenken angemeldet hatte und dazu aufrief, sich den Verlag vor der eigenen Haustür einmal genauer anzusehen. Das war 2011 und damit begann für den Mittesiebzigjährigen eine wahre Hetzjagd: Seine Ratskollegen stempelte ihn zum Querulanten, er bekam Hassbriefe und Drohungen, weil der Kopp-Verlag seine Adresse im Netz veröffentlicht hatte, die Plattform PI schüttete kübelweise Häme und Hass über ihm aus, gegen den Rechtaußenblogger Michael Mannheimer saß er monatelang vor Gericht. „Für mich war das brutal hart“, sagt Bodenmiller.

Ans Aufgeben hat er nie gedacht. Über den jüngsten Vorfall, die Flüchtlingshetze, hat Bodenmiller mit den Pfarrern am Ort gesprochen, weil die Frage nach den Flüchtlingen ja eine christliche sei: „Jesus sagt, du sollst Fremde aufnehmen“ – und nicht Hetze gegen sie im Internet verbreiten. Aber die Pfarrer hätten nur gesagt, da könnten sie sich nicht einmischen.

Die Volleyballer des TVR Rottenburg mischen sich auch nicht ein, denn der Kopp-Verlag hält sie mit seinem Sponsoring in der Bundesliga. 2013 hatte der Verlag seine Zuschuss-Zahlungen kurzzeitig eingestellt. Grund, so hieß es mit einigem medialen Getöse, sei Albert Bodenmillers Anti-Kopp-Engagement. So kam es, dass der Alt-Stadtrat auch noch den heimischen Sportverein zum Feind hatte. „Dabei hat sich der Sport in Deutschland doch verpflichtet, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu sein“, sagt Bodenmiller.

Seit einiger Zeit rennen die Volleyballer des TVR wieder mit Kopp-Werbung auf den Trikots übers Spielfeld. Die Kontext-Anfrage an den Verein zu den knallroten Shirts blieb unbeantwortet. „Die Leute sind halt feige“, sagt Bodenmiller.

Die Flüchtlinge, die durch den Brand obdachlos wurden, leben nun übrigens wohlbehalten im Gebäude von DHL. Die Container wurden entsorgt.

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Quelle: kontextwochenzeitung.de vom 30.12.2015

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